Marokkos Trainer Walid Regragui mit seiner Mannschaft

FIFA WM 2022 Nächster Halt Afrika-Cup - Marokko stolz auf WM-Leistung

Stand: 15.12.2022 10:47 Uhr

Marokko hat duch die Pleite gegen Frankreich zwar das Finale der WM 2022 in Katar verpasst, doch die "Löwen vom Atlas" können stolz sein. Coach Walid Regragui schaut bereits nach vorne.

Walid Regragui stand am Mittelkreis und bedankte sich. Der marokkanische Nationaltrainer wirkte nicht niedergeschlagen oder konsterniert, sondern klatschte und winkte in alle Richtungen. Und seine Mannschaft und er bekamen aus allen den Kurven des WM-Stadions in Al-Khor Applaus zurück.

"Standing Ovations" für die marokkanischen Helden

Einmal mehr war die Unterstützung für Marokko enorm. Das Team hatte bereits während der kompletten WM 2022 in Katar riesigen Zuspruch von den Rängen erfahren. Nicht bloß von den eigenen Fans, die "Löwen vom Atlas" waren Hoffnungsträger fast der gesamten arabischen Welt. Nun gab es noch einmal "Standing Ovations" für die marokkanischen Helden.

Marokko schreibt in Katar Geschichte

Der verdiente Lohn für eine großartige WM 2022. Marokkos Titeltraum war zwar gerade durch das 0:2 im Halbfinale gegen Frankreich geplatzt, doch im Zuspruch der zahlreichen Anhänger war bereits die Würdigung für ein tolles Turnier enthalten. Denn Marokko schrieb in Katar Geschichte. Als erste Mannschaft aus Afrika schaffte sie es unter die besten Vier der Welt.

Auch gegen Frankreich zeigte Marokko eine starke Leistung. Das frühe 0:1 durch Theo Hernandez (5. Minute.) bedeutete den ersten Gegentreffer nach über 480 Minuten. Zuvor hatten die Nordafrikaner im gesamten Turnier lediglich ein Eigentor (in der Gruppenphase gegen Kanada) kassiert. Kurz darauf musste Kapitän Romain Saiss verletzt vom Feld (21.). Doch obwohl Regraguis Matchplan damit früh Makulatur gewesen sein dürfte, zeigten die "Löwen vom Atlas" gegen den Titelverteidiger erneut eine Topleistung.

Von der 30. bis zur 60. Minute machte Marokko das Spiel und drückte, immer wieder angetrieben durch die starke rechte Seite mit Hakim Ziyech und Achraf Hakimi, auf den Ausgleich. Und die Rot-Grünen kamen auch zu Chancen. So setzte etwa Verteidiger Jawad El Yamiq einen Fallrückzieher spektakulär an den Pfosten (44.).

Kolo Muani trifft nach 44 Sekunden

Doch diesmal fehlte den Nordafrikanern das Matchglück. In der 79. Minute erzielte der 44 Sekunden zuvor eingewechselte Frankfurter Randal Kolo Muani den 2:0-Endstand für Frankreich.

Marokko muss sich aber nicht grämen. Der Außenseiter präsentierte sich gegen den Titelverteidiger auf Augenhöhe, hatte 59 Prozent Ballbesitz und auch die Torschussbilanz (13:15) spricht für ein ausgeglichenes Spiel.

Regragui: "Das zweite Tor hat uns getötet"

Coach Regragui jedenfalls war nach der Partie zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. "Wir haben das Maximale gegeben, das ist das Wichtigste. Wir hatten einige Verletzte, haben Aguerd beim Aufwärmen verloren, Saiss, Mazraoui zur Halbzeit", sagte er. "Gegen eine Mannschaft wie Frankreich wird der kleinste Fehler teuer bezahlt. Mit der Leistung der ersten Halbzeit können wir nicht ins Finale kommen. In der zweiten war es viel besser, auch wenn uns das zweite Tor getötet hat."

Novum für Regragui

Für den 47-Jährigen bedeutete die Niederlage gegen Frankreich ein völlig neues Gefühl. Es war im neunten Länderspiel unter seiner Ägide die erste Pleite. Regragui war erst Ende August zum Nachfolger des gefeuerten Vahid Halilhodzic berufen worden.

Und er verlieh Marokko Flügel. In der Gruppe F düpierte seine Mannschaft die vor dem Turnier favorisierten Kroaten und Belgier und setzte sich als Erster durch. Im Achtelfinale folgte der Prestigeerfolg gegen Spanien, ehe gegen Portugal in der Runde der besten Acht endgültig Historisches geschaffen wurde.

"Es nimmt uns nicht alles weg, was wir vorher gegeben haben"

Nun schmerzt die Halbfinal-Niederlage gegen die Equipe Tricolore zwar, aber mit etwas Abstand dürften Regragui und Marokko schnell realisieren, was sie bei der WM 2022 in Katar erreicht haben. "Es nimmt uns nicht alles weg, was wir vorher gegeben haben. Meine Spieler haben sich von ihrer besten Seite gezeigt und alles gegeben. Sie sind enttäuscht, sie wollten die Geschichte weiterschreiben", sagte Regragui. "Man kann aber keine Weltmeisterschaft mit Wundern gewinnen."

Weiter gekommen als Deutschland

Aber, so der Coach: "Wir sind weiter gekommen als Brasilien, Spanien oder Deutschland. Das ist großartig für uns."

Auch bei den Spielern herrschte Stolz. "Wir haben ein großes Spiel gezeigt", sagte Torwart Yassine Bounou, besser bekannt unter seinem Kurznamen Bono. "Wir haben davon geträumt, ins Finale zu kommen."

Ein ganzes Land freue sich nun über den Erfolg, sagte Regragui: "Ich habe den Spielern gesagt: Ich bin stolz auf sie. König Mohammed VI. ist auch stolz auf sie, das ganze marokkanische Volk ist das."

Marokko als Vorbild für ganz Afrika

Dass die Löwen vom Atlas für einen ganzen Kontinent Geschichte geschrieben hätten, so Regragui, sei großartig: "Wir haben den Afrikanern gezeigt, dass man mit den Großen mithalten kann."

Jetzt, so Regragui weiter, dürfe man sich über den Erfolg freuen. Ausruhen dürfe man sich darauf aber nicht. "Wir müssen es künftig regelmäßig zeigen und beweisen, dass es kein Zufall war."

Deshalb blickte der 47-Jährige auch schon voraus - und setzte direkt neue Ziele. "Die Leute erwarten jetzt, dass wir gewinnen", sagte er und verwies auf den Afrika-Cup im Januar 2024 in der Elfenbeinküste. Marokko hat bislang lediglich 1976 die Afrikameisterschaft gewonnen. Das Finale erreichten die "Löwen vom Atlas" nur noch 2004 ein weiteres Mal.

"Ich bin ehrgeizig, wir wollen den Afrika-Cup gewinnen"

Erfolge bei der Kontinentalmeisterschaft und die regelmäßige Qualifikation für die WM würden helfen, "auf die Landkarte des Fußballs zu kommen", sagte Regragui. Oder eben dort zu bleiben, denn aktuell ist Marokko dort ganz sicher vertreten.

Und für 2024 gab Regragui schließlich, mit dem vollen Selbstvertrauen der WM 2022 in Katar, die Devise aus: "Ich bin ehrgeizig, wir wollen den Afrika-Cup gewinnen."

Doch zuvor schließt sich für Marokko der Kreis. Die WM 2022 endet für die Nordafrikaner, wie sie begonnen hat: mit einem Spiel gegen Kroatien. In der Vorrundengruppe F gab es vor knapp dreieinhalb Wochen ein 0:0. Im Match um Platz drei wird es am Ende einen Sieger geben müssen.

"Nach einer Niederlage ist es schwierig, für die Zukunft zu planen", sagte Regragui. "Es wird eine mentale Herausforderung, wir haben viele verletzte Spieler. Wir wollen gewinnen." Er kündigte an, jenen Profis Einsatzzeit zu verschaffen, die bislang hatten zuschauen müssen. "Wir brauchen einige Zeit, um uns zu erholen, dann werden wir das Spiel angehen. Wir wollen Dritter werden, um unser Land stolz zu machen."