Suchen noch nach dem richtigen Timing: der Frankfurter Ansgar Knauff und der Schalker Simon Terodde

Nach langer WM-Pause Restart der Bundesliga - das Ringen um den Rhythmus

Stand: 23.01.2023 14:02 Uhr

Ziemlich schnell hatte Oliver Glasner an den auch aus seiner Sicht viel zu hoch ausgefallenen Arbeitssieg von Eintracht Frankfurt gegen den FC Schalke 04 (3:0) am Wochenende einen Haken gemacht. Der Trainer bescheinigte dem Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga die bessere Spielanlage, während der Tabellenzweite seine Leistung selbstkritisch hinterfragte.

"Wenn wir jedes Spiel so bestreiten, werden wir nicht so viele Punkte holen, wie wir uns das vorstellen", mäkelte der 48-Jährige. Gleichzeitig hatte es der Österreicher genauso kommen sehen: Die lange Unterbrechung mit acht Wochen WM-Pause hat vielen Mannschaften die Automatismen geraubt, weshalb Glasner vor den Auswärtsspielen beim SC Freiburg (Mittwoch 20.30 Uhr) und FC Bayern München (Samstag 18.30 Uhr) die Laufleistung von fast 122 Kilometern (fünf mehr als Schalke) und die Zahl von 279 Sprints (24 mehr als Schalke) hervorhob.

Für ihn ein Indiz: Körperlich ist eine Mannschaft, die sehr von ihrem intensiven, physischen Stil lebt, bereits gut in Schuss; die vielen Einheiten im Trainingslager in Dubai haben sich ausgezahlt. "Physisch hat uns die Pause nicht so viel gekostet wie fußballerisch", sagte der Frankfurter Fußballlehrer.

Eintracht Frankfurt hat einen Kader mit großen Unterschieden

Er leitet einen Kader an, der mit völlig unterschiedlichen Belastungszuständen aus dem WM-Cut kam. Hier einen Randal Kolo Muani, der im Finale die Franzosen fast in letzter Minute zum Weltmeister geschossen hätte, dort einen Kevin Trapp und Mario Götze, die mit Deutschland viel früher als gedacht heimkehrten, auch der Däne Jesper Lindström hatte sich eigentlich auf mehr WM-Einsätze eingestellt.

Und dann gibt es noch die Mehrzahl an Profis, die seit dem 13. November (1:1 beim 1. FSV Mainz 05) gar kein Pflichtspiel mehr absolviert hatten. So wie der Europa-League-Sieger und Champions-League-Achtelfinalist sind viele Teams noch auf der Suche nach dem richtigen Rhythmus.

41 Tore am 16. Spieltag sind Rekord in dieser Saison

Die mit Abstand längste Wintervorbereitung im Vergleich der europäischen Topligen ist ein Abwägungsprozess: Einerseits können besser Grundlagen erarbeitet werden, die mit Blick auf die internationalen Wettbewerbe noch wichtig sein können, andererseits müssen die Automatismen und Abläufe noch in der Praxis eingeschliffen werden. Bei der kollektiven Arbeit gegen den Ball ist der Wettkampf durch kein Training zu ersetzen.

Dass speziell in der Defensive bei vielen Mannschaften noch reichlich Abstimmungsbedarf besteht, verriet die völlig ungewöhnliche Torflut mit 41 Treffern. Damit war der 16. Spieltag der torreichste dieser Saison. Seit der Jahrtausendwende gab es nur am 34. Spieltag der Saison 2001/02 mehr Tore (44). Was damals ja leicht damit erklärbar war, dass es für etliche Mannschaften um nichts mehr ging, die deshalb den Kehraus locker angingen.

Der 1. FC Köln hat das Mehr an Trainingszeit genutzt

Davon kann jetzt keine Rede sein. Umso erstaunlicher, dasss es gleich zweimal zum Komplettversagen kam: Sowohl der SC Freiburg (0:6 beim VfL Wolfsburg) als auch Werder Bremen (1:7 beim 1. FC Köln) beklagten einen Systemabsturz aller Abwehrmechanismen. Auf der anderen Seite funktionierten beispielsweise die Angriffszüge bei den Kölnern selten so gut wie bei der Auftaktpartie.

Trainer Steffen Baumgart begründete den Sturmwirbel damit: "Wir konnten trainieren und Abläufe einstudieren." Dass es jetzt zum FC Bayern geht (Dienstag 20.30 Uhr), nimmt er als Herausforderung an: "Wir wollen auch in München unsere Art von Fußball spielen. Wir wollen genauso mutig agieren, wie in den anderen Spielen auch." Dann wären die Rheinländer die größten Profiteure beim Re-Start.

Borussia Dortmund hat die Abwehrprobleme nicht abgestellt

Aber nicht allen hat das Mehr an Trainingszeit wirklich gutgetan: Borussia Dortmund verriet im teilweise vogelwilden Heimspiel gegen den FC Augsburg (4:3) altbekannte Abwehrschwächen. Pressing, Standards, Restverteidigung: Die spielfreie Phase wollten sie in Dortmund eigentlich nutzen, um an ihren Mängeln zu arbeiten.

Doch der abenteuerliche Auftritt gegen den Abstiegskandidaten sorgte für Ernüchterung. Der bei der WM ebenfalls fehleranfällige Innenverteidiger Nico Schlotterbeck fasste das schwarz-gelbe Kardinalproblem gut zusammen: "Es war Qualität vorne und keine Qualität hinten." Aber selbst diejenigen Klubs, die stabiler standen, brauchen noch Praxis.

Die vielen Termine könnten helfen

So wie RB Leipzig, das Team von Trainer Marco Rose, der trotz des verdienten Unentschiedens gegen den FC Bayern (1:1) sagte: "Man hat auch gemerkt, dass uns nach zwei Monaten ohne Spiel noch der Rhythmus fehlt." Doch insofern haben die von vielen Fans kritisierten Termingestalter, mitten im Winter sofort eine englische Woche anzusetzen, zumindest für die Trainer etwas Gutes getan: Durch die enge Taktung können die Teams ihre Systeme sehr schnell verfestigen.

Der letzte Hinrunden-Spieltag ist jetzt für Dienstag und Mittwoch angesetzt, am Wochenende folgt bereits der 18. Spieltag. Und auch danach gibt es für die meisten keine Verschnaufpause. Am erstmals über vier Termine gestreckten DFB-Pokal-Achtelfinale sind noch zehn Erstligisten beteiligt. Die Partien FSV Mainz gegen Bayern München (1. Februar/20.45 Uhr) und Eintracht Frankfurt gegen SV Darmstadt 98 (7. Februar/20.45 Uhr) laufen live im Ersten.