EM-Außenseiter EURO 2020 - Underdogs mischten das Turnier auf

Stand: 10.07.2021 20:57 Uhr

Schweiz, Tschechien, Dänemark sowie die Ukraine waren die Überraschungsteams dieser Europameisterschaft. Die Schweiz warf mit Frankreich immerhin den Weltmeister und Tschechien mit den Niederlanden einen Geheimfavoriten aus dem Turnier. Die Leistung Dänemarks nach dem Drama um Christian Eriksen verdient Respekt, die Ukraine profitierte hingegen vom EM-Modus und hatte Glück.

Zum Aufstand der Außenseiter gehört das Überwinden von Widerständen aller Art, niemand verdeutlichte das besser als die Dänen. Gezeichnet vom Schock nach dem Herzstillstand ihres Leistungsträgers Christian Eriksen im EM-Auftaktspiel gegen Finnland, kämpften sich die Skandinavier ins Turnier und wurden am Ende auf einer Welle der Euphorie getragen.

Denn nach der zweiten Niederlage im Gruppenspiel gegen Belgien sah alles schon nach einem sicherem Ausscheiden in der Vorrunde aus. Zu tief schien der Schock nach dem Eriksen-Drama in der Mannschaft zu stecken.

Eriksen-Drama trägt Dänemark bis ins Halbfinale

Doch die wundersame Wiederauferstehung gelang im letzten Gruppenspiel gegen Russland. Mit 4:1 fegten die Dänen die Russen vom Platz und sicherten sich ihr Ticket für das Achtelfinale. Dort erwies sich Wales als einfache Hürde. Mit 4:0 wurden die Briten geschlagen, im Viertelfinale wurde Tschechien mit 2:1 bezwungen.

Der offene Umgang mit den eigenen Emotionen trug die Dänen bis ins Halbfinale und viel fehlte nicht zum Happy End. Ein äußerst fragwürdiger Elfmeter gegen England beendete das dänische EM-Märchen dann abrupt. "Wir haben die Unterstützung gebraucht. Das Mitgefühl, als das mit Christian war. Zwei Betreuer haben einem unserer besten Spieler das Leben gerettet. Wir haben gekämpft und tollen Fußball gespielt. Und ich bin dankbar, dankbar für Dänemark", sagte der dänische Trainer Kasper Hjulmand.

Top-Nationen zollen Corona-Saison Tribut

Vielleicht waren die Umstände bei diesem Turnier in diesem Jahr aber auch ausgesprochen günstig für die Außenseiter. In einem extrem eng getakteten Spielplan waren vor allem die Topspieler aus den großen Nationen am Ende einer langen Saison ohne Pause am Ende ihrer Kräfte.

Zum ersten Mal schaffte es auch die Schweiz bei einer EM bis ins Viertelfinale. Nachdem sich die Eidgenossen noch durch die Vorrunde gequält hatten, schlug ihre große Stunde im Achtelfinale, als sie sich gegen Weltmeister Frankreich im Elfmeterschießen durchsetzten.

Schweizer Mentalität

"Die Schweiz zeigt, dass man keine Stars braucht, um mitreißenden Fußball zu spielen", sagte Sportschau-Experte Thomas Broich: "Weil sie eine eigene Idee auch entwickelt haben. Das war faszinierend. Da war ein geiler Spirit in dieser Truppe. Die haben gefightet um jeden Zentimeter." Diese besondere Schweizer Mentalität beschrieb auch Keeper Yann Sommer: "Egal, wie das Spiel läuft, egal, was passiert und welche Phasen wir im Spiel erleben - wir gehen bis zum Schluss!"

Die Schweiz profitierte dazu auch von der Auslandserfahrung ihrer wichtigsten Nationalspieler. 22 Legionäre standen im EM-Kader der Eidgenossen. Ein Plus an Erfahrung, das am Ende mit für den Unterschied sorgte. Endstation für die Schweizer war dann erst im Viertelfinale gegen Spanien nach Elfmeterschießen.

Tschechien kommt übers Kollektiv

Für einen der Paukenschläge des Turniers sorgte Tschechien im Achtelfinale mit dem Sieg gegen die Niederlande. Die Mannschaftsleistung der Tschechen in diesem Spiel war überragend. Die Niederländer setzten auf ihre Dribbler vorne, die Tschechen hatten einen klaren Plan und bauten auf ihr Kollektiv. Ohnehin eine Stärke der Außenseiter: Sie waren eine richtige Mannschaft, weil sie nicht über die herausragenden Einzelspieler verfügten.

Bei den furiosen EM-Auftritten der Tschechen spielte sich vor allem Torjäger Patrik Schick von Bayer Leverkusen in den Vordergrund, aber auch die Leistungen von Torwart Tomas Vaclik (FC Sevilla), Antreiber Tomas Soucek, Verteidiger Vladimir Coufal (beide West Ham) und Allrounder Pavel Kaderabek (TSG Hoffenheim) waren essentiell.

Ukraine profitiert vom Modus

Außenseiter Ukraine profitierte hingegen vom günstigen EM-Modus und machte weniger mit mitreißenden Partien von sich reden. Mit nur einem Sieg über Nordmazedonien zogen die Ukrainer ins Achtelfinale ein, wo sie nach Verlängerung mit einem Lucky Punch in der Nachspielzeit 2:1 gegen Schweden gewannen.

Das Team von Trainer Andrij Schewtschenko spielte gegen Schweden am Ende auch in Überzahl, und hätte der überragende Schwede Emil Forsberg nur einmal ins Tor statt den Pfosten oder die Latte getroffen, die Ukraine wäre bereits im Achtelfinale ausgeschieden.

Bei einem Turnier gibt es noch Überraschungen

Sportschau-Experte Broich haderte deswegen etwas mit den Spielen der Osteuropäer: "Wenn wir so eine lange Vorrunde spielen, und die Ukraine kommt mit echt mageren Auftritten ins Achtelfinale, und dann läuft es da auch glücklich, und dann steht plötzlich so ein Land, was bislang nicht wahnsinnig überzeugt hat, im Viertelfinale." Dort war die Ukraine dann auch klar unterlegen und schied gegen England mit 0:4 aus.

Doch das war auch das Schöne an dieser Europameisterschaft: Im Vergleich zum Vereinsfußball gibt es in einem Turnier noch Überraschungen. Setzten sich im Verlaufe einer Saison fast immer die Großen durch, kann in einem einzigen Spiel bei einem Turnier alles passieren. Nicht immer gewinnt die Mannschaft mit den besten Spielern.