Die Spielerinnen, die beim Spiel gegen Dänemark nicht in der Startelf waren, stehen rund um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (4.v.r.).

Deutschland gegen Finnland Voss-Tecklenburg setzt auf Rotation in "Balance"

Stand: 16.07.2022 09:43 Uhr

Sportlich ist das abschließende Gruppenspiel von Deutschland gegen Finnland für die DFB-Frauen ohne Wert. Die Chance für Spielerinnen aus der zweiten Reihe - oder geht dann der Rhythmus verloren? Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg will auf das Gleichgewicht achten. Der Viertelfinal-Gegner steht bereits fest: Es geht gegen Österreich.

Von Florian Neuhauss (Milton Keynes)

"Wir freuen uns auf ein Nachbarschaftsduell", sagte Voss-Tecklenburg nach dem 1:0-Sieg Österreichs gegen Norwegen. "Wir kennen viele Spielerinnen aus der Bundesliga." Doch alle Augen auf den Viertelfinalgegner will die 54-Jährige erst richten, wenn das Spiel gegen Finnland heute Abend (16.07.2022/21 Uhr MESZ) vorbei ist. Und nicht zuletzt für sie selbst hat das Duell mit den bisher punktlosen Nordeuropäerinnen seine Tücken.

In Lena Oberdorf und Felicitas Rauch fehlen zwei Spielerinnen, die in den beiden ersten Gruppenspielen in der Anfangsformation standen, gelbgesperrt. Auch Spielmacherin Lina Magull (Oberschenkelprobleme) ist nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Und womöglich könnten auch andere Spielerinnen eine Verschnaufpause gebrauchen. "Wir haben ein paar Ausfälle, die wir verkraften müssen. Aber das können wir kompensieren. Die Breite des Kaders gibt das absolut her", sagte MVT und fügte hinzu: "Wir werden einiges verändern müssen, werden aber nicht alles verändern."

Erste Einsätze für Doorsoun, Anyomi und Freigang geplant

Schon nach dem Auftaktspiel hatte die Bundestrainerin betont, alle 23 Spielerinnen einsetzen zu können. Mittlerweile haben 18 von ihnen gespielt. Zieht man die beiden Ersatztorhüterinnen ab, warten nur noch Sara Doorsoun, Nicole Anyomi und Laura Freigang (alle Eintracht Frankfurt) auf ihren ersten Einsatz. Und alle drei sollen gegen Finnland die ersten Minuten bekommen. "Das ist Plan A", sagte Voss-Tecklenburg am Freitagabend bei der Pressekonferenz im Spielort Milton Keynes. Da sie allerdings darauf hinwies, dass dies auch vom Spielverlauf abhänge, sind sie wohl eher als Jokerinnen eingeplant.

Waßmuth: "Haben 23 supergute Spielerinnen"

Durch die Leistungen nach ihren Einwechslungen haben sich andere bereits für mehr empfohlen. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass das Niveau abgesunken wäre, wenn gewechselt worden ist", sagte Jule Brand, die zwei Joker-Einsätze hatte. "Wir haben das Niveau aufrechterhalten und uns immer neue Chancen erspielt."

Und auch Tabea Waßmuth, deren Tor gegen Spanien in ihrem ersten EM-Einsatz wegen Abseits nicht zählte, glaubt an die Stärke (von) der Bank: "Jede, die reinkommt, kann das Spiel verändern. Das kann auf jeden Fall eine Waffe werden. Und es ist total cool, dass wir dieses Privileg haben, dass wir 23 supergute Spielerinnen haben."

Finnland vor Augen, Viertelfinale im Kopf

Wie auch immer man es dreht: Das Team hat das abschließende Gruppenspiel vor Augen, muss aber schon das Viertelfinale gegen Österreich am kommenden Donnerstag (21.07.2022/21 Uhr MESZ, live im Ersten und bei sportschau.de) im Kopf haben. Wie viel Rotation kann sie dem Team zumuten, ohne dass es aus dem Tritt kommt? Und wie viel Rotation muss sein, um Kräfte für die K.o.-Spiele zu sparen?

Wir werden das Spiel mit viel Freude und Energie angehen und dann wieder nach Brentford zurückkehren, um den nächsten Schritt zu machen.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

"Es wird eine Balance geben, indem wir möglichst viele aus der Startelf starten lassen", kündigte die Bundestrainerin für das letzte Gruppenspiel an. Sie erwartet, dass sich die Finninnen "anständig aus dieser EM verabschieden wollen". Ihre Mannschaft werde das Spiel "mit viel Freude und Energie angehen und dann wieder nach Brentford zurückkehren, um den nächsten Schritt zu machen".

Kleinherne und Lattwein vor EM-Startelfdebüt

Nachhaltig empfohlen hat sich für ihr EM-Startelfdebüt Sophia Kleinherne. Ab der 62. Minute für Rauch auf die Position der Linksverteidigerin gerückt, zeigte die Frankfurterin gegen Spanien (2:0) einen sehr beherzten Auftritt, gab keinen Ball verloren und gewann einen Großteil ihrer Zweikämpfe. "Ich wollte da sein, wenn ich die Chance bekomme", verriet die 22-Jährige und fügte lächelnd hinzu: "Ich bin happy."

Auch wenn Kleinherne betonte, "in Stein gemeißelt ist noch nicht, dass ich gegen Finnland anfange", dürfte an ihr genauso kein Weg vorbeiführen wie an Lena Lattwein. Die Wolfsburger Mittelfeldspielerin wirkte in den beiden ersten Spielen als Joker, als wäre sie ein alter Hase und kein EM-Neuling. Ihre Torpremiere feierte sie schon gegen Dänemark (4:0). Den Kreativpart von Magull dürfte Linda Dallmann übernehmen, die bereits bei der EM vor fünf Jahren ihre ersten Einsätze hatte.

Torjägerin Lea Schüller fehlt weiterhin nach ihrer Corona-Infektion, ihr Testergebnis am Freitag war nach DFB-Angaben noch positiv. Auch Sydney Lohmann (Kniebeschwerden) fällt höchstwahrscheinlich weiter aus.

Andere Mittel als gegen Dänemark und Spanien gefordert

Nach der beeindruckenden Defensivleistung der Mannschaft gegen Spanien sagte Voss-Tecklenburg: "Wir haben den richtigen Fight und Spirit gezeigt. Gegen Finnland werden wir andere Mittel brauchen." Auch das Duell mit den eigentlich spielstarken Däninnen ist mit dem dritten Gruppenspiel nicht vergleichbar.

Gegen einen sicher tiefstehenden Gegner braucht es Tempo im Spiel. Dafür haben in den beiden ersten Partien besonders Svenja Huth und Klara Bühl gesorgt. Huth hat 180 anstrengende Minuten in den Beinen. Bühl verließ gegen Spanien bereits nach 61 Minuten das Feld, war bis dahin aber schon zehn Kilometer gelaufen und hatte sagenhafte 29 Zweikämpfe bestritten. Damit ließ die Linksaußen sogar Abräumerin Lena Oberdorf (23) weit hinter sich, obwohl diese bis zur 84. Minute auf dem Feld stand. Hier könnten Brand und Waßmuth ins Spiel kommen.

Abwehrchefin Hegering droht Gelb-Sperre in K.o.-Runde

Aber es lauert auch noch die "gelbe Gefahr": Abwehrchefin Marina Hegering würde bei einer weiteren Gelben Karte das Viertelfinale verpassen. Auflaufen wird die Neu-Wolfsburgerin aber offensichtlich trotzdem. "Sie kennt die Situation und muss damit umgehen", erklärte Voss-Tecklenburg. In Rauch fehlt der Bundestrainerin bereits ein Glied ihrer Viererkette. Wie auch immer sich die Bundestrainerin beim Personalpuzzle entscheiden mag, eines steht fest. "Wir wollen die Euphorie mitnehmen", sagte Merle Frohms. Die Torhüterin dürfte ihren Platz in der Startformation sicher haben.

Mögliche deutsche Startelf gegen Finnland

Frohms - Gwinn, Hendrich, Hegering, Kleinherne - Dallmann, Lattwein, Däbritz - Brand, Popp, Huth

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:15 Uhr