Fußball Ronaldo-Rückkehr zu Manchester United - ein Coup mit Fragezeichen

Stand: 09.09.2021 20:49 Uhr

Das Comeback Cristiano Ronaldos für Manchester United fasziniert England. Wie sinnvoll seine Verpflichtung ist, bleibt fraglich.

Von Hendrik Buchheister (Manchester)

Cristiano Ronaldo ist überall. Wenn man sich in diesen Tagen umschaut auf dem Vorplatz des Old Trafford von Manchester United, sieht man fast ausschließlich Menschen im roten Trikot des englischen Rekordmeisters mit der Nummer 7 auf dem Rücken, darüber der Name "Ronaldo".

Die halb legalen Verkäufer von Fan-Schals, die auch außerhalb der Spieltage vor dem größten englischen Liga-Stadion ihre Ware anbieten, verkaufen neuerdings vor allem Ronaldo-Schals. Und das alles, bevor der Weltstar aus Portugal zum ersten mal für seinen alten und neuen Verein aufgelaufen ist.

Das dürfte erst an diesem Samstag (11.09.2021) beim Heimspiel gegen Newcastle United passieren. Ronaldo, mittlerweile 36 Jahre alt, steht nach seinem Wechsel von Juventus Turin vor seinem ersten Einsatz für Manchester United seit dem 26. Mai 2009, der 0:2-Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona.

"3pm blackout" verhindert Live-Übertragung in England

Die Rückkehr Ronaldos zu dem Klub, bei dem er einst seinen internationalen Durchbruch schaffte, elektrisiert den englischen Fußball. Daher ist es um so kurioser, dass das Treffen mit Newcastle zwar in fast allen Ländern der Welt live im Fernsehen übertragen wird, in England allerdings nicht. Grund dafür ist der so genannte "3pm blackout".

Dieses Konzept besagt, dass im Vereinigten Königreich samstags zwischen 14.45 Uhr und 17.15 Uhr Ortszeit kein Fußball im Fernsehen gezeigt werden darf. So soll verhindert werden, dass den Klubs aus unteren Ligen das Publikum wegläuft und stattdessen auf der heimischen Couch Premier League guckt.

Wie kann man Ronaldo sehen?

Samstag, 15 Uhr, ist die traditionelle Anstoßzeit auf allen Stufen der in England heiligen Fußball-Pyramide. In der Premier League finden zu dieser Zeit, unter Ausschluss der Live-TV-Öffentlichkeit, meistens die weniger attraktiven Spiele statt. Die hochklassigen Live-Partien werden am Samstagmittag, am Samstagabend oder am Sonntag ausgetragen.

Als die Bezahl-Sender "Sky Sports" und "BT Sport" ihre Spiele für die ersten Wochen der Saison auswählten, war Ronaldos Ankunft noch nicht abzusehen. Die ersten Bilder seines Comebacks gegen Newcastle wird es in England deshalb erst am Samstagabend zu sehen geben - zumindest die ersten legalen Bilder. Die Suchanfragen nach Internet-Streams aus fragwürdigen Quellen dürften am Samstagnachmittag Rekordzahlen erreichen. Tickets für die Partie im Old Trafford werden auf dem Schwarzmarkt angeblich für Tausende Pfund angeboten.

Bisher letzte Meisterschaft vor acht Jahren

Die als romantische Heimkehr vermarktete Verpflichtung des fünfmaligen Weltfußballers und neuerdings bestem Länderspiel-Torschützen überhaupt ist ein Coup für Manchester United. Der Klub holte die bisher letzte seiner 20 Meisterschaften vor acht Jahren, in der Abschieds-Saison von Trainer Sir Alex Ferguson. Seitdem wurde der Verein vom Erzrivalen FC Liverpool und dem einst von Ferguson als "lärmender Nachbar" verspotteten Stadt-Rivalen Manchester City abgehängt.

Dass Ronaldo eigentlich schon auf dem Weg zu City war und sich nach Interventionen von United-Granden wie Rio Ferdinand oder Ferguson doch zur Rückkehr ins Old Trafford entschied, entschädigt den roten Teil des Fußball-Publikums in Manchester für die Entbehrungen der vergangenen Jahre. Ganz nebenbei ist das Geschäft ein gelungener PR-Stunt für die US-amerikanischen Klub-Besitzer, die Glazers, die bei weiten Teilen des Anhangs verhasst sind. Im Frühjahr hat eine Fan-Rebellion zur Verschiebung des Heimspiels gegen Liverpool geführt. Der Ronaldo-Coup dürfte viele Fans besänftigen.

Ronaldos Rückkehr könnte Entwicklung des Teams stören

Die sportliche Sinnhaftigkeit des Transfers ist fragwürdig. Zwar ist sich das Fachpublikum einig, dass Ronaldo Tore garantiert, doch es werden durchaus Bedenken geäußert, dass seine Ankunft kontraproduktiv für die Entwicklung des Teams sein könnte.

Sorgen gibt es zum Beispiel um Bruno Fernandes, Ronaldos Landsmann und als Spielmacher Mittelpunkt im United-Konstrukt. In der portugiesischen Nationalmannschaft harmoniert er spielerisch nicht mit Ronaldo. Außerdem muss Fernandes fürchten, als Elfmeterschütze bei United durch Ronaldo abgelöst zu werden – trotz seiner Zuverlässigkeit vom Punkt. Das könnte zu Rissen im Team-Gefüge führen.

Ronaldo kann als Mittelstürmer oder auf den Flügeln zum Einsatz kommen. Das bedeutet, dass Spieler wie Marcus Rashford, der teuer aus Dortmund verpflichtete Jadon Sancho oder Mason Greenwood plötzlich mit ihm um Einsatzzeit konkurrieren. Dabei gelten diese Profis eigentlich als Zukunft des Klubs und entsprechen dem unter Trainer Ole Gunnar Solskjaer propagierten Plan vom Neuaufbau mit jungen, englischen Spielern. Diese Idee wird mit Ronaldos Verpflichtung konterkariert.

Problemzone defensives Mittelfeld bleibt

Die "Times" hat die Gefahren des Geschäfts gerade so zusammengefasst: "Im Fußball-Dschungel ist Ronaldo der höchste Baum. In seinem Schatten könnte es jüngeren und kleineren Bäumen an Licht mangeln." Ganz nebenbei bleibt die größte Problemzone bestehen, nämlich der qualitative Mangel im zentralen defensiven Mittelfeld. Dort hätte United Verstärkung dringender benötigt als im Angriff.

Für Solskjaer, der einst noch mit Ronaldo zusammengespielt hat, ist die Rückkehr des Portugiesen nicht nur eine gute Nachricht. In den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit als Trainer ist der Klub immer noch ohne Trophäe. Mit Ronaldo steigen die Erwartungen drastisch. Eine weitere Saison ohne "silverware" dürfte Solskjaer nicht überstehen.