Eröffnungsspiel gegen Italien Türkei - mit einem Bollwerk zurück an die europäische Spitze

Stand: 09.06.2021 13:14 Uhr

Beim Eröffnungsspiel zwischen Italien und der Türkei sind die Gastgeber zwar favorisiert, sie treffen aber auf einen gefährlichen Gegner. Gerade defensiv sind die Türken wieder ein Top-Team.

In Harsewinkel, einem 25.000-Einwohner-Städtchen in Westfalen, gab es in der vergangenen Wochen schon einen Hauch von EM-Stimmung. Mehrere Fans versammelten sich vor dem Hotel Klosterpforte, um die türkische Nationalmannschaft in Empfang zu nehmen, die sich dort auf das Turnier vorbereitet. Bis Donnerstag trainert das Team von Trainer Senol Günes in Harsewinkel, bricht dann auf nach Rom, wo am Freitag das Eröffnungsspiel der Europameisterschaft zwischen Italien und der Türkei (21 Uhr/ARD) stattfinden wird.

Erfolgreich dank starker Abwehr

Der Abschied von der westfälischen Idylle soll aber nur von kurzer Dauer sein. Sollte die Türkei die Gruppenphase überstehen, wird sie zurückkehren und sich in der Klosterpforte auf die K.o.-Phase vorbereiten. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Denn das Team hat durchaus das Potenzial, für eine Überraschung zu sorgen.

Günes hat die Türkei, Dritter bei der WM 2002, wieder in die Erfolgsspur zurückgebracht. In seiner Amtszeit (seit März 2019) hat sein Team von 26 Spielen lediglich drei verloren. Das Prunkstück ist die Defensive, nur drei Gegentreffer kassierte die Türkei in der EM-Qualifikation - die wenigsten aller Nationen. Günes hat mit Caglar Söyüncü (Leicester City), Merih Demiral (Juventus Turin) und Ozan Kabak (FC Liverpool) drei internationale Top-Leute für das Abwehrzentrum.

Sportschau-Experte Boateng: "Können weit kommen"

"Das ist eine ganz interessante Mannschaft und für mich ein Underdog-Favorit" sagt Sportschau-Experte Kevin-Prince Boateng vor dem Turnier: "Die können überraschen und weit kommen."

Türkei will zurück an die europäische Spitze

Im Angriff ist die Türkei dafür abhängig von Kapitän Burak Yilmaz. Der 35-Jährige hat ein überragendes Jahr hinter sich, er schoss den OSC Lille mit 16 Saisontoren zum Meistertitel in Frankreich, erlebt die erfolgreichste Zeit seiner Karriere. "Mit Yilmaz haben sie einen Stürmer vorne drin, der auf einer sehr hohen Welle reitet", so Boateng. Sein Lille-Teamkollege Yusuf Yazici sowie Cengiz Ünder (Leicester City) und Hakan Calhanoglu (AC Mailand) sind die Spieler, die ihn unterstützen sollen und müssen.

Bei ihrer fünften EM-Teilnahme stellt die Türkei trotz Yilmaz mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren den jüngsten Kader aller Teams. Die Mannschaft macht Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft der türkischen Nationalmannschaft - und diesen Anspruch hat auch der Trainer. "Es gibt die Top fünf, die fünf großen Länder in Europa: Italien, England, Spanien, Frankreich und Deutschland. Ich würde noch die Niederlande dazu zählen. Wir wollen zu dieser Elite dazugehören", sagte Günes der "Corriere dello Sport".

"Italien ist der Favorit"

Vor dem EM-Start ist er dagegen verhaltener. "Italien ist der Favorit und ist ein Kandidat für den Titelgewinn. Vor allem, weil sie zu Hause spielen", sagte Günes, der jedoch auch betont, dass das Eröffnungsspiel etwas ganz Besonderes für ihn und sein Team ist. "Wir spielen vor den Augen der ganzen Welt, das wird uns aufputschen."

Obwohl in Rom 16.000 Zuschauer erlaubt sind, muss die Türkei wohl jedoch trotz aller Bemühungen auf Unterstützung aus dem eigenen Land verzichten. "Wir haben große Probleme damit, die türkischen Fans nach Italien mitzunehmen. Sowohl was die Visa angeht als auch das Kartenkontingent", sagte Nihat Özdemir, Präsident des türkischen Fußballverbandes.

Türkische "Heimspiele" in Baku

Die anderen Partien in der Gruppenphase gegen Wales (16. Juni) und die Schweiz (20. Juni) dürften dagegen nahezu Heimspiele für die Türkei werden. Die finden in Baku (Aserbaidschan), nur etwa 500 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, statt. "Wir erwarten alle türkischen und aserbaidschanischen Mitbürger zum Spiel. Wir sind zwei Nationen, aber ein Volk. Gemeinsam werden wir unsere Nationalmannschaft unterstützen", sagte Özdemir. In Baku sind bis zu 31.000 Zuschauer erlaubt.

Beim Spiel gegen Wales wird einer unter ihnen Staatschef Recep Tayyip Erdogan sein. Der türkische Präsident hat eine sehr enge Verbindung zur Nationalmannschaft, nach dem 4:2-Sieg gegen die Niederlande in der WM-Qualifikation im März rief er unmittelbar nach dem Abpfiff den dreifachen Torschützen Yilmaz an, um ihn und die Mannschaft zu beglückwünschen. "Gerade in solch einer Zeit hat die Tatsache, dass unsere Mannschaft ein Team wie die Niederlande mit 4:2 besiegt hat, unserem Land einen besonderen Stolz verliehen", sagte Erdogan.