Änderungen eher beim Personal als bei Ausrichtung DFB-Team - Regeneration und Rätsel vor Portugal

Stand: 16.06.2021 20:12 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft hat den vermeintlich schwierigsten Gegner in der Vorrunde der EURO 2020 hinter sich. Aber gegen Portugal wartet erneut eine anspruchsvolle Aufgabe. Nach einem Regenerationstag beginnt die direkte Vorbereitung, in der vor allem am Offensivkonzept gearbeitet werden muss.

Der Tag danach. Entspannung, Regeneration, aber auch Nachbesprechung. Ob die Leistung der deutschen Nationalmannschaft in ihrem EM-Auftaktspiel intern immer noch als "auf Augenhöhe" angesehen wurde, wäre interessant zu wissen. In den Interviews nach dem mit 0:1 verlorenen Match gegen Frankreich war das der Tenor gewesen.

Gemischte Pressestimmen

"Frankreich teilt gegen ein zahnloses Deutschland den ersten Schlag aus. Deutschland tat zu wenig, um Frankreich echte Schmerzen zuzufügen", urteilte das niederländische Fachmagazin "Voetbal international". Die italienische "Gazzetta dello Sport" schrieb: "Frankreichs Motor ist stärker und raffinierter als jener Deutschlands. Der Sieg ist voll verdient."

Es gibt aber auch Pressestimmen, die der Fraktion Augenhöhe recht geben, etwa die spanische "Marca": "Frankreich hat zwar gewonnen, aber das Ergebnis (...) drückt nicht aus, was zu sehen war. Hummels schoss das einzige Tor des Spiels (...), doch beide Mannschaften haben eine Show hingelegt, jede auf ihre Art."

"Der Offensive fehlte es an Aktivität"

Sportschau-Experte Bastian Schweinsteiger kritisierte: "Deutschland fehlte es an Schlagkraft, und es ging zu wenig Risiko ein. Der Offensive fehlte es damit an Aktivität." Auch Experte Prince Boateng merkte kritisch an, dass der Auftritt des deutschen Teams zu unkritisch gesehen wird: Einigen Nationalspielern habe die Einstellung gefehlt.

Das Offensivproblem bleibt: Kein starker Stürmer in Sicht

Ein abschlussstarker Stürmer, der auch gegen die Größen des Weltfußballs trifft, wird weiterhin dringend gesucht. Der aktuelle Kader gibt ihn nicht her. Kevin Volland ist ein anderer Spielertyp als Leroy Sané, Timo Werner oder Serge Gnabry. Aber eher jemand, der nach einer Einwechslung bei Rückstand seine Chance bekommen dürfte. Gegen Frankreich durfte er für ein paar Minuten auf den Platz, aber auf der linken Seite, und das auch noch von einer tieferen Position.

Tempo, Dynamik, Läufe, Räume

Bundestrainer Joachim Löw wird bis zum zweiten Gruppenspiel gegen Portugal am Samstag (19.06.2021) daran arbeiten und darüber rätseln müssen, wie er mehr Tempo in den Angriff bringt, mehr Dynamik, mehr Läufe, die Raum schaffen für nachrückende Spieler. Acht Schüsse innerhalb des Strafraums gegen Frankreich sind ein guter Wert, aber nur Ilkay Gündogan stand bei seinem Abschluss in sehr aussichtsreicher Position.

Personaländerungen ja, neue Strategie unwahrscheinlich

Gegen die Portugiesen, die mit einem 3:0 gegen Ungarn in die EURO gestartet sind, dürfte es Änderungen beim Personal geben, die Ausrichtung auf eine stabile Defensive wird Löw kaum grundlegend ändern. "Deutschland hat sich in diesem System eingespielt und fühlt sich defensiv wohl", so Sportschau-Expertin Almuth Schult, "das ist die Grundlage, um ein gutes Offensivspiel aufziehen zu können. Deutschland hatte auch den Drang nach vorne. Deshalb glaube ich auch nicht, dass etwas geändert wird."

Die Kritik, einen defensiv orientierten Spieler zu viel aufgeboten zu haben, wies Löw zurück: "Wir hatten genug Offensivkräfte auf dem Platz, aber wir müssen bei Laufwegen, Nachrücken und Abstimmung vorne noch besser werden."

Goretzka "gute Option im Laufe des Spiels"

Für mehr Dynamik könnte Leon Goretzka sorgen, der in Absprache mit Löw gegen Frankreich noch im Kader fehlte. "Er hat gesagt, dass er das Gefühl habe, dass er noch zwei, drei Trainings braucht, um völlig frei zu sein und der Mannschaft zu helfen. Er wird eine gute Option sein im Laufe des Spiels", sagte der Bundestrainer in München und schloss damit einen Startelfeinsatz des Bayern aus, der in einem Bundesligaspiel am 8. Mai einen Muskelfaserriss erlitt.

Trainings-Neustart am Donnerstag

Nach dem Regenerationstag steigt die deutsche Nationalmannschaft am Donnerstagvormittag (17.06.2021) wieder ins Training ein. Am Mittag werden Matthias Ginter und Emre Can bei der Pressekonferenz über die bevorstehende Aufgabe und die Konstellation in der Gruppe F sprechen. Nach dem Sieg Russlands gegen Finnland steht fest, dass mindestens ein Gruppendritter drei Punkte nach Abschluss der Vorrunde haben wird.

Das erhöht den Druck auf die deutsche Mannschaft noch ein bisschen. Mindestens ein Punkt sollte es gegen Portugal schon sein, um zumindest als einer von besten Gruppendritten den Sprung ins Achtelfinale zu schaffen, ein Sieg im letzten Spiel gegen Ungarn vorausgesetzt.

Löw: "Werden gewinnen"

Joachim Löw geht davon aus, dass es schon vorher drei Punkte geben wird: "Wir werden uns wieder aufrichten. Wir werden das nächste Spiel dann angehen - und gewinnen."