Amnesty International hält einen Boykott der Fußball-WM in Katar 2022 für nicht sinnvoll.

Entschädigung für Gastarbeiter? FIFA deutet Gesprächsbereitschaft an

Stand: 17.10.2022 19:49 Uhr

Menschenrechtsorganisationen fordern einen Entschädigungsfonds für Menschen, die bei den Vorbereitungen für die WM in Katar ausgebeutet wurden. Die FIFA bestätigt nun "Gespräche".

FIFA-Sprecher Bryan Swanson bestätigte am Montag (17.10.2022) laufende Gespräche "über Initiativen, von denen Gastarbeiter in Katar noch weit nach der WM profitieren werden". Weitere konkrete Informationen gab es nicht. Internationale Menschenrechtsorganisationen fordern von den WM-Machern seit Monaten die Bereitstellung einer Entschädigungssumme in Höhe von 450 Millionen Dollar (umgerechnet rund 460 Millionen Euro), was dem Gesamtpreisgeld für die Teams der WM entspricht.

Zahlreiche Fälle der Ausbeutung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern im Zuge der Vorbereitungen der WM-Infrastruktur sind dokumentiert. Dabei geht es um unrechtmäßig erhobene Gebühren bei der Vermittlung, die Anwendung des offiziell abgeschafften Kafala-Systems, nicht gezahlte Löhne, Verletzung und Tod.

Ergebnisse über Gespräche "zu gegebener Zeit"

Wie Swanson auf einer Pressekonferenz mitteilte, befinde sich die FIFA gemeinsam mit der Internationalen Arbeiter-Organisation der Vereinten Nationen (ILO) sowie dem internationalen Gewerkschaftsbund in Gesprächen. Daran seien auch zuständige Behörden aus Katar beteiligt. Über Ergebnisse wolle die FIFA "zu gegebener Zeit" informieren. Katarische Vertreter auf dem Podium reagierten auf die entsprechende Frage einer Journalistin nicht, nur der FIFA-Sprecher äußerte sich.

Die ILO steht allerdings ebenfalls in der Kritik. Es gibt Vorwürfe, dass Katar Einfluss auf Personalentscheidungen bei der ILO nehmen konnte. Die ILO wird von der FIFA und von Katar als Kronzeuge herangezogen, wenn es darum geht, auf Verbesserungen und Reformen hinzuweisen. "Katar hat das Kafala-System abgeschafft. Das ist ein Meilenstein. Das ist ein Game Changer. Und das sage nicht ich. Das sagt die ILO", verkündete FIFA-Präsident Gianni Infantino beim FIFA-Kongress 2020. In einer Zusammenarbeit erhält die ILO jährlich 25 Millionen US-Dollar jährlich.

Erste Hinweise für eine veränderte FIFA-Haltung zu dem Thema hatte in der vergangenen Woche ihr stellvertretender Generalsekretär Alasdair Bell gegeben. In einer Anhörung vor zwei Ausschüssen des pankontinentalen Europarates in Straßburg bestätigte Bell "Interesse" seiner Organisation an der Gründung eines solchen Fonds: "Es ist definitiv etwas, das wir vorantreiben wollen", sagte Bell vor den Politikern, schränkte aber ein. "Es ist nicht die einfachste Sache, es umzusetzen."

Forderung auch von Nationalverbänden

Zuletzt hatten mehrere Nationalverbände, darunter der DFB, ebenfalls einen Entschädigungsfonds gefordert. Eine UEFA-Arbeitsgruppe stellte der FIFA zudem ein Ultimatum, sich bis Ende Oktober des Themas anzuunehmen. Auch die Bundestagsfraktion der Grünen schloss sich der Forderung nach Entschädigungen an.

In Katar gibt es weiterhin eine große Intransparenz im Umgang mit Todeszahlen durch die katarische Regierung. Laut Statistiken aus Katar sind mehr als 15.000 Menschen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit seit der WM-Vergabe 2010 gestorben. Wie viele Opfer davon im Zusammenhang mit WM-Projekten stehen, wird nicht veröffentlicht. Laut FIFA sind lediglich drei Arbeiter explizit aufgrund von Arbeitsunfällen beim Stadionbau gestorben.

Katar und FIFA seit der Vergabe in der Kritik

Katar und die FIFA stehen seit der WM-Vergabe 2010 in der Kritik, und das nicht nur wegen der Ausbeutung von Arbeitskräften. Die Vergabe kam mutmaßlich unter Korruption zustande, Homosexuelle werden in dem Land kriminalisiert und diskriminiert. Infantino bekräftigte mehrfach, dass "jeder Mensch willkommen" sei.