Vor Auftaktspiel gegen Ungarn Ronaldo - der Spagat zwischen Individualist und Teamplayer

Stand: 14.06.2021 18:31 Uhr

Cristiano Ronaldo ist im Spätherbst seiner Laufbahn mit Portugal bei der EURO mal wieder auf der Jagd nach sportlichen Höhen. Als Individualist und Teamplayer. Der 36-Jährige kämpft auch gegen Zweifler.

In der Sonne Budapests grinste Cristiano Ronaldo seinem langjährigen Weggefährten Pepe ins Gesicht. Betont locker gab sich Portugals Superstar vor dem Start ins EM-Turnier, bei dem den mittlerweile 36-Jährigen nicht nur die erfolgreiche Titelverteidigung umtreibt. Kritiker zählten ihn zuletzt öffentlich an. Nicht das erste Mal in seiner so erfolgreichen Karriere.

Ali Daeis Rekord nicht mehr weit weg

"Ich bin bei dieser EURO, als ob es die erste wäre. Ich fühle mich so motiviert oder noch motivierter als 2004 bei meiner ersten Europameisterschaft", sagte er dem Verbandsmagazin 360: "Wir sind der Titelverteidiger und gehören wieder zu den Anwärtern auf die Trophäe." Schritt eins auf diesem Weg wäre ein Auftaktsieg am Dienstag (Ab 17.45 Uhr im Live-Ticker auf sportschau.de) in Budapest gegen Ungarn.

Schon dort könnte er an seinem persönlichen Torprojekt arbeiten. 104-mal traf er in bislang 175 Länderspielen. Ein Fabelwert. Zum früheren Bayern-Profi und Irans Nationalheld Ali Daei fehlen noch fünf Tore. Dann hätte niemand auf der Welt häufiger für sein Land getroffen als Ronaldo.

Roy Keane: Ronaldo wird nicht jünger

Dass ihm das wichtig ist, hat er schon vor langer Zeit verlauten lassen. Weil er gerade in der abgelaufenen Saison mit Juventus Turin oft angezweifelt wurde, dürfte dieser Triumph besonders süß schmecken. Manchester Uniteds Ikone Roy Keane sagte der Irish Sun vor Turnierbeginn: "Offensichtlich wird er nicht jünger und offensichtlich hatte er eine schwierige Phase bei Juventus."

Gerade so hatte sich die Alte Dame als Vierter der Serie A für die Champions League qualifiziert. Natürlich gewann Ronaldo dort seit seinem Wechsel von Real Madrid zu Juve 2018 zweimal den Scudetto und in diesem Jahr den Pokal, aber erwartet wurde von ihm gerade auf internationalem Parkett mehr. Der teilweise erschreckende Absturz der Mannschaft in 2020/2021 war vor allem ihm angelastet worden, obwohl er mit 29 Treffern Torschützenkönig geworden war.

Unterstützung erhält Ronaldo unter anderem aus Deutschland, von Lothar Matthäus. "Er gehört nach wie vor zu den besten Spielern der Welt", befand Deutschlands Rekordnationalspieler kürzlich. Und auch seine ganz besondere Aura habe der fünfmalige Weltfußballer noch nicht verloren. "Ich bin davon überzeugt, dass er nicht nur für seine eigene Mannschaft wichtig, sondern auch beim Gegner gefürchtet ist." Davon könnten Ronaldos durchaus hoch veranlagte Mitspieler wie Bruno Fernandes (Manchester United) und Joao Felix (Atletico Madrid) profitieren.

Teamplayer und Individualist zugleich?

Ronaldo ist eben bei den Iberern nicht nur als individuelle Glanzfigur, sondern auch als Teamplayer gefragt. In gewisser Weise schon unvergessen sind die Bilder aus dem EM-Finale 2016, als er verletzt ausgewechselt worden war und dann wie ein zweiter Trainer an der Seitenlinie mitcoachte. Deswegen befand Eder, der damalige Siegtorschütze zum 1:0 über Frankreich: "Die Leute haben ein Image von Ronaldo, das nicht stimmt."

Und der heute vereinslose Stürmer erinnerte sich an die Momente nach dem großen Triumph. "Die Rede, die er nach dem Finale 2016 in der Kabine hielt, war überragend", sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Er sagte, dass es der wichtigste aller Titel sei, die er je errungen habe."

Vielleicht gelingt Ronaldo das ja sogar nochmal - das Team wirkt in Sachen Talent stärker als das vor fünf Jahren. Die Titelchance ist da. Die ein oder andere individuelle Bestmarke - um alleiniger EM-Rekordtorjäger zu werden, fehlt ihm nur noch ein Treffer - würden er sicherlich auch gern nochmal mitnehmen.