Argentiniens Keeper Emiliano Martinez feiert den Sieg über Australien

FIFA WM 2022 Am Ende einer langen Reise - Argentinien-Held Martínez

Stand: 08.12.2022 14:03 Uhr

Jahrelang wurde Emiliano Martínez vom FC Arsenal bei anderen Klubs geparkt. Sechs Ausleihen in sieben Jahren hatte der Torhüter hinter sich, bevor er 2020 fest zu Aston Villa wechselte. Dort begann der steile Aufstieg des Argentiniers, der bei der WM in Katar nun am nächsten Kapitel seines persönlichen Fußball-Märchens schreibt.

Martínez muss sich am Samstag (03.12.2022) im Achtelfinal-Duell der "Albiceleste" mit Australien wie in einem falschen Film gefühlt haben. Bis zur 77. Minute war der 30-Jährige von den "Socceroos" kein einziges Mal ernsthaft geprüft worden, dann zappelte der Ball plötzlich hinter ihm im Netz. Sein Teamkamerad Enzo Fernández hatte einen Distanzschuss von Craig Goodwin unhaltbar für Martínez abgefälscht - der 1:2-Anschlusstreffer für Australien.

Ging das jetzt schon wieder los? Bereits im Auftaktspiel Argentiniens gegen Saudi-Arabien (1:2) war der Schlussmann nahezu beschäftigungslos gewesen, hatte aber die einzigen beiden nennenswerten Abschlüsse der Araber passieren lassen müssen. "Danach habe ich sehr gelitten und konnte nicht schlafen", erzählte Martínez später.

Dass Australien für Argentinien nicht zum zweiten Saudi-Arabien wurde, war dann das Verdienst des Keepers. Mit einer Glanzparade in der letzten Minute der Nachspielzeit gegen Garang Kuol rettete er den 2:1-Erfolg und stahl damit Superstar Lionel Messi bei dessen 1.000 Profi-Einsatz kurzfristig die Show.

Messi lobt Martínez in höchsten Tönen

"Für mich ist er einer der besten Torhüter der Welt", sagte Messi anschließend über Martínez, hinter dem ein steiniger Weg liegt. Dass der aus dem Seebad Mar del Plata stammende Schlussmann einmal bei einer WM das Gehäuse der "Albiceleste" hüten würde, war lange nicht abzusehen. Denn auf Vereinsebene blieb "Dibu", wie der 30-Jährige in Anlehnung an eine Comicfigur aus einer argentinischen Telenovela gerufen wird, der Durchbruch bis 2019 verwehrt.

Wechsel von Arsenal zu Aston Villa

Erst beim FC Reading, für den er in der Serie 2018/2019 ein halbes Jahr spielte, war Martínez als Stammtorwart gesetzt und zeigte herausragende Leistungen. Die Konkurrenz nahm davon Notiz, beim FC Arsenal saß er unter Coach Unai Emery nach seiner Rückkehr zu den "Gunners" dennoch wieder auf der Bank. Erst als sich Bernd Leno in der Schlussphase der Saison verletzte, durfte Martínez für acht Partien zwischen die Pfosten der Londoner.

Es sollten seine letzten Einsätze für den Klub sein, zu dem er 2010 mit großen Hoffnungen als Jugendlicher gekommen war und der ihn danach an sechs Vereine verlieh. Zur Saison 2020/2021 wechselte der 1,95 Meter große Keeper zu Aston Villa. Die "Villans" überwiesen 21,5 Millionen Euro für ihn an Arsenal. Es war die höchste Ablösesumme, die je für einen argentinischen Torwart bezahlt wurde.

Steiler Aufstieg seit 2020

Birmingham statt London, Stammplatz statt Ersatzbank: Für Martínez begann ein neuer Lebensabschnitt. Bei Villa kam er in seiner Debüt-Serie auf 38 Einsätze und absolvierte damit in einer Saison mehr Profi-Pflichtspiele als in allen Jahren zuvor. Mit seinen konstant guten Leistungen eroberte der Keeper nicht nur die Herzen der Fans, die ihn zum Spieler der Saison wählten. Er beeindruckte auch Nationaltrainer Lionel Scaloni.

Argentiniens Keeper Emiliano Martinez pariert gegen Australien

Emiliano Martínez (l.) spielt erst seit eineinhalb Jahren für Argentiniens Nationalteam.

Anfang Juni 2021 debütierte Martínez für die "Albiceleste". Rund einen Monat später triumphierte er mit seinem Heimatland bei der prestigeträchtigen Südamerikameisterschaft. Als Stammtorwart hatte der 30-Jährige großen Anteil am 15. Erfolg Argentiniens bei der Copa América. Martínez wurde zum besten Keeper des Turniers in Brasilien gekürt.

Keeper nach Pleite gegen Saudi-Arabien verzweifelt

28 Jahre lang hatte Argentinien auf diesen Titel warten müssen. Und er nährte die Hoffnungen, nun in Katar auch erstmals seit 1986 wieder die Weltmeisterschaft gewinnen zu können. Dann aber kam das Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien. Im ersten Abschnitt lief mit Ausnahme von drei Abseitstreffern noch alles nach Plan für die Südamerikaner. Zur Pause führten sie mit 1:0 und Martínez hatte nicht einmal ernsthaft eingreifen müssen. Was dann folgte, ließ ihn verzweifeln.

"Sie haben zweimal aufs Tor geschossen und zweimal getroffen. Das war schwer zu respektieren für mich", erklärte der 30-Jährige. Er habe 45 Millionen Argentinier enttäuscht, befand der Keeper, obwohl er an beiden Gegentreffern schuldlos war.

Martínez arbeitet mit Psychologen zusammen

Die Niederlage setzte Martínez schwer zu. Er suchte das Gespräch mit seinem Psychologen, mit dem er bereits seit vier Jahren zusammenarbeitet. "Er bereitet mich auf jedes Spiel vor. Das hat mich sehr verändert. Ich bin seitdem viel fokussierter", erklärte der Schlussmann der Zeitung "El Pais". Mentale Stärke war von ihm und seinen Teamkameraden nach der Pleite gegen Saudi-Arabien auch gefordert, drohte dem Titelkandidaten doch das Vorrunden-Aus.

Argentinien hielt dem Druck stand. Mexiko und Polen wurden jeweils mit 2:0 bezwungen. Martínez musste in beiden Partien nicht oft eingreifen. Auch im Achtelfinale gegen Australien war der 30-Jährige weitgehend beschäftigungslos. Als es dann aber in der Schlussminute auf ihn ankam, war er hellwach.

"Ich will in diesem Trikot Geschichte schreiben"

"Er ist ein Tier", lobte Eigentorschütze Fernández anschließend den Torwart. Mittelfeldakteur Leandro Paredes bezeichnete ihn als "Phänomen". Und auch argentinische Medien überschütteten Martínez mit Lob. Das Bild mit seiner Glanztat gegen Kuol wurde unzählige Mal veröffentlicht. Dabei war es doch nur eine Parade im Achtelfinale. Aber eben eine Parade auf dem Weg zum ganz großen Ziel: dem WM-Sieg.

"Ich werde weiter hart arbeiten und mich anstrengen, weil ich in diesem Trikot Geschichte schreiben will", erklärte Martínez. Dass die Niederlande am Freitag (09.12.22, 20 Uhr MEZ) ein anderes Kaliber als Australien sind, ist dem 30-Jährigen natürlich bewusst. "Sie sind eine Mannschaft mit großen technischen Qualitäten", sagt der Keeper über den nächsten Gegner. "Aber das sind wir auch", ergänzte Martínez selbstbewusst.