Manchesters Mittelfeldspieler David Beckham (l.) wird im Zweikampf von Liverpools Mittelfeldakteur Steven Gerrard gefoult.

Rivalen der Premier League Man United und Liverpool - "Nicht genug Sauerstoff für beide"

Stand: 22.08.2022 07:28 Uhr

Manchester United und den FC Liverpool verbindet eine der erbittertsten Feindschaften im Fußball. Im Interview sprechen die Autoren Jim White und Phil McNulty über die Ursprünge der Rivalität der beiden Fußball-Klubs in der Premier League und über Jürgen Klopp.

Sportschau: Celtic und Rangers, Boca Juniors und River Plate, Borussia Dortmund und Schalke 04 – es gibt viele scharfe Rivalitäten im Weltfußball. Warum ist die zwischen Manchester United und dem FC Liverpool Ihrer Meinung nach die größte?

Jim White: Weil sie sich über den ganzen Globus erstreckt. Sie hat die größte Anziehungskraft, begeistert die meisten TV-Zuschauer. Schauen Sie sich nur an, was passiert ist, als die beiden Klubs in der Saisonvorbereitung in Thailand aufeinandergetroffen sind: Am Flughafen in Bangkok sah es aus, als würden die Beatles kommen.

Sie haben ein Buch über die Rivalität zwischen Manchester United und Liverpool geschrieben. Darin heißt es, dass der Fußball der Motor für die Animositäten zwischen den beiden Städten sei. Was meinen Sie damit?

Manchester Uniteds Arthur Albiston (Mitte) gegen Liverpools Phil Neal (r.) und Tommy Smith (l.) beim FA-Cup-Finale 1977.

Manchester Uniteds Arthur Albiston (Mitte) gegen Liverpools Phil Neal (r.) und Tommy Smith (l.) beim FA-Cup-Finale 1977.

Konkurrenz im Fußball am größten

Phil McNulty: Manchester und Liverpool haben immer schon auf verschiedenen Feldern konkurriert, in der Wirtschaft oder bei Mode und Musik. Aber die größte Kraft hinter der Rivalität zwischen den Städten ist der Fußball.

Das bezieht sich übrigens ausschließlich auf Manchester United und den FC Liverpool. Zwischen Liverpool und Manchester City gibt es keine so große Rivalität, obwohl die beiden Vereine seit ein paar Jahren die Premier League dominieren. Die echte Rivalität ist immer noch die zwischen United und Liverpool.

Sie sagen es: Liverpool spielt um die Meisterschaft, Manchester United befindet sich in einer Dauerkrise seit dem Weggang von Sir Alex Ferguson 2013 und war vor dem Treffen am Montag sogar auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt. Wie wirkt sich die gegensätzliche sportliche Entwicklung auf die Rivalität aus?

White: Es ist interessant, dass Manchester United und der FC Liverpool zwar die Vereine mit den meisten Titeln in England sind, allerdings haben sie selten direkt um die Meisterschaft konkurriert. Oft war es so wie jetzt: Wenn der eine Klub dominierte, befand sich der andere im Niedergang.

Es gibt im englischen Nordwesten einfach nicht genug Sauerstoff für beide zugleich an der Spitze. In den Nullerjahren zum Beispiel konkurrierte Manchester United mit dem FC Arsenal und dem FC Chelsea um die Meisterschaft. Trotzdem schauten die Spieler damals immer auch auf Liverpool.

Der Liverpool-Teambus wird vor dem Spiel gegen Manchester United von den Fans empfangen.

Der Liverpool-Teambus wird vor dem Spiel gegen Manchester United von den Fans empfangen.

1977 ging es richtig los mit der Rivalität

Es gab eine Zeit, in der großer Respekt zwischen Manchester United und Liverpool bestand. Matt Busby und Bill Shankly, die Baumeister der beiden Vereine in den Sechzigern, waren gute Freunde. Wann begann die Abneigung?

White: 1971 war Manchester United gezwungen, ein Heimspiel in Anfield auszutragen. Können Sie sich das vorstellen? Die Liverpool-Fans hatten damit natürlich ein Problem. Sie haben sich Tickets gekauft, kamen zu Tausenden und haben die United-Fans von der Kop-Tribüne vertrieben.

Im FA-Cup 1977 sind sich die Klubs zum ersten Mal in einem großen Finale begegnet. Da ging es richtig los mit der Rivalität.

Wann war die Feindschaft am intensivsten?

McNulty: Rund um das Halbfinale des FA-Cups 1985. Nach dem Hinspiel im Goodison Park des FC Everton hielt die Polizei eine Pressekonferenz ab, bei der sie das ganze Waffenarsenal der verfeindeten Fangruppen präsentierte – unter anderem Golfbälle mit Nägeln.

Wir haben für unser Buch mit Jim Beglin gesprochen, dem damaligen Außenverteidiger für Liverpool. Er hat berichtet, wie er den Ball für einen Einwurf aus der ersten Zuschauerreihe holen musste und dabei mit Speichel eingedeckt wurde. Es war animalischer Fußball.

White: Auch auf dem Platz ging es extrem hart zu. Einmal hat der Schiedsrichter zu jener Zeit nach rund 20 Minuten das Spiel unterbrochen und meinte: Jungs, könnten wir jetzt ein bisschen Fußball spielen? Auf beiden Seiten gab es Spieler, die sich nichts geschenkt haben. Ich denke da an Graeme Souness und Jimmy Case bei Liverpool und Norman Whiteside und Bryan Robson bei Manchester United.

Nach dem Spiel ein Bier - aber nur bei den Spielern

Die Spieler konnten nach Abpfiff allerdings zusammen ein Bier trinken. Die Fans haben die Aggressionen auf den Straßen weitergeführt. Nach den Stadionkatastrophen von Heysel und Hillsborough 1985 und 1989 wurde die Gewalt weniger.

Die Spitzenvereine der Premier League werden mittlerweile von Trainern vom europäischen Festland betreut, auch Manchester United und Liverpool. Versteht jemand wie Jürgen Klopp die Rivalität?

White: Wir haben für unser Buch mit dem Enkel von Bill Shankly gesprochen. Er hat uns erzählt, dass Klopp in seiner Anfangszeit in Liverpool zu ihm gekommen ist und sich sehr für die Geschichte des Vereins interessiert hat – mit allem, was dazugehört. Klopp ist ein Ehren-Scouser. Er versteht die Menschen in Liverpool, ihre Werte und natürlich auch die Bedeutung der Rivalität zu Manchester United.

Hodgsons Fauxpas

McNulty: Das war bei dem ehemaligen Liverpool-Trainer Roy Hodgson übrigens anders. Jamie Carragher hat uns erzählt, dass Hodgson einmal in einer Teambesprechung sagte, die Mannschaft müsse mehr wie Manchester United sein. Das kann man zwar denken, aber niemals sagen! Als Liverpool-Spieler will man nicht hören, dass man wie Manchester United sein soll. Für Carragher war in dem Moment klar, dass Hodgson nicht das Zeug zum Liverpool-Trainer hat.

Bei Manchester United erlebte der neue Coach Erik ten Hag einen verheerenden Start mit dem 1:2 gegen Brighton & Hove Albion und dem 0:4 gegen den FC Brentford. Liverpool droht nach zwei Unentschieden schon früh den Anschluss an Manchester City im Titelrennen zu verlieren. Wer braucht den Sieg am Montag mehr?

White: Manchester United ist so schlecht in die Saison gestartet, dass schon ein Punkt eine riesige Erleichterung wäre. Aber auch Liverpool wird mit einem gewissen Unbehagen nach Manchester reisen. Brighton und Brentford haben mit Manchester United den Boden gewischt. Gegen so eine Lachnummer will man nicht stolpern.

McNulty: Manchester City und Liverpool haben die Messlatte in den vergangenen Jahren so hoch gelegt, dass Liverpool schon unter Zugzwang steht. Unentschieden werden mittlerweile behandelt wie Niederlagen. Für Liverpool-Fans ist deshalb klar, dass das Spiel gegen United auf jeden Fall gewonnen werden muss. Der Druck ist auf beiden Seiten groß.

Jim White stammt aus Manchester und arbeitet als Kolumnist für den “Daily Telegraph”. Phil McNulty kommt aus Liverpool und ist Chief Football Writer der BBC. Ihr Buch “Red on Red” über die Rivalität zwischen Manchester United und dem FC Liverpool ist gerade in England erschienen.