Sophia Smith von den Portland Thorns

Missbrauchsskandal im US-Fußball Besonderes Finale für die Portland Thorns

Stand: 28.10.2022 17:45 Uhr

Die Portland Thorns greifen im Finale der NWSL nach dem Titel. Der Klub steht aber auch im Blickpunkt des Missbrauchsskandals im US-Frauenfußball.

Die Portland Thorns kündigten in dieser Woche Großes an, auf ihrem Twitterkanal: "Auf dem Weg zur Meisterschaft" überschrieb der Klub das Foto, auf dem das Team ein Flugzeug in Richtung Washington besteigt. Dort spielen die Thorns am Samstagabend (29.10.2022, Ortszeit) gegen Kansas City um den Titel in der US-Profiliga National Women’s Soccer League (NWSL).

Portland gilt vor dem Finale als leichter Favorit, nach einem emotionalen Halbfinalsieg gegen San Diego. Das Team scheint zudem auf einer besonderen Mission unterwegs zu sein, wegen der Ereignisse, die den Klub schon länger belasten: "Ich bin stolz auf die Mannschaft", sagte Trainerin Rhian Wilkinson nach dem Halbfinale. "Die Spielerinnen haben so viel durchgemacht. Sie hätten daran auch zerbrechen können. Aber sie hatten einfach genug von alldem. Alles was sie wollten, war zu spielen."

Yates-Report: Systemischer Missbrauch im US-Fußball

Wilkinson sprach damit den Missbrauchsskandal an, der den US-Profifußball erschüttert. Und vor allem den Klub aus Portland. Anfang Oktober hatte Sonderermittlerin Sally Q. Yates, eine frühere Bundesanwältin, einen Bericht vorgelegt, der das ganze Ausmaß von mutmaßlichen Übergriffen im US-Frauenfußball dokumentiert.

Der Yates-Bericht spricht von einer "Missbrauchskultur" im US-Fußball. In der Profiliga NWSL gebe es ein "System von verbalem und emotionalem Missbrauch sowie sexuellem Fehlverhalten". Im Zuge der Anschuldigungen gegen drei NWSL-Coaches mussten auch Klub-Offizielle und Spitzenfunktionärinnen des Ligaverbandes gehen.

Einer der Beschuldigten ist der langjährige Erfolgstrainer Paul Riley. Es geht aber auch um die Rolle, die Rileys früherer Klub, die Portland Thorns, bei der Aufarbeitung der Skandals gespielt hat. Die frühere Thorns-Spielerin Mana Shim hatte im Jahr 2021 schwere Vorwürfe gegen den Trainer erhoben, unter anderem wegen sexueller Nötigung. Es ging um Vorfälle aus dem Jahr 2015, die Shim seinerzeit auch bei Portlands Klubleitung angezeigt hatte.

Vertuschungsvorwürfe gegen Portland Thorns

Laut Yates-Report hatten die Thorns die Missbrauchsvorwürfe gegen Riley unter den Teppich gekehrt - und sie auch gegenüber anderen Klubs und der Liga verschwiegen. Dies führte dazu, dass der im Herbst 2015 in Portland freigestellte Riley wenige Monate später einen neuen Job bei einem anderen Klub antreten durfte: Western New York Flash, die Liga-Franchise wurde 2017 verkauft und spielt seitdem als North Carolina Courage in der NWSL.

Beide Klubs hatten sich bei den Verantwortlichen in Portland auch über Riley erkundigt, bevor sie ihn angeheuert hatten. Sowohl Portlands General Manager Gavin Wilkinson als auch Klubbesitzer Merritt Paulson wussten nur Gutes über den früheren Coach zu berichten. Wilkinson soll bei den Gesprächen laut ESPN sogar die Missbrauchsvorwürfe gegen Riley angesprochen haben. Er habe sie aber als unglaubwürdig abgetan haben, als Aussagen einer "enttäuschten Spielerin", die vom Coach nicht mehr berücksichtigt worden sei.

Der Besitzer der Timbers und Thorns: Merritt Paulson

Thorns-Besitzer Merritt Paulson

Mit freundlichen Grüßen

Klubbesitzer Paulson wiederum pflegte wohl noch länger mindestens professionellen Kontakt mit dem geschassten Trainer, dies belegen diverse freundliche Grüße an Riley über Twitter. Paulson hatte auch dem Präsidentenkollegen aus New York per Mail zu Rileys Verpflichtung gratuliert und mitgeteilt, er empfinde "große Zuneigung" für den Coach.

Auch als Riley im Jahr 2019 für den Posten des Nationaltrainers gehandelt wurde, soll sich Portlands Besitzer Paulson eingeschaltet haben, mit einem diskreten Hinweis an North Carolinas Klubchef, Rileys damaligen Arbeitgeber: Riley, so Paulsons Rat, solle sich besser aus dem Rennen zurückziehen, vor dem Hintergrund der nach wie vor schwelenden Vorwürfe.

All dies veranlasste den Yates-Report nun zu dem Schluss, der Klub aus Portland habe unter Paulsons Führung dazu beigetragen, die Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe zu behindern.

Paulson soll Klub verkaufen

Vor diesem Hintergrund wurden in Portland zuletzt die Forderungen lauter, dass Paulson sich zurückziehen und seine Anteile am Klub verkaufen solle. Portland gilt als progressive, liberale Stadt, zudem auch als sehr fußballbegeistert. Die Fanvereinigung Onward Rose City will das Klub-Konsortium, zu dem auch die MLS-Filiale Portland Timber gehört, übernehmen und hat bereits 8 Millionen Dollar eingesammelt. Für eine komplette Übernahme wäre aber wohl weit mehr Geld fällig, der NWSL-Klub aus Washington zum Beispiel wechselte unlängst für 35 Millionen Dollar den Besitzer.

Fans halten ein "You knew"-Schild in die Höhe

"Ihr wusstet Bescheid" - Portland-Fans kritisieren die Klubführung im Missbrauchsskandal

Denkbar wäre es auch, dass Paulson aufgrund seiner Rolle bei der Aufarbeitung des Skandals von der Liga gezwungen wird, seine Anteile abzugeben. Dies gilt aber als unwahrscheinlich, im US-Sport sehen sich die Franchise-Unternehmer eher als Partner, die gemeinsam dasselbe Produkt verkaufen, sie fügen sich gegenseitig eigentlich keinen Schaden zu. Außerdem müssten die anderen Klubs in die eigene Tasche greifen, wollten sie Paulsons Anteile übernehmen.

Sauerbrunn fordert Ablösung des eigenen Klubchefs

Doch der Druck auf den Portland-Boss nimmt zu, nicht nur von den Fans und Sponsoren. Becky Sauerbrunn, Thorns-Verteidigerin und Kapitänin des Nationalteams, forderte nach der Veröffentlichung des Yates-Berichts, dass alle Klubbesitzer und Offiziellen im US-Fußball gehen müssten, die ihre "Spielerinnen nicht ausreichend geschützt und die Untersuchungen nicht vollständig unterstützt" hätten. Dies klang so, als meinte sie damit vor allem den Präsidenten ihres eigenen Vereins.