Saisonstart in La Liga Neue Machtverhältnisse in Spaniens Fußball

Stand: 13.08.2021 14:01 Uhr

In der spanischen La Liga sind die Machtverhältnisse neu gemischt, auch wegen schwerer finanzieller Probleme. Das Titelrennen scheint offener denn je.

Der FC Villarreal ließ sich kurz vor dem Ligastart etwas Besonderes einfallen, um die Vertragsverlängerung mit Stürmer Gerard Moreno zu verkünden. Nicht zum ersten Mal: Bei der Rückkehr von Santi Cazorla vor drei Jahren gab es im Stadion eine kleine Zaubershow, Cazorla stieg dann als Überraschungsgast aus einer rauchenden Glasröhre. Nationalspieler Moreno wurde von seinem Klub jetzt in ein Kostüm von "Masked Singer" gesteckt, einer auch in Spanien gesendeten TV-Show, und auf eine Bühne ins Stadtzentrum gestellt. Als er schließlich die Maske vom Kopf zog und sich zu erkennen gab, flimmerte die frohe Botschaft über die Videoleinwand, dass der Stürmer bis 2027 bei seinem Klub bleibt.

Es gibt sie also doch noch, die großen Namen in der spanischen Liga, die ja seit dieser Woche höchst offiziell als Sanierungsfall gilt: Seit der Ligaverband LFP einen Anteil von 11 Prozent aller künftigen Einnahmen an die Investmentgesellschaft CVC abgetreten hat. Im Gegenzug sollen die angeschlagenen spanischen Profiklubs 2,7 Milliarden Euro erhalten. Wobei die zwei Großklubs Real Madrid und der FC Barcelona, die den mit Abstand größten Schuldenberg fabriziert haben, dem Anteilsverkauf nicht zugestimmt haben und sogar gerichtlich dagegen vorgehen wollen.

Messi weg, Ramos weg - La Liga ohne ihre Identifikationsfiguren

Das größte Symbol des Niedergangs der spanischen Liga ist natürlich Lionel Messi: die Barca-Ikone, jahrelanges Aushängeschild, musste den Verein verlassen, weil sich die Katalanen schlicht keinen neuen Vertrag mehr mit ihm leisten konnten.

Doch auch bei Barcas Erzrivalen Real Madrid blättert der Lack. Auch die Königlichen, die einst die Akquise "galaktisch" teurer Stars zu ihrem Markenzeichen machten, sind weiter zum Sparen verdammt: Schon in der vergangenen Saison hatte Real erstmals seit vierzig Jahren keine einzige Neuverpflichtung vermeldet. In diesem Sommer kommt nur David Alaba, selbstverständlich ablösefrei. Dafür wurde die komplette Innenverteidigung aus der Erfolgs-Ära mit Champions-League-Hattrick abgegeben: Raphael Varane, für rund 50 Millionen Euro zu Manchester United, und Kapitän Sergio Ramos, die andere langjährige Identifikationsfigur der Liga, Gegenpart von Lionel Messi in insgesamt 45 "Clasico"-Duellen.

Die gesunkene Strahlkraft von La Liga zeigt sich auch eine Ebene darunter: Bryan Gil, einer der größten Talente des spanischen Fußballs, verließ nun den FC Sevilla Richtung Tottenham. Die Scoutingabteilung des FC Barcelona, die den 20-Jährigen auch gerne verpflichtet hätte, hatte ihn jüngst als einen neuen Neymar geadelt. In früheren Zeiten wäre ein Juwel wie Gil wohl auch bei den Katalanen gelandet.

In Barcelona ist die Depression nach Messis tränenreichem Abgang groß. Andererseits: Jetzt wo sein großer Schatten weg ist, bietet sich anderen, für teils horrendes Geld verpflichteten Spielern die Chance, endlich ihren Wert für das Team unter Beweis zu stellen. Allen voran Antoine Griezmann, der nach zwei Spielzeiten bei Barca immer noch seine Rolle sucht, nun aber nicht länger die Ausrede hat, sich im taktischen Gefüge dem Überspieler Messi unterordnen zu müssen. Ähnliches gilt auch für Ousmane Dembele, Frenkie de Jong und Philippe Coutinho, die alle neue Freiheiten bekommen dürften, aber auch mehr Verantwortung.

Real baut auf seine Veteranen Benzema, Kroos, Modric

Nimmt man die Neuzugänge Memphis Depay, Wunschspieler von Coach Ronald Koeman, und Sergio Aguero dazu, sowie die Megatalente Pedri und Ansu Fati, dann wirkt Barcas Kader zumindest offensiv nach wie vor beeindruckend. Und bietet weitaus größere Perspektiven als etwa das Team des Erzrivalen Real Madrid, der vor allem weiter von seiner Veteranenstärke lebt: Die tragenden Säulen bei den Königlichen, Karim Benzema, Luka Modric, Toni Kroos, sind allesamt jenseits der 30, ebenso wie der ewig fremdelnde Eden Hazard und der zuletzt verliehene Großverdiener Gareth Bale. Ebenfalls zurückgekehrt ist Trainer Carlo Ancelotti - auch nicht unbedingt ein Coach, der für die Zukunft steht.

Atletico hofft auf Titelverteidigung

Der Kader der Königlichen wirkt in jedem Fall nicht stärker als in der Vorsaison, als der Titel an den Stadtrivalen Atletico verloren ging. Die "Rojiblancos" aus der Hauptstadt dürfen sich deshalb auch berechtigte Hoffnungen machen, ihren Coup zu wiederholen. Es wäre die erste Titelverteidigung nach über 70 Jahren. Anders als beim Titelgewinn 2014, als "Atleti" schon einmal die Dauerherrschaft von Barca und Real durchbrach, konnte das Team nun zusammengehalten werden.

Auch Meistertrainer Diego Simeone, Atleticos Kampfmaschine an der Seitenlinie, hat seinen Vertrag im Sommer vorzeitig verlängert. Für spektakuläre Neueinkäufe fehlt aber auch dem Meister das Geld, trotz Medienberichten über den angeblichen Plan, den früheren Helden Griezmann aus Barcelona zurückzuholen.

Ausgeglichenes Titelrennen - Sevilla als mögliche Überraschung

Weil sich keiner der Titelkandidaten deutlich gegenüber den Kontrahenten verstärkt hat, wirkt das Rennen um die Meisterschaft absolut offen und verspricht mindestens soviel Spannung wie in der Vorsaison. Von der neuen Ausgeglichenheit in La Liga könnte sogar ein weiterer Klub profitieren: Der FC Sevilla spielte schon in der vergangenen Saison bis zum Schluss ganz oben mit und landete am Ende nur zwei Punkte hinter Barcelona. Platz vier und die erneute Qualifikation zur Champions League ist auch diesmal das erklärte Ziel der Andalusier, doch womöglich sorgt das Team von Trainer Julen Lopetegui am Ende auch für eine Riesen-Überraschung.