Ein Mann geht Anfang März über die Trümmer eingestürzter Gebäude im türkischen Hatay.

Naturkatastrophe Riesiger Schmerz - Sport in der Türkei nach dem Erdbeben

Stand: 15.03.2023 11:05 Uhr

Spieler wurden unter Trümmern begraben, Trainingseinrichtungen beschädigt. Das Erdbeben in der Südosttürkei hat auch Sportler im Land schwer getroffen. Etwa die des Fußball-Erstligisten Hatayspor.

Das letzte Tor von Christian Atsu ist auf Video festgehalten: Ein Freistoß, den er in die linke Ecke zwirbelt. Nur wenige Stunden vor dem verheerenden Erdbeben am 6. Februar in der Südosttürkei bescherte der Fußball-Profi dem Süperlig-Club Hatayspor damit einen Sieg gegen Kasimpasa.

"Die ganze Stadt spielte verrückt, alle waren so glücklich, weil dieser Sieg unsere Hoffnungen auf einen Klassenerhalt bestärkte", erinnert sich der stellvertretende Vereinsvorsitzende Aydin Toksöz an die letzten Stunden vor dem Beben. Kurz danach wurde Atsu wie zehntausende andere Menschen unter den Trümmern verschüttet. Sein Tod wurde nach fast zwei Wochen Ungewissheit am 18. Februar bestätigt.

Türkischer Sport tief getroffen

Das Erdbeben hat unfassbares Leid über die Türkei gebracht und auch den Sport tief getroffen. Sportstätten wurden zerstört, Athletinnen und Athleten kamen ums Leben. In den besonders schwer getroffenen Regionen ist an einen regulären Sportbetrieb nicht zu denken.

Besonders tragisch ist das Schicksal von jungen Volleyballern aus Nordzypern, die mit ihrem Schulteam für ein Turnier angereist waren. Das Hotel in Adiyaman, in dem die Mädchen und Jungen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren untergebracht waren, stürzte ein. Keines der 25 Kinder konnte gerettet werden.

Hatayspor hat neben Atsu weitere Teammitglieder verloren: Sportdirektor Taner Savut und mehrere Juniorenspieler seien ebenfalls unter den Trümmern gestorben, sagt Toksöz. Der Erstligaclub trägt seine Heimat im Namen: Hatay - eine der am stärksten vom Beben betroffenen Provinzen. Das Stadion, in dem Atsu vor mehr als einem Monat den Siegtreffer erzielte, dient nun als Notunterkunft für Obdachlose. Neben dem Eingang reiht sich Zelt an Zelt. Hatayspor hat die Liga bereits kurz nach dem Beben verlassen, ebenso Gaziantepspor.

"Es ist schwer, unseren Schmerz zu beschreiben", sagt Toksöz. Die Fußballer hätten Freunde verloren und seien teilweise selbst verschüttet gewesen. Viele stünden unter Schock, man versuche, sie psychologisch zu unterstützten. An Training sei nicht zu denken. "Die ganze Stadt ist damit beschäftigt, Trümmer zu beseitigen." Einrichtungen seien beschädigt. Einige Spieler seien vorübergehend zu anderen Teams gewechselt, um in Form zu bleiben. Der Club hoffe, das Training im Juli oder August wieder aufnehmen zu können.

Zur psychologischen kommt die finanzielle Last. Hatayspor hat keine Einnahmen mehr. "Unser gesamtes Jahresbudget von 350 Millionen Lira (rund 17 Millionen Euro) ist verloren", sagt Toksöz. In Deutschland und Europa lebende Türken hätten finanzielle Unterstützung angeboten, doch es sei schwer abzusehen, wie viel finanzielle Hilfe überhaupt nötig sei.

Die Erdbeben-Katastrophe hat auch politische Auswirkungen, die bis in die Stadien getragen werden. Fans der drei großen Istanbuler Clubs Fenerbahce, Besiktas und Galatasaray forderten von den Tribünen aus den Rücktritt der Regierung. Im Fall von Fenerbahce entwickelte sich daraus ein Streit mit dem Club Kayserispor. Wegen der regierungskritischen Rufe wurden die Fans von einem Auswärtsspiel ausgeschlossen. Fenerbahce-Präsident Ali Koc war erbost.

Kritik an Regierung von Präsident Erdogan

Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan war nach dem Beben in die Kritik geraten: Schlechtes Krisenmanagement und Versagen bei der Bauaufsicht werden dem Präsidenten unter anderem vorgeworfen. Das Gebäude, in dem Atsu ums Leben kam, wies erhebliche Baumängel auf, wie inzwischen festgestellt wurde. Rund 1000 Menschen lebten Schätzungen zufolge in der sogenannten Rönesans-Residenz mit rund 250 Wohnungen - hunderte Menschen wurden alleine dort unter den Trümmern begraben.

Das Schicksal von Atsu, so erzählte es Verwaltungsmanager Fatih Ilek nach dem Erdbeben türkischen Medien, sei besonders tragisch: Der Spieler habe noch am Abend des Heimspiels Richtung Frankreich abreisen wollen. Atsu habe seinen Flug aber verfallen lassen und sei geblieben, um mit der Mannschaft zu feiern. Es sei ein besonderer Abend gewesen, erinnert sich Toksöz. Der Trainer habe Atsu den Sieg gewidmet, sie hätten sich umarmt, die Menschen gesungen. "Wir wollen Atsu und alle, die wir verloren haben, in so guter Erinnerung behalten."