Hakim Ziyech, Marokko

FIFA WM 2022 Ziyech - Erst weg vom Fenster, jetzt wieder wichtig

Stand: 13.12.2022 17:45 Uhr

Hakim Ziyech ist bei der WM 2022 in Katar einer der absoluten Leistungsträger bei Überraschungs-Halbfinalist Marokko. Dabei hatte der 29-Jährige seiner Nationalmannschaft schon den Rücken gekehrt.

Fast wäre Hakim Ziyech gar nicht mit Marokkos Nationalteam bei der WM 2022 in Katar gewesen, sondern stattdessen ganz in der Nähe, in Abu Dhabi. In der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate schlägt der FC Chelsea, Ziyechs Klub, nämlich aktuell sein Wintertrainingslager auf, um sich dort auf den Start in der englischen Premier League gegen den AFC Bournemoutham 27. Dezember vorzubereiten.

Viel fehlte nicht zu diesem Szenario. Ziyech war bereits nicht mit von der Partie, als sein Land im Januar vergeblich um den Sieg beim Afrika-Cup kämpfte. Im Juni, als Marokko in der Qualifikation für das nächste Afrika-Turnier ranmusste, befand er sich im Dubai-Urlaub. Ohnehin absolvierte er von Juni 2021 bis September 2022 kein einziges Länderspiel.

Ziyech mit Rücktritt im Februar

Ziyech, in Marokko ein absoluter Superstar, war im Februar aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Eine Folge des Zerwürfnisses mit dem damaligen Trainer der "Löwen vom Atlas", Vahid Halilhodzic, der den England-Profi zuvor lange Zeit nicht berücksichtig hatte.

"Ich werde nicht zurückkehren", sagte Ziyech damals. "Das ist meine endgültige Entscheidung." Diese hatte sich bereits lange zuvor angedeutet.

Zwischen Ziyech und Halihodzic hatte es nie gepasst. Nachdem der 70-jährige Coach auf einen Nominierung des Mittelfeldspielers für den Afrika-Cup verzichtet hatte, war das Tischtuch endgütlig zerschnitten.

Halilhodzic musste seinen Hut nehmen

Der Rücktritt des Edeltechnikers war in Marokko anschließend monatelang ein großes Thema. Ruhe kehrte jedenfalls keine ein. Schließlich reagierte der marokkanische Fußballverband - letztlich auch auf Druck der Bevölkerung. Der Bosnier Halilhodzic musste Ende August gehen, unter dem neuen Coach Walid Regragui kehrte Ziyech bereits im September ins Team zurück.

Der 29-Jährige zahlt das Vertrauen bei der WM 2022 mit starken Leistungen zurück. Ein wunderschönes Tor beim 2:1 gegen Kanada und eine Vorlage beim 2:0 gegen Belgien steuerte der 29-Jährige zum Sensationslauf der Marokkaner in Katar bislang bei.

In Katar bislang ein absoluter Teamplayer

Dazu gibt sich Ziyech, dem immer auch der Ruf einer "Diva" anhaftete, beim Turnier im Golf-Staat bislang als absoluter Teamplayer. Er gliederte sich als laufstarker Rechtsaußen perfekt ins harmonische Teamgefüge ein und leistete ein enormes Arbeitspensum für die Mannschaft.

Regragui: "Hakim ist nicht irgendein Spieler"

Erfolgscoach Regragui hat offensichtlich die richtigen Knöpfe bei seinem Starspieler gedrückt. Sein Ansatz: Er behandelt diesen "besonderen" Spieler mit "Liebe und Respekt". Er verlangt einiges, gewährt aber auch Freiheiten - und Ziyech dankt es mit Leistung. "In der Vergangenheit haben einige Trainer gesagt, alle Spieler sollten gleich behandelt werden", erzählte Regragui nach dem Sieg im Achtelfinale gegen Spanien (3:0 i. E.): "Hakim ist aber nicht irgendein Spieler."

Und genau das ist der Unterschied zum Ex-Coach. Halilhodzic gestand dem im niederländischen Dronten geborenen Ziyech keine Starallüren zu. Der Bosnier monierte stattdessen ein "einem Nationalspieler nicht würdiges Verhalten. Er will nicht trainieren, er will nicht spielen, er ist nicht ernsthaft", so der Ex-Trainer. "Ich werde dieses Verhalten nicht dulden, solange ich Trainer von Marokko bin."

War er dann aber auch nicht mehr lange - er musste schließlich als Verlierer der Konfrontation mit seinem Starspieler gehen.

Saiss: "Ziyech ist eine starke Persönlichkeit"

Das ist unter Regragui komplett anders. Der neue Coach weiß, dass er Ziyech braucht. "Er strahlt eine positive Energie aus", sagt der Trainer über seinen offensiven Schlüsselspieler. Auch die Mitspieler sehen das so. Kapitän Romain Saiss lobt Ziyech als "starke Persönlichkeit, die nie Probleme mit den Spielern der Nationalmannschaft verursacht hat". 

Bei den "Löwen vom Atlas" ist Ziyech in Katar ein absoluter Führungsspieler und hat großen Anteil am sensationellen Erreichen des WM-Halbfinales. Das gelang Marokko als erstem afrikanischen Team überhaupt.

Im Halbfinale gegen Frankreich (14.12.2022, 20 Uhr, im Audiostream bei sportschau.de) soll das "Wintermärchen" weitergehen. Ziyech will seinen Teil dazu beitragen.

Ziyech spendet seine Prämien im Nationalteam

Er ist jedenfalls froh, wieder beim Nationalteam zu sein. Wie wichtig Ziyech die Ehre ist, sein Land vertreten zu dürfen, erkennt man auch daran, dass er seit seinem Debüt 2015 seine gesamten Prämien an Mitglieder des Trainerstabs oder arme Familien in Marokko gespendet hat. Das berichtet der marokkanische Journalist Khaled Beyoun auf Twitter.

Denn Ziyech weiß, wo er herkommt. Er hatte als jüngstes von neun Kindern eine schwere Kindheit, sein Vater starb früh. Durch die Erfolge mit der Nationalmannschaft konnte er einiges zurückgeben.

Durch den Halbfinaleinzug bei der WM 2022 kommt auf jeden Fall noch sehr viel mehr Geld dazu - und der Weg Marokkos ist noch nicht zu Ende. Anteil daran hat auch Ziyech. Und das, obwohl er eigentlich schon weg vom Fenster war.