Die Geschäftsstelle des FC Augsburg

Nachwuchsleistungszentrum Ermittlungsverfahren beim FC Augsburg

Stand: 17.08.2022 11:21 Uhr

Der FC Augsburg eröffnet am Donnerstag (18.08.2022) sein neues Internat im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ). 20 Millionen Euro wurde in die Infrastruktur für die Talente investiert. In anderen Bereichen der Nachwuchsarbeit wurde aber offensichtlich über Jahre an falscher Stelle gespart.

Kurz vor den Feierlichkeiten wurde bekannt: Das Hauptzollamt Augsburg vernimmt seit Ende Juli eine "große Anzahl an Zeugen“, wie die Staatsanwaltschaft Augsburg mitteilte. Ermittelt werde wegen "unrechtmäßigem Lohnsplitting und Verstoß gegen den Mindestlohn“. Kurzum: Lohndumping am Augsburger NLZ.

Die Ermittlungen gehen auf eine Recherche des WDR-Magazins Sport inside zu Mindestlohnvergehen an Nachwuchsleistungszentren bei einigen Bundesligisten zurück, wie eine Zollsprecherin bereits am 3. August 2021 bestätigt hatte. Damals war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit 61 Kräften in drei Objekte des FCA eingerückt, darunter der Geschäftsstelle. Bei der Razzia wurden zahlreiche Dokumente beschlagnahmt.

Bis zu 200 Zeugen werden befragt

Nach deren Auswertung werden nun bis zu 200 Zeugen befragt, heißt es. Eine Zahl, die jedoch weder Staatsanwaltschaft noch Verein bestätigen wollten. "Von unserer Seite gibt es Stand jetzt nichts Neues, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt“, teilte FCA-Sprecher Dominik Schmitz mit. Auch die Augsburger Oberstaatsanwältin Alexandra Körner betonte, keine weiteren Auskünfte erteilen zu können.

Aus den Ladungen an die Zeugen geht hervor, dass es sich um ein "Strafverfahren gegen Ströll, Michael u.a.“ wegen "des Verdachts einer Straftat“ handle. Ströll ist Geschäftsführer des FCA, zuständig für die Finanzen. In den Zeugenvernehmungen seien auch die Namen des weiteren FCA-Geschäftsführers Stefan Reuter und des im Mai zurückgetretenen Präsidenten und ehemaligen Geschäftsführers Klaus Hofmann gefallen, heißt es.

Insgesamt soll es um sechs Beschuldigte gehen. Namen wollten weder der Verein noch die Staatsanwaltschaft auf konkrete Anfrage nennen. Körner erklärte: "Es sind noch umfangreiche Ermittlungen. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.“

"Zoll stellt die richtigen Fragen"

Beim FC Augsburg ging man bisher offenbar davon aus, dass von den Ermittlungen nur der eingetragene Verein betroffen ist. Doch die Grenze ist wohl deshalb fließend, weil der Bundesligist Teile seiner Jugendteams (ab der U17) bereits vor sieben Jahren aus dem Stammverein in eine GmbH & Co. KGaA ausgegliedert hat. Und dort haben derzeit Ströll und Reuter das Sagen.

Ein betroffener ehemaliger Trainer betonte nach seiner Zeugenvernehmung: "Die Zollbeamten haben die richtigen Fragen gestellt. Auch, ob es korrekt ist, dass ich die Stundenzettel auf Anweisung meines Vorgesetzten habe fälschen müssen, um unter der Mindestlohngrenze zu bleiben.“

Der Trainer erklärte, er habe im ersten Jahr unter 200 Euro verdient. Die Jahre darauf 250 Euro als Co-Trainer, und das bei einer Wochenarbeitszeit von mindestens 25 Stunden. Für mehrtägige Turnierfahrten habe er nur zwei Stunden aufschreiben dürfen. "Mir wurde dann der Cheftrainerposten angeboten mit 400 Euro im Monat, und dann habe ich gesagt: Das funktioniert nicht. Ich kann nicht für 400 Euro einen Fulltime-Job machen", sagte der Familienvater in einem Beitrag von Sport inside, der im Mai 2021 erstmals ausgestrahlt wurde.

Der Mann besaß beim FCA einen sogenannten Übungsleiter-Vertrag. Das karge Salär war gesplittet in ein kleines Gehalt und die steuerfreie Übungsleiterpauschale. Einen vertraglichen Anspruch auf Urlaub oder ein freies Wochenende gab es nicht. Mittlerweile haben weitere FCA-Trainer dieses Modell bestätigt.

Strafverfahren gegen Vorstandsmitglieder beim FC Bayern

Nach Originaldokumenten, die Sport inside vorliegen, zahlten und zahlen auch heute noch viele Bundesliga-Vereine Dumpinglöhne an Trainer im Nachwuchsbereich. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Die Linke) im Januar 2022 ging zudem hervor, dass mittlerweile gegen drei Erst- und einen Zweitligisten wegen möglicher Mindestlohnvergehen ermittelt wird.

Darunter auch seit Dezember 2021 gegen den deutschen Rekordmeister FC Bayern München. Hier läuft gegen zahlreiche Mitglieder der Bayern-Führung ein Strafverfahren - auch dies als Folge der Berichterstattung von Sport inside. Betroffen von dem Verfahren ist die Vorstandsriege mit Oliver Kahn (Vorstandschef), Hasan Salihamidzic (Vorstand Sport), dem stellvertretenden Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sowie dem dienstältesten Vorstandsmitglied Andreas Jung. Außerdem gelten die ehemaligen Vorstandsmitglieder  Karl-Heinz Rummenigge und Jörg Wacker als Beschuldigte.

Die erhobenen Vorwürfe umfassen wie beim FC Augsburg den Verdacht "des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt" (das wäre eine Straftat laut § 266a StGB) sowie "nicht richtigem Führen von Stundenaufzeichnungen, Nichtgewährung des Mindestlohns" (eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 111 SGB IV bzw. § 21 Mindestlohngesetz).

Trainer werden inzwischen besser bezahlt

Auch die Staatsanwaltschaft München ist noch inmitten ihrer Ermittlungen, wie sie mitteilt. Wann diese abgeschlossen sein werden, könne man ebenso wenig sagen wie in Augsburg. "Wenn alle Zeugen befragt sind, muss im Zweifel erstmal eine Schadensberechnung erfolgen“, so die Augsburger Oberstaatsanwältin Körner: "Eine zeitliche Prognose ist unmöglich.“

Einstweilen kann man also in Augsburg noch unbeschwert die Internatseröffnung feiern. "Das Internat stellt einen weiteren wichtigen Schritt in unserer Strategie dar, noch stärker auf eigene Talente zu setzen“, so Thomas Müller, Aufsichtsratsvorsitzender des FCA, "weil wir dadurch eine sehr gute Infrastruktur geschaffen haben, die uns helfen wird, dass möglichst viele Spieler den Sprung in unsere Lizenzmannschaft schaffen können.“

Die Basis dafür legen Trainer, die sich inzwischen so äußern: "Die Berichterstattung von Sport inside hat viel bewegt, wir werden mittlerweile deutlich besser bezahlt.“