
Galaktisches Halbfinal-Duell Grazie! Gracias! - Eine Ode an Inter und Barca
13 Tore, Wendungen, überraschende Helden, Hochspannung, Fußball über 210 Minuten auf höchstem technischen und taktischen Niveau: Inter Mailand und der FC Barcelona haben ein Halbfinale in der Champions League hingelegt, das unvergessen bleiben wird. Bei dem es mit Inter einen Sieger gab, aber bei dem jeder, der diese zwei Partien plus Verlängerung gesehen hat, gewonnen hat.
Zunächst eine kleine Ernüchterung: Dieser Text will das Spektakel zwischen dem FC Barcelona und Inter Mailand beschreiben, aber in Gänze wird das nicht möglich sein. Wer den Fußball einst geliebt, diese Zuneigung aber durch überfrachtete Spielpläne, viel zu hohe Geldsummen, höchstdiskutable Investoren und andere Mauscheleien verloren hat, dürfte sein Herz wieder so schlagen gespürt haben wie vor diesen Themen, die diesen Sport zu Recht streitbar machen.
Wer diese beiden Spiele nicht gesehen hat, sollte sich die Mühe machen, das nachzuholen. Das Ergebnis ist bekannt, Inter steht im Endspiel - trotzdem lohnt sich jede Minute dieses Spielfilms in Überlänge.

FC Barcelona und Inter Mailand - komplett unterschiedliche Champions
Zwischen Barca und Inter liegen fußballerische Welten. Auf der einen Seite das überwiegend junge Ensemble aus den besten Talenten der Welt, die auf dem Weg sind, Weltstars zu werden oder es sogar schon sind. Auf der anderen Seite Topfußballer, die individuell nie auf der höchsten Stufe waren, aber in ihren Karrieren so viel gewonnen haben und genau wissen, was sie zu tun haben - und die alle Qualitäten haben, genau das zu tun.
Barca ist die schärfste Klinge im Fußball, unter Trainer Hansi Flick spielen die Katalanen einen Fußball zum Niederknien. Hochriskant mit dieser absurd hohen Verteidigungslinie, so fein und zugleich dominant mit Frenkie de Jong und Pedri im Mittelfeld, so spektakulär mit Lamine Yamal, bei dem es keine Übereiferung ist, in ihm den neuen Lionel Messi zu sehen.
Der Inbegriff der "Mentalitätsmonster"
Inter ist dagegen das Schweizer Taschenmesser. Die "Nerrazurri" können alles. Sie sind in nichts perfekt wie Barca beispielsweise am Ball, aber eben in so vielem so gut, dass sie jedes Team der Welt schlagen können. Inter kann mit einer Bierruhe verteidigen, unheimlich dreckig sein, ist bei Standards stark. Die Mannschaft von Trainer Simone Inzaghi hat aber auch ihre fußballerischen Höhepunkte wie vor dem 1:0 von Federico Dimarco im Rückspiel oder bei Marcus Thurams Führungstor mit der Hacke im Hinspiel.

Wo sich Inter und Barca sehr ähnlich sind: Sie haben die Mentalität - oder neudeutsch: das Mindset - eines Champions. Das Flick-Team lag in beiden Spielen mit 0:2 hinten und kam zurück. Mailand stand wenige Minuten vor dem Aus und erzielte kurz vor dem Schlusspfiff noch das 3:3 zur Verlängerung. Es war einer der vielen Momente, die einen positiv fassungslos zurückgelassen haben.
Acerbi, Dumfries, Garcia - die nicht zu erwartenden Helden
Zu dieser Geschichte gehört auch, dass es viele Helden gab, die auf der Anwärterliste sehr weit hinten waren. Francesco Acerbi schoss Inter in die Extrazeit - 37 Jahre alt, Innenverteidiger. Er hatte Hodenkrebs (geheilt). Die Behandlung verschaffte ihm einen positiven Dopingtest und kurzzeitig eine Sperre, die wieder aufgehoben wurde. Es gibt Rassismusvorwürfe aus dem März 2024, die nie verifiziert wurden, aber ihm eine Nominierung für die Nationalmannschaft gekostet haben. Acerbi schreibt so viele Geschichten und es kam nun eine weitere dazu.
Oder Eric Garcia, der Barca als Rechtsverteidiger zurück ins Spiel köpfte, obwohl er eigentlich nie spielen darf, weil Jules Koundé (fehlte verletzt) dort sonst als Nonplusultra unterwegs ist. Dani Olmo köpfte den Ausgleich, dessen Transfer-Posse (Verband und Liga wollen ihm die Spielerlaubnis entziehen wegen der finanziellen Situation des Klubs) bisher das einzige Störthema der herausragenden Barca-Saison war. Yann Sommer, dessen letzter Eindruck in Deutschland das Scheitern beim FC Bayern war, ist nun der Held von Mailand.
Und dann gibt es da den wohl entscheidendsten Spieler, der wahrscheinlich gar nicht so viel des Rampenlichts abbekommen wird. Im Hinspiel spielte er sechs Pässe, schaffte es aber, zwei Tore zu erzielen und eins vorzubereiten. Im Rückspiel legte er auch zwei Treffer vor, damit war er mit fünf direkten Torbeteiligungen der effektivste Akteur des 210-Minuten-Spektakels. Die Rede ist von Denzel Dumfries, der das Sinnbild des Inter-Erfolgs ist. Nicht oft zu sehen, aber immer da, wenn es sein muss.
Die Ungerechtigkeit des Fußballs bleibt aber
Barcelona war hauptverantwortlich für das Spektakel, Mailand aber mit seiner Kaltschnäuzigkeit, Kampfkraft und Unberechenbarkeit für das Gesamtpaket genauso entscheidend. Die beiden Teams bekämpften sich und sie ergänzten sich. Viel stimmiger als das Bild, das dieses Duell gezeichnet hat, geht es nicht. Es war eine Champions-League-Symphonie, das torreichste Halbfinale der Geschichte der Königsklasse.

Es war galaktisch. Aber es war auch ungerecht, wie der Fußball nunmal ist. Es gab den Jubel und Tränen der Freude, aber auch Tränen der Enttäuschung und Gesichter des Entsetzens. Etwas, das keiner verdient hatte, der an diesem Event beteiligt war. Dieser Text hatte viele Worte, aber eigentlich bleibt nur eins zu sagen: Grazie! Gracias!