Hintergrundbild - Hau rein die Pille

„#Pillenkick“-Recherche Hoffenheim-Arzt will manche Schmerzmittel auf die Dopingliste setzen

Stand: 09.06.2021 08:00 Uhr

Schmerzmittel im Profi-Fußball – ist das Problembewusstsein gestiegen? Ein Jahr nach den Recherchen der ARD-Dopingredaktion und Correctiv gibt es dafür immerhin erste Anzeichen; und einen Mann aus der Praxis, der die Verbände zum Handeln auffordert.

Von Arne Steinberg, Peter Wozny, Wigbert Löer

Der DFB-Präsident war "schockiert" und kündigte Maßnahmen an. Und tatsächlich starteten erste Aufklärungsseminare für Amateure bereits einige Wochen später. Zudem soll eine Studie die Verbreitung von Schmerzmitteln im Amateurfußball wissenschaftlich fundiert vermessen.

Die "#Pillenkick"-Recherche, die ARD und das Recherchezentrum Correctiv im Juni 2020 veröffentlichten, hatte einige schnelle Konsequenzen.

Doch ist es heute, ein Jahr später, tatsächlich und auch im Profifußball zu einem Umdenken gekommen?

Darauf gibt es zumindest Hinweise. Der Schmerzmittelkonsum, heimlich oder mit Hilfe des Vereins, gilt im Fußball vielen zwar weiterhin als Tabuthema. Doch zwei junge Profis aus der Bundesliga äußerten sich zuletzt deutlich.

Abreise von der EM

Dominik Szoboszlai (20), angestellt beim Vize-Meister RB Leipzig, gab im Januar 2021 zu, Schmerzen längere Zeit mit Medikamenten unterdrückt zu haben. Szoboszlai sollte in diesen Tagen eigentlich für sein Heimatland Ungarn bei der Europameisterschaft spielen. In den Playoff-Spielen war der Mittelfeldspieler noch der Held. Inzwischen streikt sein Körper. Aus dem EM-Quartier der Ungarn musste Szoboszlai gerade wieder abreisen. Womöglich zahlt er einen hohen Preis für die kontinuierliche Einnahme der Pillen.

Auch Sebastiaan Bornauw vom Bundesligisten 1. FC Köln fehlte in einer wichtigen Phase der Saison, er konnte sich nicht für die EM empfehlen. Im vereinseigenen TV-Kanal sprach der 22-jährige Belgier erstaunlich offen über Pillenkonsum: "Ich habe auch viele Schmerzmittel genommen. Man merkt nicht, wie schlimm es ist, wenn man mittendrin ist."

Klare Ansage von einem Insider

Der Mannschaftsarzt Thomas Frölich von der TSG Hoffenheim sagt der ARD-Dopingredaktion nun mit Blick auf das zurückliegende Jahr über die Einnahme von Schmerzmitteln: "Bei den Spielern hatte ich den Eindruck, dass sie doch etwas vorsichtiger damit umgegangen sind und auch etwas weniger konsumiert haben." Frölich agiert seit drei Jahrzehnten als Arzt im bezahlten Fußball. Oft versuchte er zu verhindern, dass seine Profis leichtfertig oder aus purer Gewohnheit Schmerztabletten schluckten.

Frölich sieht aber auch die Verbände und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in der Verantwortung. "Von offizieller Seite aus würde ich mir natürlich an erster Stelle wünschen, dass bestimmte Medikamente eventuell zusätzlich auf die Dopinglisten aufgenommen werden. Damit wäre das Problem nahezu totgeschlagen."