
Tennis-Masters in Rom Iga Swiatek - Tränen unterm Handtuch, Panik auf dem Platz
Es ist ihre Lieblingsjahreszeit. Frühling, endlich wieder Sandplatztennis. Iga Swiatek ist eigentlich richtig gut darin. In den vergangenen Jahren war sie mit Abstand die Beste von allen. Doch im Frühjahr 2025 ist nichts mehr, wie es war.
Der Auftritt der einstigen Sandplatz-Dominatorin Iga Swiatek auf dem Campo Centrale, dem größten Platz der Tennisanlage in Rom, endete am Samstag mit einer für die vergangenen Wochen sinnbildhaften Szene: Ein einfacher Fehler mit der Rückhand, und raus war sie. Verloren in zwei Sätzen gegen die an Position 29 gesetzte Amerikanerin Danielle Collins. Schon wieder kein Finale. Es war Swiateks dritte Niederlage im dritten Turnier auf Sand in diesem Jahr. Zum Vergleich: Im Vorjahr marschierte sie durch die Turniere von Madrid, Rom und Paris mit einer makellosen Bilanz von 19 Siegen und null Niederlagen und räumte alle drei Titel ab.
Nun, im Frühling 2025, lassen sich die Baustellen der 23-jährigen Polin auf und außerhalb des Platzes kaum an einer Hand abzählen. Da sind zuallererst die ungewohnten Schwächen in ihrem Spiel: Die Vorhand, in den vergangenen Jahren gerade auf Sand ihr alles überragender Schlag, ist momentan eine einzige Wackeldisziplin. Die Beinarbeit, einst herausragend auf der Damen-Tour, ist verkrampft und bringt ihr keine Vorteile mehr. Der Aufschlag, nie ihre größte Stärke, ist jetzt noch leichter zu retournieren.
Richtiggehend Panik
Dazu kommen die Baustellen außerhalb des Platzes. Seit den French Open im Juni 2024 konnte die frühere Weltranglistenerste kein Turnier mehr gewinnen. Gerade das niederschmetternde Platzen ihres Goldtraums im Halbfinale bei den Olympischen Spielen in Paris nagt noch heute an ihrem Selbstbewusstsein. Im Herbst kündigte sie die Zusammenarbeit mit ihrem bisherigen Erfolgscoach Tomasz Wiktorowski auf und holte den Belgier Wim Fissette als neuen Trainer. Fissette gilt als Bessermacher, der unter anderem Angelique Kerber und Naomi Osaka zu Grand-Slam-Titeln verhalf. Gebracht hat es bisher nichts, kein Turniersieg, nicht mal ein Finale.
Die Sache, die das Selbstverständnis Swiateks aber am meisten erschüttert haben dürfte, ist der positive Dopingtest im vergnagenen August, der eine vierwöchige Sperre nach sich zog. Seitdem ist die Polin auf dem Platz noch in sich gekehrter als sie es ohnehin schon war. Es hat den Anschein, als stünde sie nach dem positiven Test regelrecht unter einem Zwang, beweisen zu müssen, dass sie die beste Spielerin der Welt ist. Swiatek wirkt gehemmt. Andrea Petkovic, Ex-Profispielerin und TV-Expertin, vermisst die Leichtigkeit im Spiel der ehemaligen Nummer 1: "Man sieht den Stress. Sie wirkt im Moment so, als würde sie nicht gerne auf dem Platz stehen. Sie ist sonst auch immer eine ernsthafte Person auf dem Platz gewesen, aber momentan habe ich das Gefühl, da ist richtiggehend Panik dabei."

Iga Swiatek reagiert genervt während des Spiels gegen die Amerikanerin Danielle Collins.
Tränen im Gesicht
Der Stress ist auf dem Platz offensichtlich. Die Mundwinkel zucken nach jedem Ballwechsel, selbst in den Spielpausen beim Seitenwechsel kommt sie nicht zur Ruhe, wirkt rastlos, ein Nervenbündel. Vor einer Woche, bei der Niederlage gegen Coco Gauff in Madrid, verbarg sie im Angesicht der klaren Niederlage ihr Gesicht unter einem Handtuch. Als sie das Handtuch wieder abnahm, waren Tränen der Enttäuschung, vielleicht auch Tränen der Wut, über ihr Gesicht gelaufen. Hinterher wurde bekannt, dass ihr Großvater vor Turnierstart verstorben war. Zwischen den Turnieren von Stuttgart und Madrid war sie nach Hause geflogen. Private Schicksalsschläge gesellen sich zur sportlichen Situation dazu.
Iga Swiatek selbst hatte sich noch vor Turnierstart in Rom gelassen gegeben: "Ich habe zwar einige Matches im Viertel- oder Halbfinale verloren, aber das waren trotzdem noch gute Ergebnisse. Auf dem Platz bin ich sehr hart zu mir, aber wenn ich abseits des Platzes die Perspektive wechsle, bin ich mit meiner Konstanz immer noch zufrieden." Von der zur Schau gestellten Gelassenheit in der Pressekonferenz war in der 3. Runde auf dem Tennisplatz nichts mehr übrig.
Die Swiateksche Krise bleibt auch ihren Kollegen nicht verborgen. Nach ihrer Niederlage in Madrid sprang ihr Casper Ruud bei. Ruud, der später das Turnier bei den Männern gewann, schrieb auf "X": "Hey Iga, Kopf hoch! Wie Millionen von Menschen liebe ich es, dich spielen zu sehen. Das war heute nicht dein Tag, aber du inspirierst so viele Menschen und du wirst stärker zurückkommen!" Ruud selbst hatte nach seinem Turniersieg in Madrid über mentale Probleme in den vergangenen Monaten gesprochen.

Bei den French Open keine Favoritin
Andrea Petkovic ist sich dennoch sicher, dass Swiatek nach einer enttäuschenden ersten Jahreshälfte schnell wieder zu ihrem Spiel finden kann: "Ich glaube, ihr würde es gut tun, mal ein bisschen Pause zu machen, ein bisschen abzuschalten und dann hoffentlich wieder die Freude am Tennis und auch an der Arbeit zurückzugewinnen. Das würde es ganz schnell für sie rumdrehen. Da sind ein paar spielerische Sachen, aber das ist alles nicht der Rede wert."
Swiatek wird bei den French Open nicht als Topfavoritin an den Start gehen, ein für sie unbekanntes Gefühl. Sie hatte sich am Bois de Boulogne in den vergangenen Jahren einen Status erarbeitet, der fast mit der Aura von Rafael Nadal in dessen besten Tagen zu vergleichen war. Das Gefühl, dass sie auf der roten Asche in Paris unbesiegbar ist. Vier Mal hat sie dieses Turnier gewonnen. Möchte sie 2025 ein fünftes Mal siegen, muss sie zurück zur Leichtigkeit finden. Die scheint inmitten der ganzen Baustellen momentan etwas verschüttet.