Fußball | Sportpolitik FIFA-Kritikerin Klaveness sucht "starke Allianz" mit DFB

Stand: 10.04.2022 11:23 Uhr

Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness, die als Kritikerin des Fußball-Weltverbandes FIFA aufgefallen ist, sucht eine "starke Allianz" mit dem DFB, um Reformen in Katar herbeizuführen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf stellte Familien verstorbener WM-Arbeiter einen Hilfsfonds in Aussicht.

Der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf habe sich bereits am Freitag (08.04.2022) bei ihr gemeldet, um über "konkrete Maßnahmen" zu sprechen, sagte Klaveness.

Am Montag solle das Gespräch in einem weiteren Telefonat vertieft werden. Der DFB unterstütze den norwegischen Vorstoß, im WM-Gastgeberland ein "Migrant Workers' Center" zu schaffen als Anlaufstelle für die zahlreichen Gastarbeiter im Wüstenstaat, sagte Klaveness.

Der DFB bestätigte der Sportschau, dass Klaveness und Neuendorf "zeitnah" wieder sprechen und in Kontakt bleiben wollen.

In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" ergänzte die norwegische Verbandspräsidentin: "Wir wollen besprechen, was wir konkret gemeinsam tun können, um etwas zu verändern, und vielleicht ist das der Beginn einer produktiven, langfristigen Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem norwegischen Verband."

Außerdem wolle man sich gemeinsam für die Rechte von Angehörigen der LGBTQ+-Szene einsetzen. Neuendorf und die neue DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich seien bereits nach ihrem Auftritt in Doha auf sie zugekommen und "haben ihre Unterstützung und Wärme zum Ausdruck gebracht", berichtete Klaveness. Auch sei der DFB der erste Verband gewesen, "der mich angerufen hat, als ich wieder zu Hause in Norwegen war, und um ein ausführliches Gespräch gebeten hat. Dafür bin ich sehr dankbar".

Neuendorf befürwortet Hilfsfonds für Familien verstorbener WM-Arbeiter

Als Gast im Sportstudio des ZDF sagte Neuendorf am Samstag, dass der DFB einen Hilfsfonds für die Familien der an den WM-Baustellen in Katar verstorbenen Arbeiter befürworte. "Ich würde das unterstützen", so der deutsche Verbandspräsident: "Wir wissen über Todesfälle an den Baustellen. Aber wir wissen nicht, wie es den Familien geht und wie mit denen umgegangen wird. Die sind in der Regel von diesem Geld abhängig." Er fände es "ein tolles Zeichen der Katarer und der FIFA, wenn sie das unterstützen würden", führte der 60-Jährige aus: "In erster Linie ist die FIFA gefragt, die über die Verbände einen Topf kreieren müsste, der helfen kann."

Die Menschenrechtslage im Gastgeberland der WM 2022 sehe er derweil weiter kritisch.  "Es hat Gesetzgebung gegeben, die Verbesserungen vorsieht, vom Mindestlohn angefangen bis zum freien Arbeitsplatzwechsel hin zu hygienischen Standards und Arbeitszeiten", sagte Neuendorf. Jedoch sei die Umsetzung weiter fragwürdig. "Wir müssen die Stimme erheben und die katarische Regierung darauf drängen, dass die Umsetzung auch erfolgt", sagte er weiter.

Die Fortschritte seien wenn überhaupt auch nur an den WM-Baustellen spürbar: "Aber man muss sagen, dass dort 30.000 Menschen arbeiten. Insgesamt gibt es in Katar zwei Millionen Menschen, die an Baustellen arbeiten oder als Dienstleister aus Bangladesch, Indien, Nepal und anderen Ländern kommen. Dort ist es nach wie vor sehr kritisch."

Er hätte sich auch von FIFA-Präsident Gianni Infantino gewünscht, "dass er in Doha einige Sachen offener anspricht und die WM auch unter dem Aspekt Menschenrechte und nicht nur unter dem kommerziellen Aspekt gesehen wird", betonte Neuendorf: "Da hätte ich mir vorgestellt, dass deutlicher angesprochen wird, was passieren muss."

Zurückhaltung bezüglich der Posten in UEFA und FIFA

Bezüglich seiner eigenen Ambitionen für ein Amt bei der FIFA oder in der Europäischen Fußball-Union UEFA hielt sich Neuendorf weiter bedeckt: "Das sind wichtige Ämter. Diese wichtigen Funktionen vergibt man mit der Zustimmung des neugewählten Präsidiums. Ich führe diese Gespräche jetzt und dann ist der nächste Schritt die Zustimmung des Präsidiums für eine mögliche Lösung."

Rainer Koch hatte nach seiner Wahlniederlage auf dem Bundestag seinen Rückzug aus dem Exekutivkomitee der UEFA angeboten, im FIFA-Council sitzt der bei der Präsidentenwahl gegen Neuendorf unterlegene Peter Peters. "Man muss sich fragen, ob diese Situation, dass Rainer Koch in der UEFA sitzt und Peter Peters in der FIFA, bei den vielen Herausforderungen, die wir haben, noch die richtige ist. Wir müssen das neu bewerten", sagte Neuendorf.

Er führe diesbezüglich auch bereits Gespräche mit Peters. "Ich bin sehr hoffnungsfroh, dass wir zeitnah zu einem Ergebnis kommen", sagte der 60-Jährige. Rein formal gebe es "sicherlich die Möglichkeit, dass man einen aus Gremien abzieht". Doch ein derartiger Clinch sei nicht sein Ansinnen. "Ich bin bestrebt, das in diesem Fall mit ihm im Konsens zu lösen", betonte Neuendorf.