Portugals Trainer Fernando Santos (r.) mit seinem Spieler Cristiano Ronaldo

FIFA WM 2022 Ronaldo und Santos - Portugals WM-Star und sein fußballerischer Ziehvater

Stand: 05.12.2022 18:12 Uhr

Cristiano Ronaldo und Trainer Fernando Santos wollen mit Portugal in Katar den WM-Titel holen. Es wäre der Höhepunkt einer langen gemeinsamen Reise, die in den Teenagerjahren von "CR7" begann.

Dass sich Fernando Santos öffentlich kritisch äußert, wenn es um Cristiano Ronaldo geht, passiert recht selten. Vor dem Spiel im WM-Achtelfinale gegen die Schweiz am Dienstag (06.12.2022, Livestream, Live-Radioreportage und Ticker bei der Sportschau) war es aber mal soweit. Darüber, dass Ronaldo einen Gegenspieler nach dem Gruppenspiel gegen Südkorea (1:2) verbal angegangen hatte, sagte Portugals Nationaltrainer: "Das hat mir überhaupt nicht gefallen. Aber diese Dinge werden intern gelöst, und dann geht es weiter. Alle sind auf das Spiel konzentriert."

So ist es eben in einer Familie. Jemand baut Mist, man spricht darüber und schafft das Thema aus der Welt. Nun ist hier die Rede von einem Fußballtrainer und einem Spieler, doch in diesem Fall darf man mit Fug und Recht von einem familiären Verhältnis sprechen. Denn seit fast 20 Jahren kreuzen sich die Wege Ronaldos und Santos' regelmäßig. Der Trainerveteran hat seinem Spieler unfreiwillig sogar das Tor zur Weltkarriere geöffnet.

Erste entscheidende Berührungspunkte bei Sporting Lissabon

Santos ist nämlich nicht nur seit über acht Jahren Ronaldos Trainer bei der portugiesischen Nationalmannschaft, sondern war auch einer seiner ersten Klubtrainer. Bei Sporting Lissabon arbeiteten die beiden zusammen - jedoch nur wenige Monate. Und das liegt an einer Entscheidung, die Santos im Nachgang gerne revidiert hätte.

Portugals Trainer Fernando Santos gestikuliert an der Seitenlinie

Portugals Trainer Fernando Santos gestikuliert an der Seitenlinie

"Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn nicht spielen lassen", sagte Santos in einer Dokumentation des Streamingdienstes "DAZN", die Ronaldos Aufstieg zum Weltstar thematisiert. Gemeint ist ein an sich harmloses Event, ein Freundschaftsspiel. Das jedoch sorgte für den ganz großen Durchbruch von "CR7", und dafür, dass er keine Woche später in der Premier League spielte.

18-jähriger Ronaldo brilliert gegen Manchester - zum Leid von Santos

Am 6. August 2003 - Santos war in Lissabon erst seit kurzem im Amt - weihte Sporting sein neues Stadion gegen Manchester United ein. Der Klub war damals unter Trainerlegende Sir Alex Ferguson einer der absoluten Topvereine in Europa und aktueller englischer Meister. Und er hatte Ronaldo, damals 18 Jahre jung, schon auf dem Zettel. Dann kam das Freundschaftsspiel und sechs Tage später streifte er sich das Trikot der "Red Devils" über, wechselte für 19 Millionen Euro nach Manchester.

Der junge Cristiano Ronaldo (r.) im Duell gegen Manchester United

Der junge Cristiano Ronaldo (r.) im Duell gegen Manchester United

Man-United-Trainer Ferguson überzeugte Ronaldo

"Ich spielte gut, ich glänzte und das rief nur noch größeres Interesse hervor. Nach dem Spiel fühlte ich, dass ich niemandem mehr etwas beweisen musste. Jeder Verein wusste danach, dass er gewinnen würde, wenn er auf mich setzt", sagte Ronaldo in der Dokumentation über seine Gedanken unmittelbar nach dem Abpfiff. Wenig später wurde alles noch viel konkreter, Ferguson bat das damalige Supertalent noch in den Katakomben zum Gespräch und überzeugte Ronaldo von einer Zukunft in seiner Mannschaft.

Santos hatte damals sein ganzes System auf seinen Linksaußen ausgelegt. "Danach musste ich alles umstellen", verriet er. Doch sauer war er auf Ronaldo natürlich nie, er verfolgte die Karriere weiter mit großem Stolz, seine Rolle als fußballerischer Ziehvater wurde dann untermauert in vielen Jahren als Nationaltrainer.

Santos nimmt Ronaldo sogar wegen seines Interviews in Schutz

Und so überrascht es auch wenig, dass Santos in kritischen Momenten stets hinter seinem Schützling steht. Bei der WM in Katar setzt er uneingeschränkt auf Ronaldo, der in der Premier League in den vergangenen Monaten mehr Bank- als Starspieler gewesen und auch in der mit vielen Weltklassespielern gespickten Nationalmannschaft nicht mehr unumstritten ist.

Auch fernab des Fußballplatzes ist Santos für ihn da. Obwohl Ronaldo vor dem Turnier in Katar in einem TV-Interview mit Man United abrechnete und damit etwas machte, was im Profifußball eigentlich verpönt ist, zeigte der 68-Jährige großes Verständnis. "Es ist ein sehr persönliches Interview, das muss respektiert werden. Es geht hier um Toleranz", sagte Santos.

Santos mimt beim Transferthema den Unwissenden

Womit wir wieder beim Thema "Familie" wären. Ronaldo schlägt - zumindest für sehr viele Kritiker - über die Stränge, wird aber von seinem Trainer geschützt. Was Santos aber davon hält, wenn Ronaldo tatsächlich einen neuen Arbeitgeber fernab des hochkarätigen Klubfußballs aufsuchen wird, ist abzuwarten. Die Gerüchte, dass der Wechsel von "CR7" zu Al-Nassr FC aus Saudi-Arabien perfekt sei, kommentierte der portugiesische Trainer nur bedingt.

Cristiano Ronaldo hat den Ball im Fokus

Cristiano Ronaldo hat den Ball im Fokus

"Ich habe das erst gehört, als ich hier angekommen bin vor einigen Minuten. Das ist seine Entscheidung, das muss er alleine wissen. Wir fokussieren uns vollständig auf die WM und das Team, darauf liegt unser Fokus", sagte Santos in der Pre-Match-Pressekonferenz zum Schweiz-Spiel. Dass er aber wirklich komplett außen vor ist bei der Entscheidungsfindung Ronaldos, ist dagegen schwer vorstellbar, zu eng ist das Verhältnis der beiden.

Muss Ronaldo auf die Bank?

Deswegen würde es auch äußerst überraschen, wenn Ronaldo im Achtelfinale gegen die Schweiz nicht von Beginn an stürmen würde. Einen Startelfeinsatz lässt Santos dennoch zumindest öffentlich noch offen. "Ich werde das der Mannschaft mitteilen, sobald wir im Stadion sind, das war schon immer so", sagte er.

Ronaldo hat aber nicht nur das Ziel, den Titel zu gewinnen. Mit einem weiteren Treffer würde er Eusebio als besten WM-Torschützen in der portugiesischen Geschichte einholen. Ein weiterer Rekord in seiner Weltkarriere - und das wird der fußballerische Ziehvater ihm sicher ermöglichen wollen.