Gianni Infantino | Umstrittene Äußerungen Kommentar - Infantinos Selbstüberhöhung macht ihn untragbar

Stand: 27.01.2022 11:45 Uhr

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat speziell mit seinen Afrika-Vergleichen verstört, um sein Herzensprojekt, eine WM im Zweijahresrhythmus, durchzubringen. Ein Kommentar.

An hehren Zielen fehlt es nicht. Gleich auf der Homepage lässt der Fußball-Weltverband FIFA durchblicken, dass es ihm angeblich um viel mehr geht als nur den Sport. Schon auf der Startseite steht: "Die FIFA modernisiert unseren Sport, sodass er in jeder Hinsicht global, offen und inklusiv ist - nicht nur auf einem oder zwei Kontinenten, sondern überall."

Es sind solche wohlklingenden Parolen, die Präsident Gianni Infantino gerne predigt - und ab und an übers Ziel hinausschießt. Ein besonders perfides Beispiel an Selbstüberschätzung hat der zwielichtige Impresario bei seiner Rede am Mittwoch (26.01.2022) vor dem Europarat in Straßburg abgegeben.

Seine Planspiele sind leicht durchschaubar

Der Schweizer nahm Stellung zu dem Kommissionsbericht "Fußballverwaltung: Wirtschaft und Werte", sprach über die Reform des Transfersystems, die Förderung von Transparenz und Integrität, den Schutz von Kindern und Menschenrechten - und spannte (natürlich) den Bogen zu seinem Herzensprojekt, bei dem ihm vor allem aus Europa eisiger Wind entgegenweht: eine WM im Zweijahresrhythmus.

Die Vergleiche sind irritierend wie gefährlich

Um dieses Vorhaben anzupreisen, behauptete der frühere Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union UEFA allen Ernstes, man sollte den Afrikanern (durch den Fußball?) Hoffnung stiften, damit sie nicht über das Mittelmeer kommen müssten. Damit hat sich Infantino einen unentschuldbaren Aussetzer geleistet. Solche Vergleiche sind nicht nur irritierend, sie sind auch gefährlich. Weil schlichtweg falsch. Da vermengt einer vieles, wenn nicht alles.

Glaubt er ernsthaft, dass eine Fußball-WM das Leid in Afrika lindert, dass sich die Menschen nicht mehr auf die Flucht machen? Dass Infantino am Tag danach zurückruderte, plötzlich behauptete, dass seine Aussagen falsch interpretiert und aus dem Zusammenhang gerissen worden seien, macht es nicht besser.

UEFA und FIFA treiben die Geschäftemacherei auch auf die Spitze

Sicher, die Konzentration der Kräfte und Gelder auf einige wenige europäische Topligen sorgen dafür, dass speziell Asien und Afrika sich mit der Idee eines kürzeren WM-Turnus anfreunden können. Doch die globalen Probleme in den asiatischen und afrikanischen Krisenregionen löst bestimmt nicht eine Fußball-WM in engerer Taktung. Infantinos Selbstüberhöhung macht ihn eigentlich seit geraumer Zeit als Repräsentanten des Weltfußballs untragbar.

Sein Gegenspieler Aleksander Ceferin bei der UEFA ist so viel besser auch nicht unterwegs: Der Slowene hat am Donnerstag (27.01.2022) zwar stolz mitteilen lassen, dass der Europarat ein klares Nein zu egoistischen Superligen und ein klares Nein zu extravaganten WM-Vorschlägen erlassen habe, aber unter Ceferin ist die fragwürdige Nations League eingeführt, ein ganz neuer Europapokalwettbewerb namens Europa Conference League erfunden worden und wird die Champions League noch weiter aufgebläht - und dort die Anzahl der Spiele ab 2024 mal eben verdoppelt. Darum geht es FIFA wie UEFA: mehr Spiele und mehr Vermarktung, mehr Macht und mehr Geld.

Die Kommentare aus Afrika tun ihm weh

Auch Infantino ist nicht vom Leitmotiv getrieben, die Lebenssituation benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu verbessern, sondern mit der Ausweitung des Weltturniers auf 48 Teams ab 2026 und dann vielleicht einer Verkürzung der WM-Austragung alle zwei Jahre will er den Profit und Einfluss seiner Organisation stärken - und der UEFA einen Denkzettel verpassen. Dass er seine deplatzierten Afrika-Äußerungen zu dem ungelösten Migrationsproblem vor dem Europarat anbrachte (und zugleich in Sachen Menschenrechte in Katar abwiegelte), zeigt eigentlich nur, wie dreist er vorgeht, um seine Interessen durchzubringen.

Auch seine Entschuldigung macht nichts besser: Das Statement solle jetzt auf einmal ein "allgemeiner Kommentar" gewesen sein? Das ist eine billige Ausrede. Die bittere Wahrheit ist, dass der ranghöchste Fußball-Funktionär aufs Äußerste entschlossen ist, den widerspenstigen Europäern und den mit ihnen verbundenen Südamerikanern seine Planspiele aufzudrücken. Dass ihn auch bitterböse Kommentare aus Afrika erreichten, dürfte Infantino dabei am meisten schaden. Denn ohne deren Stimmen kriegt er seine Reform niemals durch.