FC Bayern Campus

Rassismus-Verdacht im Nachwuchsleistungszentrum FC Bayern Campus: Klima der Angst?

Stand: 16.08.2020 10:00 Uhr

Nach dem von Sport inside öffentlich gemachten Rassismus-Verdacht auf dem FC Bayern Campus ist von einem "Machtsystem" die Rede, das ein Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum installiert haben soll. Der Klub will sich zu den Vorgängen weiterhin nicht äußern.

Von Matthias Wolf

Der Rassismus-Verdacht gegen einen Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern sorgt auch mehrere Tage, nachdem die Vorwürfe durch einen Bericht des WDR-Hintergrundmagazins Sport inside bekannt geworden sind, weiter für Aufregung. Während die Profis in Lissabon beim Champions-League-Finalturnier spektakulär die große Fußballbühne bespielen, laufen hinter den Kulissen daheim in München die internen Untersuchungen zu den Vorgängen am FC Bayern Campus auf Hochtouren.

Viele offene Fragen

Ein Ergebnis der hausinternen Ermittlungen, die klären sollen, ob sich ein Mitarbeiter in einer Chatgruppe mit anderen Trainern und Scouts mehrfach rassistisch geäußert hat, gibt es noch nicht. Seit der Befragung durch die Rechtsabteilung des Vereins wurde der belastete Mitarbeiter offenbar nicht mehr am Campus gesehen. Seinen letzten Termin für den Verein nahm er am vergangenen Dienstag (11.08.2020) wahr. Am selben Tag wurden die Vorwürfe publik.

Eine Woche zuvor hatte Sport inside bereits konkrete Fragen zur Causa an den Klub geschickt, von denen viele bis jetzt nicht beantwortet sind. Auch hier ist der Verein vorsichtig, denn noch ist das Gesamtbild zu unklar. Bis Wochenanfang, so heißt es, dürfte es nähere Informationen aus dem Hause FC Bayern geben. Der Klub sei darum bemüht, die Dinge schnell zu klären. Wohl auch, weil das mediale Echo auf die Sport-inside-Berichterstattung enorme Dimensionen angenommen hat. Und der Staatsschutz der Münchner Polizei Ermittlungen bestätigte.

Ruf des FC Bayern leidet

Der Ruf des Campus und damit auch des gesamten Klubs leidet. "Aus ganz Deutschland rufen mich Kollegen an, was bei uns los ist. Wie sowas sein kann bei so einem Vorzeigeverein", sagte ein Bayern-Mitarbeiter zu Sport inside. Am Donnerstag wurden erneut Trainer des Vereins von der Rechtsabteilung befragt. An der Echtheit der Chatverläufe, die Sport inside seit Wochen in aller Ausführlichkeit vorliegen, gibt es offenbar keine Zweifel mehr. Doch bestätigt hat der Verein auch das noch nicht.

Die Trennung von dem Mitarbeiter soll beschlossene Sache sein – aber was ist mit anderen Mitarbeitern? Längst ist von einem "System" rund um den Mitarbeiter die Rede. Von engen Vertrauten, Mitarbeitern, die sein Tun gedeckt haben sollen – und die nun auch in den Fokus geraten.

Was wusste die Campus-Leitung?

Dass in der besagten Chatgruppe zum Scouting des Vereins von der U9 bis zur U15 ständig wechselnde Mitglieder waren, zeigt auch, wie sicher sich der Mitarbeiter darin war, tun und lassen zu können, was er wollte. Keiner störte sich offenbar an den menschenverachtenden, rassistischen Posts. Und so bleiben Fragen: Warum hat nie einer etwas unternommen? Warum haben alle geschwiegen? Und was wusste die Leitung des Campus?

Völlig ahnungslos kann keiner gewesen sein. Wie sonst hätte es auch einen Fall geben können, den mehrere Mitarbeiter des Vereins beschreiben? Ein Spieler mit Migrationshintergrund soll sich demnach massiv gemobbt gefühlt haben, wollte nicht mehr unter dem besagten Mitarbeiter trainieren und drohte mit Weggang. Ein Talent, das dann letztlich die Mannschaft habe wechseln dürfen, weil der Klub den Spieler nicht verlieren wollte, heißt es.

Der FC Bayern äußerte sich auch zu diesem konkreten Vorgang auf Anfrage von Sport inside nicht. "Im von Ihnen angesprochenen Sachverhalt (inklusive aller Fragen, die Sie stellen) ist die Untersuchung, die der FC Bayern angestoßen hat, noch nicht abgeschlossen. Insofern haben Sie bitte Verständnis, dass wir uns nicht äußern können", teilte der Klub schriftlich mit.

"Sonst wird die Karriere unseres Kindes zerstört."

Mehrere Gesprächspartner, aktuelle Mitarbeiter, ehemalige Mitarbeiter, Trainer und Eltern berichten Sport inside unterdessen von einem Klima der Angst, das der Mitarbeiter verbreitet haben soll. Selbst jetzt, da die Tage des Mitarbeiters gezählt scheinen, wiederholen sich die Aussagen.

Von mehreren Eltern heißt es, fast wortgleich: "Wir können nicht offen sprechen, weil sonst die Karriere unseres Kindes zerstört wird. Wir würden den Traum unseres Jungen kaputtmachen." Von Trainern des Vereins heißt es: "Wer Kritik gegen ihn geübt hat, stand ganz schnell vor der Entlassung." Selbst der Vater eines Spielers, der angibt, sein Sohn sei vor den Repressalien des Mitarbeiters in ein anderes Nachwuchsleistungszentrum geflüchtet, sagt: "Ich kann nicht öffentlich auspacken, weil es anderswo nicht gerne gesehen wird, wenn man das Nest der Nachwuchsleistungszentren beschmutzt."

Mobbing auf Grund von Hautfarbe, Religion oder Name?

Die Geschichten, die viele Betroffene erzählen, lösen Befremden aus. Oft geht es um offenen Alltagsrassismus und Homophobie durch den Mitarbeiter, der selbst in Trainerbesprechungen kein Blatt vor den Mund genommen haben soll.

Es geht um Kinder, über die er sich abfällig geäußert oder die er gemobbt haben soll – wegen ihrer Hautfarbe, oder einfach nur ihrer Religion oder ihrem Nachnamen, der dem Mitarbeiter "gar nicht gefallen" habe. Um Kinder, die jahrelang um ihre Zukunft am Campus gebangt haben, "allein, weil wir die falschen Wurzeln haben. Weil wir für ihn Ausländer sind", sagt ein Vater, sichtlich aufgelöst. Es gab aber auch Trainer, die sich gewehrt haben wollen gegen den Mann und seine Vorstellungen, wie viel Multikulti es denn maximal sein dürfe in einem Team. Eine Chance, sagen sie, hätten sie danach nicht mehr gehabt am Campus.

FC Bayern verspricht rasche Aufklärung - zu spät?

Mittlerweile haben sich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge als auch Präsident Herbert Hainer zu dem Fall geäußert. Beide versprachen rasche Aufklärung – und kündigten Konsequenzen an. Der FC Bayern reagiert nun, muss sich aber auch immer häufiger die Frage gefallen lassen: Warum so spät? Gab es doch die Sport inside vorliegenden anonymen Briefe aus der Elternschaft seit 2018, die der Verein nach einer Untersuchung aber als eine Art Privat-Fehde betrachtete. Und es gibt Eltern, die angeben, persönlich bei der Campus-Leitung vorstellig geworden zu sein. Dann aber vergeblich auf eine Reaktion warteten. Auch dazu stellte Sport inside konkrete Fragen, die der Verein aber derzeit auch nicht beantworteten will.

Mittlerweile relativieren sich auch die - laut Verein - "überdurchschnittlich guten" Bewertungen, die der Trainer bei einer anonymen Befragung von Jugendspielern erhalten haben soll. Beim Ausfüllen der Fragebögen soll besagter Trainer neben den Spielern gestanden haben, heißt es. Auch dies ist scheinbar Bestandteil der Untersuchung des Klubs, weshalb auch Fragen nach diesem Sachverhalt unbeantwortet bleiben. Klar ist, der FC Bayern wird schon bald Antworten finden müssen, sollte sich das Bild, das von vielen Beteiligten gezeichnet wird, bestätigen.