Start der Frauen-Bundesliga Almuth Schult und die Frauen-Bundesliga - Hoffen auf mehr Sichtbarkeit

Stand: 25.08.2021 10:28 Uhr

Almuth Schult spielt seit 2013 als Torhüterin beim VfL Wolfsburg, der seitdem fünf Mal die Meisterschaft in der Frauen-Bundesliga gewann. Die 30-Jährige spricht im Sportschau-Interview über die Titelfavoriten, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erwartungen an eine Saison, die mit mehr Sichtbarkeit für die höchste deutsche Frauen-Spielklasse verbunden ist.

Sportschau: Am Wochenende startet die Frauen-Bundesliga in die neue Saison. Wie sehr schmerzt es Sie, dass Sie wegen einer strukturellen Verletzung in der Wade dem VfL Wolfsburg noch mehrere Wochen fehlen werden?

Almuth Schult: Natürlich hätte ich gerne begonnen. Es ist für jede Bundesligaspielerin das Ziel, auf dem Platz zu stehen, aber ich werde mich jetzt gedulden. Ich denke, dass ich eine gute Vorbereitung gespielt habe. Verletzungen kommen immer zu einem blöden Zeitpunkt. Mehrere Wochen ist ja auch ein dehnbarer Begriff. Ich freue mich darauf, eine komplette Saison bei der Mannschaft zu sein.

Sportschau: Die Frauen-Bundesliga erlebt ein Novum, weil künftig jedes Spiel fernsehtauglich produziert und über verschiedenste Plattformen sichtbar gemacht wird. Ist das der häufig geforderte Meilenstein?

Schult: Es ist der erste Meilenstein. Ich bin gespannt, in welcher Professionalität die Übertragungen gemacht werden, und wie es auch genutzt wird – das ist ja die nächste Frage. Das wird die Attraktivität erhöhen, auch für Sponsoren. Und wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren noch einen Schritt machen können, dass es vielleicht auch eine Highlight-Show irgendwo zu sehen gibt. Und wir hoffen, dass die ARD ihr Recht nutzt, um auch Live-Spiele in den Regionalprogrammen zu übertragen.

Sportschau: Aus Ihrer Sicht ist das also nur ein Anfang?

Schult: Wir wollen gerne noch den nächsten Schritt machen. Wir sind von dem englischen Fernsehvertrag (Sky Sports und BBC sicherten sich die Übertragungsrechte für die Women's Super League, Anm. d. Red.) noch weit entfernt, aber natürlich sind wir über die Entwicklung gerade gegenüber anderen Frauensportarten in Deutschland sehr glücklich. Aber wenn man sagen würde, man ist damit zufrieden, würde man lügen.

Sportschau: Hat das Prädikat der Frauen-Bundesliga als beste Liga der Welt ausgedient?

Schult: Ich unterscheide da gerne zwischen der Professionalität und der Qualität der Ligen. Man hat in den letzten Jahren gesehen, dass die Frauen-Bundesliga international immer noch mithalten kann, Bayern München war im Champions-League-Halbfinale. Von daher ist die Liga genau wie die Nationalmannschaft noch konkurrenzfähig, aber wir haben an Vorsprung verloren, wir könnten schon weiter sein. England hat sich seit dem dritten Platz bei der WM 2015 den Ruf als Liga mit dem besten Ausblick sportlich und wirtschaftlich erarbeitet. Auch die amerikanische Liga ist so organisiert, dass die Spielerinnen vom Fußball leben können. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Diese beiden Ligen sind für mich in der Struktur die Vorreiter. Wir müssen dahin kommen, dass in allen Klubs die Spielerinnen professionell spielen können, ohne nebenbei einer anderen Tätigkeit nachzugehen, denn dann wird es auch besseren Wettbewerb geben.

Sportschau: Wie wird sich Ihres Erachtens die Corona-Krise und die TV-Präsenz auf den Zuschauerschnitt der Frauen-Bundesliga auswirken?

Schult: Es ist unglaublich wichtig, Zuschauer im Stadion zu haben, weil wir Emotionen mit den Fans teilen wollen. Ich glaube nicht, dass das Fernsehangebot die Leute davon abhält. Jetzt hoffen wir darauf, dass möglichst viele Leute wieder Live-Sport sehen wollen, die in der Corona-Krise nicht kommen konnten. Selbst wenn wir in allen Stadien ja nur 50 Prozent Auslastung hätten, würde es unserem Zuschauerschnitt guttun.

Sportschau: Seit 2014/2015 teilen sich der FC Bayern und VfL Wolfsburg die Meisterschaft auf. Würden Sie bejahen, dass es keine anderen Titelkandidaten gibt?

Schult: Ja, so wird es sein. Auch der Dritte TSG Hoffenheim hat viele Stammspielerinnen verloren, unter anderem an uns (Tabea Waßmuth und Lena Lattwein, Anm. d. Red.). Die professionellen Bedingungen sind in München und bei uns herausragend, das gibt es bei den anderen Vereinen so nicht.

Sportschau: Wäre Eintracht Frankfurt ein Anwärter, der als erstes in die Phalanx von Wolfsburg und Bayern eindringt?

Schult: Sie sind auf jeden Fall ein Kandidat. Eintracht Frankfurt hat mit dem Erreichen des Pokalfinals gezeigt, was an Potenzial vorhanden ist. Es kommt nicht nur darauf an, wie viel Geld in die Mannschaft gesteckt wird, sondern welch professionelle Bedingungen geschaffen werden. Der nächste Verein, der sich das auf die Fahnen geschrieben hat, ist der 1. FC Köln - da bin ich auch sehr gespannt. Die TSG Hoffenheim spielt mit vielen Talenten einen guten Ball, Turbine Potsdam ist nie zu vernachlässigen, und auch Bayer Leverkusen hat gezeigt, dass mit ihnen zu rechnen ist.

Sportschau: Was ist vom VfL Wolfsburg nach dem Umbruch im Kader mit dem neuen Trainer Tommy Stroot zu erwarten?

Schult: Es ist immer etwas Neues, wenn das Trainerteam komplett wechselt und eine neue Philosophie mitbringt. Wir haben dazu frischen Wind im Kader bekommen. Ich bin gespannt, wie wir die Idee des Trainers nach wenigen Wochen Vorbereitung auf den Platz bekommen. Es tut auch mal gut, wenn Veränderungen da sind. Tommy Stroot ist ein akribischer Arbeiter, fast ein Perfektionist, aber auch ein empathischer Mensch, der alle mit ins Boot nimmt.

Sportschau: Bis auf eine Ausnahme beim Aufsteiger Carl Zeiss Jena mit Anne Pochert als Cheftrainerin arbeiten wieder ausnahmslos Männer auf den Trainerbänken in der Frauen-Bundesliga.

Schult: Es ist tatsächlich schade, dass es nicht mehr Frauen geworden sind. Ich finde schön, dass wir zwei Co-Trainerinnen (Kim Kulig und Sabrina Eckhoff, Anm. d. Red.) beschäftigen, dazu kommt eine Torwarttrainerin (Alisa Vetterlein, Anm. d. Red.) und unser Scout Eva-Maria Virsinger. Unser Trainerteam ist also divers, deshalb fällt es bei uns nicht so auf, dass keine Cheftrainerin da ist. Es hängt damit zusammen, dass wir kein 50:50-Verhältnis beim Angebot haben. Frauen sind in den letzten 20 Jahren bei der Trainerausbildung nicht so unterstützt worden, wie es hätte sein können, aber man hat das Gefühl, dass sich etwas verändert. Ich hoffe, dass auch in den drei Männer-Ligen die Tür immer mehr geöffnet wird, und vielleicht kriegen wir irgendwann auch mal eine Cheftrainerin im Männerfußball.

Sportschau: Wie sehr freut es Sie beim Thema Gleichberechtigung, dass Borussia Dortmund ein Frauenteam gegründet hat?

Schult: Das ist das richtige Signal, mehr als 1.000 Zuschauer bei der Eröffnung sind überragend. Es hatten sich viele Frauen fürs Probetraining beworben. So ein Verein polarisiert einfach. Bei der Entscheidung, dass die Frauen dabei ganz unten auf Kreisebene anfangen, waren die Fans eingebunden. Wenn es so weitergeht, freuen wir uns, den BVB in acht oder zehn Jahren in der Frauen-Bundesliga begrüßen zu können. Jeder muss seinen Weg finden. Wichtig ist, dass Frauenfußball überhaupt ermöglicht wird. Es geht um ein Angebot für alle in der Gesellschaft.

Sportschau: Ist eine Zwölfer-Liga überhaupt noch zeitgemäß, wenn immer mehr Lizenzvereine beim Frauenfußball ernst machen?

Schult: Wenn es von der Breite her Sinn macht, die Liga zu erweitern, kann man auf jeden Fall drüber sprechen. Aber jetzt sind wir noch nicht in dieser Leistungsdichte. Derzeit sind wir noch weit weg, dass bei den zwölf Vereinen in der Liga dieselben Bedingungen herrschen.

Sportschau: Noch immer arbeiten aber die Frauen-Bundesligisten unter dem Dach eines Männer-Lizenzvereins beileibe nicht kostendeckend: Erträge von rund einer Million Euro stehen Aufwendungen von gut zwei Millionen Euro entgegen.

Schult: Ich sehe den Fußball immer auch als eine gesellschaftliche Aufgabe an. Ich wette, dass die Jugendarbeit bei vielen Vereinen auch ein Zuschussgeschäft ist. Wenn man ein Startup-Unternehmen für eine breite Masse interessant machen und eine größere Sponsorenvielfalt erreichen will, muss man Geld investieren, um später mehr herauszuholen. Die englische Liga hat gerade diese Erfahrung gemacht.

Sportschau: Wie sehr hilft jetzt die Reform der UEFA Women’s Champions League mit einer Gruppenphase und einer zentralen Vermarktung?

Schult: Gerade die zentrale Vermarktung und die festen Anstoßzeiten werden uns helfen, da schon in der Gruppenphase mehr Spiele auf hohem Niveau ermöglicht werden. Ein Fazit können wir erst nach der Saison ziehen, aber es war ein notwendiger Schritt, um den internationalen Frauenfußball zu stärken.

Sportschau: Wie wichtig ist Ihnen die Saison persönlich? Sie wollen nicht nur den Stammplatz beim VfL Wolfsburg zurück, sondern auch als Nummer eins der Frauen-Nationalmannschaft bei der EM in England 2022 im Tor stehen.

Schult: Es ist das Allerwichtigste, dass ich meine Leistung konstant bringe. Ich werde mich nach der Verletzung wieder reinkämpfen und ganz sicher meine Spiele bekommen. Es hängt ja nicht nur von mir ab, dass ich wieder in der Nationalmannschaft spiele. Natürlich möchte ich beim nächsten Turnier wieder dabei sein, aber das oberste Ziel ist es, an alte Leistungen anzuknüpfen.

Sportschau: Hat sich die Doppelbelastung als Zwillingsmama und Fußballprofi inzwischen so weit eingespielt, dass Sie sagen, es klappt eigentlich ganz gut?

Schult: Das erste Jahr ist mit der Familie und den Kindern ungefähr so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben – wir haben das super hinbekommen. Ich hatte es mir leichter vorgestellt, im Leistungssport auf das alte Niveau zu gelangen. Ich habe tatsächlich ein Jahr nach der Entbindung gebraucht, bis ich sagen konnte: ‚Ich bin Herr meines eigenen Körpers‘. Die Hormonumstellung ist nicht zu vernachlässigen, gerade mit zwei Kindern.

Sportschau: Haben die Kinder eigentlich schon begriffen, warum Mama so oft weg ist?

Schult: Dass sie zur Arbeit geht, genauso wie der Papa auch. Das wird ihnen auch genauso gesagt, wenn ich mich frühmorgens verabschiede. Oft winken sie dann fröhlich. Sie lieben die Omas und Opas, in der Kita zu sein, mit Tanten und Onkeln. Genauso soll es sein, dass Kinder verschiedene Bezugspersonen haben.

Sportschau: Sie haben reichlich Komplimente für ihre Rolle als ARD-Fernsehexpertin bekommen. Hat das ihre öffentliche Wahrnehmung verändert?

Schult: Es freut mich natürlich sehr, dass viele Menschen mit meinem Job zufrieden waren. Es war auch ein Ziel, das Vorurteil zu widerlegen, dass Frauen vom Fußball keine Ahnung haben. Ich hoffe, dass viele Frauen in diese Sparte drängen. Ich merke an den Medienanfragen, dass viele auf mich aufmerksam geworden sind. In meinem Alltag hat sich aber nicht viel verändert, in meiner Gegend kennen mich die Leute seit Jahren. Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, so etwas noch einmal zu machen.

Sportschau: Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat sich derweil für eine Frau an der Spitze entschieden: Donata Hopfen wird in die Fußstapfen von Christian Seifert treten. Sie gehören der Initiative der neun Frauen an, die unter dem Slogan 'Fußball kann mehr' einige Veränderungen angestoßen hat. Wie haben Sie darauf reagiert?

Schult: Ich kenne Frau Hopfen nicht persönlich, aber ich freue mich, dass die DFL einer Frau das Vertrauen schenkt. Der Job wird ganz sicher stressig, und sie wird viele Kämpfe ausfechten müssen, aber das musste Herr Seifert auch tun. Ich hoffe, dass ich sie mal kennenlerne und ihr viele Frauen nachstreben.

Das Interview führte Frank Hellmann

Zur Person

Almuth Schult hat bislang 164 Spiele in der Frauen-Bundesliga und 64 Einsätze für die Frauen-Nationalmannschaft bestritten. Die Torhüterin des VfL Wolfsburg war im Januar 2021 nach 18 Monaten im Anschluss an eine Schulter-OP und ihre Schwangerschaft auf den Platz zurückgekehrt, hatte den DFB-Pokal gewonnen und strebt auch ein Comeback bei den DFB-Frauen an. Mit acht anderen Frauen hat die 30-Jährige vor drei Monaten das Positionspapier "Fußball kann mehr" veröffentlicht. Die Initiative fordert einen radikalen Strukturwandel im Deutschen Fußball-Bund (DFB) samt Frauenquoten.