Fußball | Europa League Europa League: Celtic und der "Angeball" - sie fremdeln noch

Stand: 30.09.2021 07:00 Uhr

Celtic Glasgows neuer Trainer Ange Postecoglou lässt Fußball spielen, den Pep Guardiola liebt. Doch in Schottland fremdeln sie noch mit "Angeball". Nun wartet in der Europa League Bayer Leverkusen.

Natürlich waren die Schwärmereien von Pep Guardiola mit einiger Vorsicht zu betrachten. So ist das eben, wenn sich einer das Schwärmen zur täglichen Aufgabe gemacht hat. Auch diesmal, an einem Tag im Juli vor drei Jahren, schwärmte Guardiola. Gerade hatte er mit Manchester City ein Freundschaftsspiel gegen die Yokohama Marinos gewonnen. Nun war er beeindruckt.

Guardiola sagte, Yokohama habe "unglaublichen Fußball" gespielt. Tatsächlich finden sich noch Statistiken zu diesem eigentlich unbedeuteten Spiel zwischen zwei Klubs, die damals noch durch die City Football Group (CFG) miteinander verbandelt waren. Yokohama hatte knapp 60 Prozent Ballbesitz, und sie spielten einen offensiven Fußball, mit vielen kurzen Pässen. Es war das Werk des Trainers Ange Postecoglou.

Der australische Journalist Scott McIntyre hat der BBC einmal erzählt, Guardiola und Postecoglou seien sich nach dem Abpfiff noch einmal begegnet. Und Guardiola habe gesagt, wie Postecoglou da habe spielen lassen, das sei "die Art von Fußball, von der ich träume."

Wahrscheinlich hätte man diese Anekdoten längst vergessen, hätte nicht Celtic Glasgow im Sommer Postecoglou als neuen Trainer vorgestellt. Hinter Schottlands Rekordmeister lag da eine Spielzeit ohne Titel, das hatten sie bei Celtic lange nicht erlebt. Und nun sollte es ausgerechnet Postecoglou, 56, richten - ein Australier ohne Erfahrung als Trainer im britischen Fußball?

"Angeball" - eine Fußball-Ideologie, benannt nach Postecoglou

Jedenfalls stürzten sich schottische Medien in diesen Tagen im Juni geradezu auf Guardiolas Schwärmereien, sie vergaßen auch nie zu erwähnen, dass dieser Postecoglou schon einige Titel gewonnen hatte. Mit Yokohama hatte er nicht nur Guardiola begeistert, er war auch japanischer Meister geworden. In seiner Amtszeit als Nationaltrainer gewann Australien die Asienmeisterschaft. Doch seine erfolgreichste Zeit hatte er als Trainer von Brisbane Roar.

Zweimal wurden Brisbane und Postecoglou gemeinsam Meister, einmal blieben sie in 36 aufeinanderfolgenden Spielen ohne Niederlage. Wie Brisbane spielte, das war nicht nur erfolgreich, es war auch nett anzusehen. Auch hier war der Fußball offensiv angelegt und kurze, scharfe Pässe waren gern gesehen, auch Pressing spielte eine Rolle. Sie nannten es "Angeball" - eine Fußball-Ideologie, benannt nach dem Trainer.

Sportschau-Experte Broich war Teil von "Roarcelona"

Spielmacher in Brisbane war in dieser Zeit Thomas Broich, 40, heute ist er Sportschau-Experte. Postecoglou habe sich damals von "den Ideen von Pep Guardiola und vom Spiel des FC Barcelona inspirieren lassen", sagt Broich. In Australien war dann auch oft die Rede von "Roarcelona".

Derzeit wirkt es, als seien Fans und Medien in Schottland noch unentschlossen, was sie vom Trainer Postecoglou und seiner Idee vom Fußball halten sollen. Der Saisonstart war durchwachsen, um es vorsichtig auszudrücken. Die Champions League verpasste Celtic, in der 2. Runde der Qualifikation war der FC Midtjylland zu gut. Und in der Liga ist der Klub nach sieben Spielen nur Sechster, der Rückstand auf den Rivalen und Spitzenreiter Rangers beträgt sechs Punkte.

Am vergangenen Wochenende hatte Celtic nur remis gegen Dundee United gespielt. Als Postecoglou anschließend zur Analyse gebeten wurde, sah er einigermaßen zerknirscht aus. Natürlich sei er enttäuscht, sagte Postecoglou. Seine Mannschaft habe sich "Chancen für mehrere Spiele" herausgespielt, aber eben nur ein Tor erzielt.

Es war das erste Mal, dass Celtic in dieser Saison zu Hause Punkte hatte liegenlassen. Zuvor waren es die Auswärtsspiele gewesen, in denen Celtic gepatzt hatte. Dort ist der Klub noch ohne jeden Punkt.

Aller Anfang ist schwer - ein Muster, das sich wiederholt

Vor dem Heimspiel in der Europa League gegen Bayer Leverkusen am Donnerstagabend (29.09.2021) steht der Trainer bereits unter Beobachtung. Beim ersten Gruppenspiel hatte Celtic drei Tore gegen Betis Sevilla erzielt - und doch verloren. Noch fehlt es an der Balance im Spiel. Postecoglous' "Angeball" und Celtic, sie fremdeln noch.

Abweichen von seiner Vorstellung von Fußball möchte Postecoglou nicht. Nach dem Ligaspiel gegen Dundee sagte Postecoglou, er werde sicher nicht sich selbst und seinen Überzeugungen untreu werden, nur weil "Leute zu denken scheinen, dass es da draußen eine Art unüberwindbare Herausforderung für uns gibt."

Der Sportschau-Experte Thomas Broich sagt, er sei über solche Aussagen nicht verwundert: "Für Postecoglou gibt es nur Plan A - er weicht von seinen Überzeugungen nicht ab." Und dann erinnert Broich noch an ein Muster, das sich bei allen bisherigen Stationen von Postecoglou wiederholt hat. Es braucht oft einige Zeit, bis die Spieler den "Angeball" verinnerlicht hätten.

In Yokohama etwa wäre Postecoglou in der ersten Saison beinahe abgestiegen, nur das Torverhältnis verhinderte das. Ein Jahr später war Yokohama Meister, und Guardiola schwärmte. Broich sagt, in der Karriere des Trainers Postecoglou habe es eben "immer etwas gedauert, bis der Erfolg kam." Bei Celtic werden sie das gerne lesen.