Fußball | Bundesliga Abstiegskampf in der Bundesliga: Die wahre Meisterschaft

Stand: 15.04.2022 08:59 Uhr

Der Abstiegskampf in der Bundesliga spitzt sich auf einen hoch spannenden Dreikampf um Platz 15 zu: Stuttgart, Bielefeld und Hertha BSC setzen dabei auf unterschiedliche Trümpfe.

Der inzwischen ehemalige Hertha-Coach Tayfun Korkut hielt vor wenigen Wochen eine emotionale und auch ein bisschen lustige Ansprache an seine Mannschaft. Die wichtige Partie gegen Mönchengladbach stand an, und Korkut signalisierte seinem Team mit Worten und Gesten, wie tief sie und vor allem er momentan im Schlamassel steckten.

Korkut sprach Englisch und nutzte ein anderes Wort für Schlamassel, eines, das Eltern ihren Kindern nicht beibringen, und dann erstaunt und auch ein bisschen erleichtert sind, wenn sie es dann doch irgendwann mit nach Hause bringen.

Korkuts nicht jugendfreie Ansage zeitigte allerdings keine Wirkung, der Trainer musste nach einer erneuten Niederlage gehen. Von seinem Nachfolger Felix Magath ist nicht überliefert, wie viel Luft zum Atmen ihm aktuell noch bleibt in seinem Kokon aus Schlamassel. Man darf aber davon ausgehen, dass der Pragmatiker Magath, der schon viel gesehen hat im Fußball, eher entspannt damit umgeht.

Zwei ehemalige deutsche Meister

Magath und seine Berliner sind Teil mindestens eines Dreikampfs, der mal wieder zeigt, warum für viele Fußballfans der Kampf um den Klassenerhalt die wahre Meisterschaft ist.

Immerhin sind mit dem VfB Stuttgart und Hertha BSC zwei ehemalige deutsche Titelträger mit in der Verlosung, auch wenn es kaum noch Zeitzeugen für die bisher letzte Meisterschaft der Berliner im Jahre 1931 geben dürfte. Auch Arminia Bielefeld ist mit dabei, die waren immerhin noch 2020 Zweitligameister.

Die Ausgangslage könnte spannender kaum sein: Die Berliner liegen mit 26 Punkten auf Rang 17, die Bielefelder punktgleich auf dem Relegationsplatz, der VfB hat auf Rang 15 nur einen Zähler mehr.

Gesucht: Ein Partner für Greuther Fürth

Zwar sind auch der FC Augsburg (32) und der VfL Wolfsburg (34) noch in theoretischer Reichweite. Aber die Ergebnisse der vergangenen Wochen lassen alles andere als einen Dreikampf, neudeutsch Triell, wie die "Süddeutsche Zeitung" in Anlehnung an den TV-Schlagabtausch zwischen den Kanzlerkandidat:innen im Herbst schrieb, als unwahrscheinlich erscheinen.

Die Formel ist einfach: Einer kann sich direkt retten, einer muss in die Relegation, in der namhafte Gegner wie Werder Bremen oder Schalke 04 lauern könnten, einer begleitet die hoffnungslosen Fürther in die 2. Liga.

VfB Stuttgart: Hoffen auf Heilsbringer Kalajdzic

Tabellarisch die vermeintlich besten Karten hat der VfB Stuttgart. Zwar verloren die Schwaben die vergangene Partie gegen Borussia Dortmund, in den Vorwochen konnten sie sich aber durch acht Punkte in vier Partien von Platz 17 auf einen Nichtabstiegsplatz vorkämpfen, der Trend ist ein Freund der Schwaben derzeit.

Vor allem ist mit Sasa Kalajdzic der Hauptverantwortliche für diesen Trend nach überstandener Corona-Erkrankung gegen Mainz (Samstag, 15.30 Uhr) wieder mit dabei. 

Der VfB Stuttgart hat ja eine Reihe talentierter Kicker in seinen Reihen, Kalajdzic ist der wichtigste unter ihnen. Als der VfB zuletzt in vier Spielen acht Punkte holte, traf der selbstbewusste Österreicher drei Mal selbst und legte einmal auf.

Für die Verantwortlichen keine Überraschung: "Sasa weiß, dass er unser Stürmer ist, der uns zum Klassenerhalt schießen wird", hatte Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo bereits im Februar gesagt, als sein Klub noch vier Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz hatte.

Arminia Bielefeld: Abstiegskampf als Alltag

Einen solchen Stürmer sucht man in Bielefeld vergeblich. Fabian Klos fällt wegen einer schrecklichen Kopfverletzung für den Rest der Saison aus, Brian Lasme und Janni-Luca Serra kommen mit dem Tempo der Bundesliga nicht immer mit.

Das zeigte sich auch zuletzt: Bielefeld ist seit sechs Bundesliga-Spielen sieglos und erzielte nur ein Tor. Schon in der gesamten Saison gibt man sich vor des Gegners Tor sehr zurückhaltend: 23 Tore in 29 Spielen bedeuten Ligaminus.

Allerdings erschreckt diese Statistik bei der Arminia niemanden, schon in der vergangenen Spielzeit erzielten die Bielefelder nur 26 Tore und blieben trotzdem in der Liga.

Die Bielefelder setzen vielmehr auf Grundtugenden, von denen manche in Stuttgart oder Berlin dachten, dass sie in den frühen 1990ern endgültig beerdigt worden seien: Kämpfen und Laufen. Bielefeld hat ligaweit die meisten Zweikämpfe bestritten und die größte Strecke zurückgelegt.

Statistisch erhöhen diese Spitzenwerte die Chancen auf den Klassenerhalt: Die Mannschaft mit den meisten Zweikämpfen ist in den vergangenen zehn Jahren nur einmal abgestiegen (Hamburger SV 2017/18), das laufstärkste Team nie.

Der stärkste Trumpf der Ostwestfalen, die am 30. Spieltag gegen Bayern München spielen (Samstag, 15.30 Uhr) ist aber ihre gesunde Selbsteinschätzung: Für sie ist der Kampf um den Klassenerhalt schlicht Tagesgeschäft.

Hertha BSC: Restprogramm als Hoffnungsanker

Das kann man von der Berliner Hertha nicht behaupten. Die Hauptstädter nehmen die Rolle des gefallenen Großen ein, der mit ganz anderen Zielen in die Saison gestartet ist und sich nun im Existenzkampf wiederfindet.

Die stolze PR-Idee vom "Big City Club" ist längst zum Schmähbegriff verkommen. Die Berliner wollten in der Liga eine Ausnahmestellung einnehmen, nun schaffen sie das noch nicht mal in der eigenen Stadt.

Am vergangenen Spieltag bekamen alle Hertha-Aficionados das noch einmal vorgeführt. Union Berlin demütigte den großen Bruder im Olympiastadion mit 4:1. Teile der Hertha-Anhängerschaft forderten nach dem verlorenen Derby die Mannschaft auf, sich ihrer Trikots zu entledigen.

Trotzdem blickt man in Berlin-Charlottenburg einigermaßen zuversichtlich auf das Saisonfinale. Verantwortlich dafür ist das Restprogramm: Nach dem Spiel in Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr) haben es die Herthaner in direkten Duellen gegen Stuttgart und Bielefeld noch selbst in der Hand.

Die beiden Konkurrenten müssen zudem beide noch gegen die Bayern ran, im Gegensatz zur Hertha. Trotzdem sagt Felix Magath: "Herthas Klassenerhalt wäre eine größere Leistung als meine Double mit Bayern."

Erinnerungen an den letzten Spieltag 2013

"Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht", soll der frühere Bundestrainer Sepp Herberger mal gesagt haben. Das gilt auch und besonders für den Kampf um den Klassenerhalt in dieser Saison.

Dass man sich auf nichts verlassen kann, könnten Magath und Co. in Düsseldorf erfragen: Die Fortunen wähnten sich 2013 gerettet, aber der zweitplatzierte Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund verlor am letzten Spieltag daheim gegen die TSG Hoffenheim, die sich dadurch noch an Düsseldorf vorbei auf den Relegationsplatz schob.

Auch in dieser Saison ist Dortmund auf Platz zwei festbetoniert. Am letzten Spieltag spielt der BVB zu Hause gegen Hertha BSC.