Hansi Flick jubelt nach dem Spiel gegen Real Madrid

Barcelonas Triumph über Real Der Machtwechsel mit dem "heiligen Hansi"

Stand: 11.05.2025 23:20 Uhr

Hansi Flicks junger FC Barcelona hat Real Madrid diese Saison beherrscht wie noch nie und stellt einen historischen Clásico-Rekord auf. Wo soll das noch hinführen?

Hansi Flick tippte am Seitenrand mit den Fingern an seine Schläfen: Mit Kopf spielen! Seine Profis vom FC Barcelona hatten soeben innerhalb einer Viertelstunde aus einem 0:2 gegen Real Madrid ein 3:2 gemacht. Sahen sie ihren Trainer, nahmen sie seine Geste wahr? Bald schossen sie das 4:2.

Barça kann gar nicht anders, es spielt immer nach vorn. Dem spanischen und europäischen Fußball bescherte das zuletzt im Akkord so spektakuläre Matches wie man sie sonst nur über mehrere Jahre zu sehen bekommt. Ein 5:4 in Lissabon nach 2:4 etwa. Ein 3:3 und ein 3:4 gegen Inter Mailand in der bereits als historisch geltenden Halbfinalserie der Champions League. Und vier Siege gegen Real Madrid.

Ein Poker von 16:7

Vier Siege, so einen Poker innerhalb derselben Saison hatte es noch nie gegeben in 123 Jahren Rivalität. Vier Clásicos, vier Siege, Gesamttorverhältnis 16:7.

4:0 auswärts in der Liga, 5:2 im Supercupfinale, 3:2 im Pokalfinale, nun am Sonntag zum Abschluss des Reigens am Ende ein 4:3. Nur ein 4:3, musste man sagen. Denn gegen ein schlappes, in Barças Wirbel der ersten Halbzeit phasenweise fast widerstandloses Madrid hätte auch dieser Sieg eigentlich höher ausfallen müssen.

Die Clasicos in der Saison 2024/25
Datum Wettbewerb Ergebnis
26.10.2024 La Liga 4:0 für Barcelona
12.01.2025 Supercopa 5:2 für Barcelona
26.04.2025 Copa del Rey 3:2 n.V. für Barcelona
11.05.2025 La Liga 4:3 für Barcelona

Aber weil dieses Barça immer mit Enthusiasmus spielt und nicht immer mit Vernunft, wurde es im Olympiastadion sogar noch mal eng. Die Abwehrlinie blieb abenteuerlich hoch, selbst bei einer Führung und gegen eine so konterstarke Mannschaft wie Madrid mit dem dreifachen Torschützen Kylian Mbappé und Vinícius Júnior.

Niemand redet mehr von Messi, alle reden von Flick

Die Fans lieben diesen Stil, in Barcelona ist das Team so populär wie seit vielen Jahren keines mehr. Niemand redet mehr melancholisch von Lionel Messi oder Andrés Iniesta, alle schwelgen im Fußball von Lamine Yamal und Pedri. Niemand vermisst mehr die Trainer Pep Guardiola oder Luis Enrique. Alle schwärmen von "San Hans-Dieter Flick", wie er auf einem Fanplakat schon mal getauft wurde.

Dieser Hansi Flick gab später zu, dass sich für einen Trainer die Dinge manchmal schon anders darstellen mit so einem Spielstil: "Es ist nicht immer Spaß, manchmal leide ich auch", sagte er über den Hurrafußball seiner jungen Elf.

Lamine Yamal und Raphina jubeln nach einem Tor im Clásico

Lamine Yamal und Raphina jubeln nach einem Tor im Clásico

Aber vor allem war Flick in richtig guter Stimmung. Angesichts des knappen Erfolgs musste er nicht über die Schiedsrichter sprechen, die seiner ansonsten allseits bewunderten Mannschaft das Leben schwerer machen als die meisten Gegner. Wie beim Europapokalaus in Mailand fielen auch am Sonntag auf Barcelonas Hausberg Montjuïc alle strittigen Entscheidungen zu Gunsten des Rivalen. Ein Schelm, wer dabei an die Einschüchterungskampagne dachte, die Real auch diesmal wieder gegen den Referee des Matches über seinen Vereinskanal lanciert hatte.

Ancelotti vor dem Abschied in Madrid

Trotz dieser Umstände ist Flick eine fulminante, ungeahnte Wachablösung gelungen. Vor einem Jahr fügte Real unter großem Pomp seinem Meister- und Champions-League-Siegerteam den Superstar Mbappé hinzu. Derweil Flick unter manchen Zweifeln nach seiner erfolglosen Epoche als Bundestrainer ein angeschlagenes, klammes, in der Saison zuvor titelloses Barça übernahm. Doch nun ist es Carlo Ancelotti in Madrid, der wohl seinen Hut nehmen muss und voraussichtlich von Xabi Alonso ersetzt wird. Und es ist Flick, der die europäische Bühne zwar unter großem Applaus verlassen musste, national nach Pokal und Supercup aber auch die Liga gewinnen dürfte.

Zwei Punkte fehlen zur Meisterschaft, drei Spiele gibt es noch, schon am Donnerstag im Derby beim Lokalrivalen Espanyol könnte es soweit sein. Oder sogar am Mittwoch, wenn Real sein Heimspiel gegen Mallorca nicht gewinnt.

Die allerbeste Laune bekommt Flick aber, wenn er über die Zukunft seines Teams spricht, über die "Reise", die "noch nicht vorbei ist." Flick entgeht ja nicht, dass seine Mannschaft zu viele Gegentore bekommt. Im Gefühl des Erfolgs konnte er es am Sonntag so klar zugeben wie nie zuvor zu: "Ich weiß, dass wir noch viel verbessern müssen, besonders in der Defensive", sagte er: "Wir müssen stabiler werden."

"Wir haben noch viel Verbesserungspotenzial"

Das Gute für ihn: er kann das jetzt bald in Angriff nehmen. Angesichts des brutalen Spielrhythmus war dazu während der vergangenen Monate keine Gelegenheit. Jetzt wird sie kommen, zumal Barça nicht an der neuen Klub-WM teilnimmt. "Wir wollen besser werden", wiederholte Flick lächelnd: "Und wir haben viel Potenzial dazu."

Die meisten Tore in Europa schießt Barça schon. Mit Lamine Yamal, 17, hat es einen Jahrhundertstürmer in seinen Reihen. Mit Pedri, 22, den wohl weltbesten Spielmacher. Nicht auszudenken, wenn dieses Team auch noch gut zu verteidigen lernt.