Südamerika-Meisterschaft Copa América - Fußball spielt nur eine Nebenrolle

Stand: 14.06.2021 10:49 Uhr

1916 wurde die Copa América zum ersten Mal ausgetragen - doch noch nie war sie so umstritten wie die am Sonntag (13.06.2021) gestartete 47. Auflage der südamerikanischen Kontinentalmeisterschaft. sportschau.de mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Turnier.

"Rocking the Continent" ist der Turnierauftritt der Copa América im Web vollmundig überschrieben. Doch richtig rocken wird dieses Turnier wohl kaum. Ursprünglich war die Copa für 2020 geplant.

Stattfinden sollte sie in Kolumbien und Argentinien, und damit zum ersten Mal in zwei Ländern. Dann kam Corona, und wegen der Pandemie wurde das Turnier um ein Jahr verschoben. Der Auftakt eines mehr als holprigen Weges, auf dem der Fußball nur in einer Nebenrolle spaziert.

Warum ist die Copa América so umstritten?

Zunächst sprang Ausrichter Kolumbien ab, nachdem bei zum Teil blutigen Protesten gegen die Regierung Dutzende Menschen ums Leben kamen. Dann zog sich auch Argentinien zurück, das zu Beginn des Winters auf der Südhalbkugel hart von der zweiten Corona-Welle getroffen wurde.

Schließlich wurde das Turnier nach Brasilien verlegt. Dort entschied der Oberste Gerichtshof erst drei Tage vor Turnierbeginn, dass die Copa América tatsächlich stattfinden darf. Dabei ist auch das größte Land Lateinamerikas weiterhin ein Brennpunkt der Corona-Pandemie.

Bislang haben sich mehr als 17 Millionen Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, rund 480.000 Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Präsident Jair Bolsonaro hat das Virus stets verharmlost und sich gegen harte Maßnahmen gestemmt.

Warum wird überhaupt gespielt?

Der südamerikanische Kontinentalverband CONMEBOL und Staatschef Bolsonaro peitschten das Turnier trotz aller Widerstände durch - obwohl angesichts des zweijährigen Austragungsmodus eine Absage durchaus nicht als Fußball-Weltuntergang erscheint.

Doch Bolsonaro dürfte sich bestenfalls schöne PR-Bilder und eine Ablenkung von seinem zweifelhaften Corona-Krisenmanagement versprechen. Und für den Verband geht es um Millionenbeträge aus Fernsehgeldern und Sponsorenverträgen.

Obendrauf wären die Entschädigungszahlungen an die Marketingpartner gekommen. Und die Hauptakteure - die Profis? Gerade für die in Südamerika unter Vertrag stehenden Profis gilt die Copa als Schaufenster.

Was sagen die Spieler?

"Wir sind gegen die Organisation der Copa América, aber wir werden niemals Nein zur brasilianischen Nationalmannschaft sagen." Soweit das zähneknirchende Statement der brasilianischen Nationalmannschaft, die sich zu einem Boykott nicht durchringen konnte.

Angesichts zahlreicher Coronafälle in mehreren Teams vor dem Turnierstart gab Argentiniens Lionel Messi zu: "Das macht uns Sorgen. Wir werden alles tun, dass es uns nicht passiert, aber das hängt nicht nur von uns ab."

Wie werden die Spieler geschützt?

Der Verband CONMEBOL hat ein umfangreiches Hygiene-Protokoll ausgearbeitet. Zuschauer sind bei den Spielen nicht zugelassen. Und die Teams dürfen abgesehen von den Spielen ihre Unterkünfte nicht verlassen.

Argentinien geht sogar einen Schritt weiter: Die Mannschaft von Nationaltrainer Lionel Scaloni wird auf dem Verbandsgelände nahe dem Flughafen von Buenos Aires kaserniert und fliegt für jede Partie nach Brasilien.

Und die Fans?

Die sind außen vor. Angesichts der Coronalage sind Zuschauer in den Stadien nicht erlaubt. Und angesichts der aktuellen Coronalage und -bedingungen ist auch die Freude der Fans verhalten. Eine Volksfeststimmung wird es in diesem Jahr nicht geben, zumal auch die Fans aus den anderen Ländern fehlen.

Wie und wo wird gespielt?

Gespielt wird in sechs Stadien an vier Orten: Brasilia, Cuiaba, Rio de Janeiro und Goiania. Zunächst treffen die zehn Teams in zwei Gruppen aufeinander. Dabei sind Argentinien, Chile, Bolivien, Paraguay, Uruguay (alle Gruppe A) sowie Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela (alle Gruppe B).

Nach den dann folgenden Viertel- und Halbfinalspielen soll das Endspiel am 10. Juli über die Bühne gehen. Zu den Titelfavoriten zählen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Kolumbien. Brasilien will den Titel im eigenen Land verteidigen.

Wie hoch ist der sportliche Wert?

Das lässt sich angesichts der unsicheren Coronalage schwer abschätzen. Er könnte aber nach den jüngsten beunruhigenden Meldungen sehr überschaubar werden. Bei Venezuela waren vor dem Turnierstart gleich acht Spieler positiv auf Covid-19 getestet worden.

Neben Venezuela meldeten Bolivien (drei Spieler, ein Betreuer) und Kolumbien (zwei Betreuer) am Wochenende positive Coronafälle. Venezuela hatte in der Not kurzfristig 15 neue Spieler geholt. Der CONMEBOL hatte zuvor das Limit von Spielern aufgehoben, die ersetzt werden können. Setzen sich diese Meldungen fort, kann bald von einem regulären Wettbewerb nicht mehr die Rede sein.