Fußball | FIFA WM-Gastgeber Katar demonstriert Selbstbewusstsein

Stand: 01.04.2022 14:30 Uhr

Der Generalsekretär der Fußball-WM in Katar hat sich gegen die internationale Kritik gewehrt. Katar müsse sich nicht dafür entschuldigen, die WM ausrichten zu wollen, sagte Hassan Al-Thawadi.

Im Interview mit der "BBC" antwortete Al-Thawadi der zahlreichen Kritik aus dem Ausland an der Fußball-WM in seinem Land Katar, vor allem von Menschenrechtsorganisationen. "Es gab Aussagen einiger Leute, die meiner Meinung nach schlecht informiert sind."

Katar steht praktisch seit dem WM-Zuschlag in der Kritik - wegen der schlechten Menschenrechtslage im Land, vor allem der Situation der Arbeitsmigranten auf den WM-Baustellen. Dort sollen nach Recherchen des "Guardian" seit dem Zeitpunkt der WM-Vergabe 6.500 Bauarbeiter ums Leben gekommen sein.

Al-Thawadi: "Wir sollten uns nicht für die WM entschuldigen"

Trotz aller internationaler Kritik, zuletzt von der norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaveness, hielt die FIFA unter Präsident Gianni Infantino an der von Anfang an umstrittenen WM-Vergabe fest - und bereitete dem Wüstenstaat damit die ganz große Bühne: "Wir sollten uns nicht für unsere Ambitionen entschuldigen, diese WM ausrichten zu wollen", sagte Al-Thawadi der "BBC".

"Wir sind ebenso fußballverrückt wie der Rest der Welt. Es ist nur legitim, dass wir dies der Welt zeigen, damit sich die Wahrnehmung unseres Landes ändert." Damit verbunden ist wohl auch die Hoffnung Katars, als WM-Gastgeber künftig auch mehr Bedeutung in der Weltpolitik zu erlangen.

Den häufig erhobenen Vorwurf, mit dem größten Fußballfest Sportswashing zu betreiben, wies der WM-Generalsekretär entschieden zurück: "Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein."

Al-Thawadi verwies stattdessen auf die Fortschritte, die Katar in den vergangenen zwölf Jahren gemacht habe. Dies müsse man anerkennen. Bei der Menschenrechtslage gebe es immer Dinge, die zu verbessern seien - aber das gelte überall, auch für Länder wie England, so Al-Thawadi.

Kritik aus dem Ausland in Katar unerwünscht

Das neue Selbstbewusstsein des WM-Gastgebers zeigte sich auch in der harschen Antwort des Generalsekretärs auf die Kritik der norwegischen Verbandspräsidentin, die die WM-Vergabe an Katar auf dem FIFA-Kongress in Doha als "inakzeptabel" bezeichnet hatte. Klaveness sei "in unser Land" gekommen und habe das OK weder kontaktiert, noch versucht einen Dialog zu starten, so Al-Thawadi.

Klaveness widersprach den Anschuldigungen Al-Thawadis und bezeichnete sie gegenüber der norwegischen Zeitung "Dagbladet" als "völlig falsch". Man habe seit über einem Jahr viele Gespräche mit dem Organisationskomitee und der FIFA geführt. "Ich habe selbst an Live-Meetings teilgenommen", ergänzte Klaveness im TV-Sender "NRK". Es habe Treffen mit Al-Thawadi gegeben, "sowohl direkt als auch indirekt über viele Kanäle".

Wie gering das Verständnis für Kritik aus dem Ausland bei Katars Machthabern ist, erkennt man auch daran, dass die WM-Organisatoren mit Al-Thawadi an der Spitze versucht haben sollen, die Berichterstattung über ausbeuterische Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen zu sabotieren.

Umgang mit der LGBTQI-+-Bewegung

Kritik hatte es in der Vergangenheit auch immer wieder aus der LGBTQI-+-Bewegung gegeben. Homosexuelle Handlungen sind in Katar per Gesetz verboten, die Strafen sehen Auspeitschen, Inhaftierung oder sogar die Todesstrafe vor - wobei letztere zumindest nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen bislang nicht vollstreckt worden ist.

Katars WM-Organisatoren wiederum versuchen, sich nach außen als tolerantes, weltoffenes Land darzustellen, um Sicherheitsbedenken bei ausländischen Fans zu zerstreuen.

"Wir haben immer gesagt, dass wir alle willkommen heißen. Alle werden sich sicher fühlen", sagte Al-Thawadi. Er verwies in diesem Zusammenhang aber nochmals auf die speziellen, kulturellen Gegebenheiten in Katar: "Wir sind ein relativ konservatives Land. Zuneigung in der Öffentlichkeit zu zeigen, gehört nicht zu unserer Kultur."

Auch der Chef des WM-Organisationskomitees Nasser Al-Khater hatte seine Einladung an die LGBTQI+-Bewegung mit einem Warnhinweis versehen. Fans, die nach Katar reisen, sollten zurückhaltend agieren.

Generalmajor: Keine Regenbogenflaggen während der WM

Auch Generalmajor Abdulasis Abdullah Al Ansari, eigentlich Vorsitzender des Nationalen Terrorismusbekämpfungs-Komitees im Innenministerium, äußerte sich zum Thema. Der hochrangige Sicherheitsbeamte sprach sich gegenüber der Nachrichtenagentur AP gegen das Zeigen von Regenbogenfahnen während der WM in Katar aus. Falls ein Fan Flaggen mit dem Symbol für Toleranz mitführte, müsste er sie abgenommen bekommen. Dies geschehe vor allem, um den Fan zu schützen - anderenfalls könne ihn jemand attackieren, so die aufschlussreiche Begründung von Al Ansari: "Ich kann nicht für das Verhalten aller Menschen garantieren. Und ich werde ihm sagen: 'Bitte, es gibt keinen Grund, die Fahne hier zu zeigen'."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags war von 15.000 Toten im Zusammenhang mit der Fußball-WM die Rede. Diese Zahl ist nicht korrekt, sie bezieht sich nach offiziellen Angaben auf die Gesamtzahl aller Todesfälle von in Katar tätigen ausländischen Arbeitskräften seit 2010, dem Zeitpunkt der WM-Vergabe.