Frauenfußball | Champions League Champions League der Frauen: Nächster Meilenstein im Camp Nou

Stand: 31.05.2022 13:45 Uhr

Das ausverkaufte Halbfinale zwischen dem FC Barcelona und dem VfL Wolfsburg am Freitag (22. April, 18.45 Uhr) ist ein weiteres Zeichen dafür, wie das neue Format der Champions League der Frauen zu mehr Aufmerksamkeit verhilft.

Direkt hinter dem Schreibtisch im Büro von Ralf Kellermann, dem sportlichen Leiter beim VfL Wolfsburg, hängt eine große Collage, die an die größten Triumphe der Frauen-Abteilung erinnert: die Champions-League-Titel 2013 und 2014.

Fröhliche Bildchen, auf denen ehemalige Spielerinnen wie Martina Müller und aktuelle Spielerinnen wie Alexandra Popp jubeln. Die inzwischen 31-Jährige hat beim ersten Sensationscoup gegen Olympique Lyon damals als Linksverteidigerin ausgeholfen.

Rund 20.000 Zuschauer an der Stamford Bridge staunten am 23. Mai 2013 damals über das taktische Geschick, aber auch die immense Disziplin des deutschen Außenseiters, der drei Tage vor dem Männerfinale der Königsklasse zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ein erstes Ausrufezeichen in London setzte.

Der Weltrekord für ein Frauenspiel wackelt

"2013 war eine Sensation, weil wir mit einem international unbekannten Kader erstmals teilgenommen haben", erinnert sich Kellermann. Nun steht wieder ein Höhepunkt an, der für Kellermann wie Popp etwas ganz Besonderes ist: das Halbfinal-Hinspiel mit dem VfL Wolfsburg beim FC Barcelona im ausverkauften Camp Nou (Freitag 18.45 Uhr).

Nachdem zum Frauen-"Clasico" gegen Real Madrid bereits sagenhafte 91.553 Fans den Barca-Frauen ihre Aufwartung machten, wackelt der Weltrekord keinen Monat später an selber Stelle schon wieder.

Weltfußballerin Alexia Putellas sagte nach dem Real-Erlebnis: "Ich habe diese Dimensionen nicht für möglich gehalten." Die 28-Jährige wünschte sich nichts weniger, als den "Beginn einer neuen Ära". Ihre Sehnsucht wird erfüllt: Für Kellermann setzen die Katalanen "zum zweiten Male binnen kürzester Zeit ein Mega-Ausrufezeichen".

Ralf Kellermann führt sich an die Frauen-WM 2011 erinnert

Der 53-Jährige erinnert sich an die Frauen-WM 2011 in Deutschland und das Eröffnungsspiel im Berliner Olympiastadion, die das Vermarktungspotenzial erahnen ließen, aber die neuen Dimensionen erstaunen alle Protagonisten. "Mein Traum war es immer, einmal in Dortmund vor 80.000 zu spielen. Daran, dass das Camp Nou mal voll sein könnte, hatte ich niemals gedacht", gesteht Kapitänin Popp. "Die Zuschauer lechzen danach, dass die Champions League größer aufgezogen wird", findet Torhüterin Almuth Schult.

Mit der neu eingeführten Gruppenphase, einer zentralen Vermarktung und einer professionellen Fernsehproduktion hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) eine Entwicklung angestoßen, auf die vor allem die reichweitenstarken Lizenzvereine mit den bekannten Namen gewartet haben.

Schon in der Vorrunde fanden sechs Spiele in den großen Arenen statt, in denen sonst die Männer spielen. Juventus Turin begrüßte plötzlich 12.000 Besucher gegen den VfL Wolfsburg, Paris St. Germain hatte 18.344 Fans gegen Real Madrid. Der Zuschauerschnitt in der Gruppenphase lag laut Uefa bei 3.381 pro Match – mehr als dreimal so viel wie in der Frauen-Bundesliga.

Paris-Spielerin Sara Däbritz findet das Format wunderbar

Wie sich überhaupt deutlicher Nachholbedarf auf deutscher Seite zeigt. Während für die französischen Topteams Olympique Lyon und Paris St. Germain, die am Sonntag (17 Uhr) das zweite Halbfinale bestreiten, der Gang ins größere Stadion fast schon Gewohnheit ist, zog der FC Bayern für sein Viertelfinalhinspiel gegen PSG erstmals in die Münchner Arena.

Angesichts von 13.000 Zuschauern sprach Vorstandschef Oliver Kahn zwar von einem "Meilenstein", doch zum Rückspiel strömten in den Prinzenpark mehr als doppelt so viele, nämlich 27.262 enthusiastische Fans. Das PSG-Ensemble wurde von der Kulisse zum Weiterkommen getragen. Die für Paris spielende Sara Däbritz findet die reformierte Champions League "einfach wunderbar für den Frauenfußball".

In der Frauen-Bundesliga sind bald Highlight-Spiele in großen Stadien geplant

Kellermann will aber keine Kritik an deutscher Zurückhaltung üben. Der Macher vom Mittellandkanal gibt zu bedenken, dass vor Ausbruch der Pandemie aussichtsreiche Gespräche zwischen den Topvereinen und dem DFB geführt wurden, um einzelne Spiele der Frauen-Bundesliga in größeren Stadien auszutragen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir bald Highlight-Spiele in der Bundesliga mit fünfstelligen Zuschauerzahlen haben."

Das könnten dann Partien wie Eintracht Frankfurt gegen den VfL Wolfsburg oder Wolfsburg gegen Bayern sein. Siegfried Dietrich, Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt und Sprecher des Ausschusses Frauen-Bundesligen, mahnt an, "nicht weiter Zeit zu verlieren".

Für ihn ist es vordringliche Aufgabe, "spätestens bis zur möglicherweise auch in Deutschland auszutragenden Frauen-WM 2027 den Bekanntheitsgrad unserer Frauen-Bundesliga auf ein neues, werthaltiges Niveau mit auch mehr Zuschauern zu bringen".

Fürs Rückspiel sind 15.000 Karten verkauft

Doch der Weg ist noch weit. Obwohl es mit dem FC Barcelona Femini gerade keinen besseren und namhafteren Gegner gibt, hat der VfL Wolfsburg beim Kartenverkauf fürs Rückspiel (30. April/18 Uhr) noch Luft nach oben. Bislang sind 15.000 Tickets vergeben.

Kellermann findet das "klasse", man müsse schließlich immer die Einwohnerzahl berücksichtigen. Der Werksverein rechnet mit 17.000, 18.000 Zuschauern, Popp hofft für die VW-Arena auf "mehr als 20.000". Auf jeden Fall wird die Autostadt für ein Frauenspiel auf Vereinsebene einen Rekord vermelden können - und Bilder produzieren, die bestimmt auch gut in Kellermanns Büro passen.