Fußball | Champions League Champions League: Klopp und Ancelotti - menschelnde (Taktik-)Meister

Stand: 27.05.2022 15:06 Uhr

Das Finale in der Champions League zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool ist auch das Duell der Erfolgstrainer Carlo Ancelotti und Jürgen Klopp. Sie setzen im Umgang auf Nähe, auf dem Platz aber auf unterschiedliche Dinge.

Wenn darüber gefachsimpelt wird, wer denn nun der beste Fußball-Trainer der Welt ist, werden Carlo Ancelotti und Jürgen Klopp zwei der aussichtsreichsten Kandidaten sein. Mit ihrem Einzug in das am Samstag (28.05.2022) stattfindende Finale der Champions League haben sie einen weiteren Beleg dafür erbracht.

Klopp egalisierte mit seiner bevorstehenden vierten Teilnahme den bisherigen Rekord, Ancelotti sorgte einen Tag später dafür, dass er nun der einzige Trainer ist, der fünfmal das Endspiel der "Königsklasse" erreicht hat.

Ancelotti holt Real aus der Krise

Die Erfolge von Real Madrid und FC Liverpool sind eng mit diesen beiden Namen verbunden. Als Trainer ist das naturgemäß so, allerdings ist das Abschneiden der beiden Klubs vor der jeweiligen Ankunft der beiden das größte Argument für ihren Stellenwert.

Ancelotti holte Real aus der Krise, führte den Klub souverän in dieser Saison zur spanischen Meisterschaft. Und Klopp schreibt seit 2015 eine Erfolgsgeschichte in Liverpool, beendete eindrucksvoll eine jahrelange Titeldurststrecke.

Beide sehen sich als Kumpeltyp

Doch was sind die Erfolgskonzepte der beiden Trainer? Auf den ersten Blick sind sich die beiden sehr ähnlich. Sie treten nicht als streng autoritäre Fußballlehrer auf, sondern sehen sich als Teil des Teams.

Klopp ist "stark am Menschen orientiert"

Jürgen Klopp bezeichnete seinen Führungsstil einst als "stark am Menschen orientiert". Er sei "interessiert daran, dass es den Leuten um mich herum gut geht. Dann können sie ihr Potenzial leichter ausschöpfen", so Klopp. "Ich bin grundsätzlich gerne der Freund meiner Spieler. Wobei mir klar ist, dass ich nicht ihr bester Freund sein kann." Auch Ancelotti bezeichnet seine Spieler als "Freunde".

Doch zur Aufgabe des Trainers gehört es, bei aller Freundschaft Entscheidungen zu treffen, auch mal unangenehme.

Madrid weiß, was zu tun ist

Denn Welterfolge schafft man wohl nur durch die Kombination aus gutem Draht zu seiner Mannschaft und kaum zu übertreffenden Fachkenntnissen. In der Umsetzung liegen die großen Unterschiede zwischen Ancelotti und Klopp.

"Don Carlo" will, dass seine Mannschaft ein Spiel kontrolliert. In Toni Kroos und Luka Modric diktieren zwei Mittelfeldspieler schon seit vielen Jahren das Zentrum des Spielfelds. Und gelingt es den "Passmaschinen" nicht, ihren Gegner zu dominieren, setzen die kämpferische Kraft und die Qualität, in entscheidenden Situationen die richtigen Dinge zu machen, ein.

Denn so holprig wie in dieser Saison war der Weg ins Finale für den Rekord-Champion wohl noch nie. In der Gruppenphase drohte nach der Blamage gegen Sheriff Tiraspol im Bernabeu (1:2) das Aus, im Achtelfinale gegen Paris St. Germain fehlte auch nicht viel zum vorzeitigen Champions-League-Ende.

Gegen Chelsea am Rande des Ausscheidens

Chelsea hatte Madrid am Rande des Ausscheidens, gegen Manchester City brauchte es Last-Minute-Tore. Irgendwie hieß der Sieger am Ende jedes Mal aber doch Real Madrid.

Ancelotti verweist dabei aber darauf, dass sein Dazutun angesichts der enormen Erfahrung seiner Spieler nicht besonders wichtig sei. "Viele dieser Spieler werden ihr fünftes Finale absolvieren, für mich ist es in diesen acht Jahren das zweite. Ich werde in die Kabine gehen, um darum zu bitten, dass sie mir erklären, wie man ein Finale vorbereitet", sagte Ancelotti. "Ich muss diese Spieler nichts lehren. Diese Mannschaft ist solche Partien mehr gewohnt als jede andere."

Klopps Gegenpressing - nicht überraschend, aber überwältigend

Doch auch in Liverpool tritt ein Gewöhnunseffekt für solch große Spiele ein. Zum dritten Mal in fünf Jahren werden die "Reds" Teil des größten Duells im europäischen Vereinsfußball sein.

Klopp setzt in Liverpool auf Gegenpressing, wobei er angesichts der Ausnahmekönner bei seinem aktuellen Arbeitgeber auch gegnerische Mannschaften mit über 70 oder sogar 80 Prozent Ballbesitz zur Verweiflung kombinieren kann. Der Grundsatz bleibt aber: hoch anlaufen, Ball erobern, vertikal nach vorne spielen, Tor.

Festhalten an der Idee als Erfolgsgeheimnis

"Alles, was du den Gegner unter Druck machen lässt, macht es für ihn bedeutend schwieriger", ist das Credo Klopps. Es ist also kein Geheimnis, dass Klopps Mannschaften die Außenverteidiger attackieren und im Zentrum den Ball erobern und Richtung gegnerisches Tor bringen wollen - aber sie machen es so gut, dass nur wenige Gegner das unterbinden können.

Die Frage ist nun: Welche Herangehensweise wird am Samstag die sein, die am Ende zum Henkelpott führt? Das Klopp-Pressing oder die lange Leine von Ancelotti, der seinen Finalexperten im Team weitgehend die Führung überlässt?