Kroatien gewinnt im Elfmeterschießen gegen Brasilien

FIFA WM 2022 Kroatiens "Marathon-Männer" - mit "deutschen Tugenden" zum Erfolg

Stand: 11.12.2022 20:00 Uhr

Bei der WM 2022 in Katar setzte sich Kroatien gegen Brasilien durch und zog ins Halbfinale ein. Die Südosteuropäer bewiesen einmal mehr, wie schwer sie zu schlagen sind.

Lange Zeit folgte das Viertelfinale der WM 2022 in Katar zwischen Brasilien und Kroatien einem bestimmten Muster: Die "Selecao" rannte an, ohne effektiv zu sein. Die Südosteuropäer verteidigten ihr eigenes Tor leidenschaftlich - und waren dabei sehr effektiv.

Ein Geniestreich von Neymar (105. Minute) schien das Spiel dann in der Verlängerung zugunsten des Favoriten zu entscheiden. Doch Kroatien schlug zurück. Bruno Petkovic (117.) glich mit dem im ganzen Spiel ersten kroatischen Schuss aufs gegnerische Tor noch aus. Anschließend hatten Luka Modric und Co. im Elfmeterschießen die besseren Nerven als die Brasilianer und zogen nach einem echten Krimi (1:1, 4:2 im Elfmeterschießen) wie schon bei der WM 2018 ins Halbfinale ein.

Kroatien stellt WM-Rekord ein

Kroatien stellte damit einen WM-Rekord ein: Es setzte sich bei allen seinen vier Elfmeterschießen bei einer Weltmeisterschaft durch und schloss zum bisherigen Rekordhalter Deutschland auf.

Modric: "Unser Glaube ist enorm"

"Wir waren nahezu geschlagen, alle erklärten uns für tot", sagte Modric nach der aufreibenden Partie: "Aber wir haben gezeigt, dass wir nie aufgeben, dass unser Glaube enorm ist."

"Deutsche Tugenden" bei Kroatien

Einmal mehr zeigte sich: Es ist unfassbar schwer, Kroatien zu schlagen. Die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic zeichnet das aus, was in der Vergangenheit - bis vor ein paar Turnieren - im Weltfußball gerne als "deutsche Tugenden" bezeichnet wurde: hohe Disziplin, enorme Widerstandsfähigkeit und ein ausgeprägter Teamgeist.

Dalic: "Kroatien ist am besten, wenn es darauf ankommt"

Kroatien kommt immer wieder zurück: Sie führten bei dieser WM nie mit 1:0, sondern lagen dreimal mit 0:1 in Rückstand. "Kroatien ist am besten, wenn es darauf ankommt. Dann ist Kroatien immer erfolgreich", sagte Coach Dalic nach dem Halbfinaleinzug pathetisch: "Das ist Kroatien - Stolz, Mut, Glaube und Patriotismus."

Borna Sosa: "Ein riesiger Erfolg"

Verloren haben sie in Katar noch keine Partie. Stattdessen dürften sie vom Titel träumen. "Bei der letzten WM im Finale, jetzt im Halbfinale. Das ist für ein Land wie Kroatien, das nur vier Millionen Einwohner hat, ein riesiger Erfolg", sagte Linksverteidiger Borna Sosa vom VfB Stuttgart im Sportschau-Interview.

Eine echte Turniermannschaft

Und ein weiterer Aspekt, der früher Deutschland zugeschrieben wurde, trifft auf die Kroaten zu: Sie sind eine echte Turniermannschaft. Sie haben bei ihrer insgesamt sechsten WM-Teilnahme nun zum dritten Mal das Halbfinale erreicht. 1998 wurden sie am Ende Dritter, vor vier Jahren in Russland Zweiter.

Sie haben seit der EM 2021 überhaupt nur eines von 21 Länderspielen verloren - im Juni 2022 beim 0:3 gegen Österreich in der Nations League.

Zudem haben sie einen langen Atem. Das Duell gegen Brasilien war für Kroatien das fünfte in Serie in der K.o.-Runde einer WM, in dem sie in die Verlängerung mussten, sich aber final durchsetzten. Echte "Marathon-Männer" eben.

Erst ein Sieg bei der WM 2022

Dass sie wie 2018 unter den besten vier der WM stehen, ist umso höher einzuschätzen, weil Luka Modric und Co. in Katar lediglich ein Match nach den regulären 90 Minuten gewonnen haben: das 4:1 im zweiten Gruppenspiel gegen Kanada.

In den anderen beiden Vorrundenduellen setzte es zwei Nullnummern gegen Marokko und Belgien. Im Achtelfinale schließlich setzte sich Kroatien nach Verlängerung und Elfmeterschießen mit 4:2 gegen Japan (1:1, 3:1 i. E.) durch.

Viele Parallelen zur WM 2018

Nun also erneut das Halbfinale. Das Turnier in Katar weist aus kroatischer Sicht erstaunliche Parallelen zur WM 2018 in Russland auf. Damals kamen die Südosteuropäer sowohl im Achtel- als auch im Viertelfinale nach Elfmeterschießen weiter - wie diesmal. In der Runde der letzten 16 gegen Dänemark gewann Kroatien damals mit 4:3 (1:1, 3:2 i. E.).

In der Runde der besten acht setzten sich die Südosteuropäer anschließend gegen Gastgeber Russland durch (2:2, 4:3 i. E.). Die Reise war damit noch nicht beendet. Im Halbfinale gegen England ging es erneut in die Verlängerung. Die Kroaten rannten und kämpften bis zur letzten Spielminute um ihr Leben. Letztlich waren sie der Spielverderber für den favorisierten Gegner und setzten sich mit 2:1 durch. Erst im Finale stoppte Frankreich durch das 4:2 die Kroaten, die bei den drei Krimis vorher auch einiges an Kraft gelassen hatten.

Nun spielen sie wieder um den Titel mit. Großen Anteil daran hat Keeper Dominik Livakovic, der gegen Japan bereits "Man of the Match" war, nachdem er zuvor im Elfmeterschießen drei gegnerische Elfer pariert hatte. Gegen Brasilien hielt er nun erneut einen Strafstoß - den Schuss von Rodrygo. Damit stellte Livakovic den WM-Rekord für gehaltene Elfmeter ein.

Livakovic bringt Neymar und Co. zur Verzweiflung

Auch in den 120 Minuten zuvor glänzte der nach dem Japan-Spiel von der Presse als "Krake von Zadar" titulierte Torhüter. Livakovic parierte neun brasilianische Schüsse und brachte damit Neymar und Co. zur Verzweiflung. "Livakovic war auf jeden Fall unser Matchwinner. Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben", sagte Sosa über die Leistung des 27-Jährigen.

Nun wartet im Halbfinale Argentinien (Dienstag, 13.12.2022, 20 Uhr), dass in seinem Viertelfinale gegen die Niederlande ebenfalls in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen musste.

Der kroatische Weg soll dann noch weitergehen. "Das Halbfinale ist nicht das Ende", so Trainer Dalic: "Wir können noch viel erreichen."

Sosa: "Am liebsten wieder Elfmeterschießen"

Das Finale ist das Ziel - wenn es sein muss, nehmen die kroatischen "Marathon-Männer" dabei auch den Umweg Verlängerung und Elfmeterschießen in Kauf. Denn zum Showdown vom Punkt gehen Modric und Co. mittlerweile "als ob wir zu diesem Zeitpunkt schon gewonnen hätten", so Dalic. Und auch Sosa blickte lachend voraus: "Am liebsten wollen wir im Halbfinale gegen Argentinien wieder ein Elfmeterschießen."