Fußball | Italien "Mou-Mau-Derby" in der Serie A - AS Rom gegen Lazio

Stand: 24.09.2021 11:33 Uhr

Das gab es nicht häufig in 92 Jahren Derby della Capitale: Die Stars des römischen Stadtderbys sitzen auf der Bank. AS Rom gegen Lazio Rom (Sonntag, 26.09.2021, 18 Uhr im Sportschau-Live-Ticker) ist diesmal auch und vor allem José Mourinho gegen Maurizio Sarri.

Von Jörg Seisselberg

Für die italienischen Sportjournalisten mit ihrer Neigung zu einsilbigen Ehrennahmen für Trainergrößen - Trapattoni = Il Trap - ist der Roma-Coach "Mou" und der neue Lazio-Übungsleiter "Mau". Rom erwartet das "Mou-Mau-Derby". Wobei die Trainer deutlich mehr als ein Vokal unterscheidet.

Hier Mou, der mit seiner eher konservativen Art des Fußballs nie einen Schönheitspreis gewonnen hat, dort "Mau", der als Innovator mit Sympathie für Offensivspektakel gilt. Vor dem Derby allerdings hat "Mou" mit seiner AS Rom Rückenwind, "Mau" und Lazio kämpfen mit Problemen.

Die Giallorossi zeigten am Donnerstagabend gegen Udinese über weite Strecken der ersten Halbzeit ihre beste Saisonleistung und gewannen mit 1:0. Die Biancocelesti dagegen hatten beim FC Turin große Probleme und retteten sich durch einen von Ciro Immobile in der Nachspielzeit verwandelte Elfmeter noch gerade so zu einem 1:1-Unentschieden.

Mourinho als Hoffnungsbringer für die Roma

Gemeinsam ist "Mou" und "Mau", dass sie seit dem Sommer neu in Rom sind. Wie ein römischer Kaiser ist José Mourinho im Sommer in die Ewige Stadt eingezogen. Geräuschlose Auftritte waren nie die Sache des selbst ernannten "Special One". Diesmal aber sorgen die Fans von sich aus für Heldenverehrung, verewigten Mourinho bereits nach wenigen Tagen auf einem riesigen Wandgemälde.

Seitdem ist der 58-Jährige, ganz gegen sein Naturell, eher damit beschäftigt, die Euphorie zu dämpfen. Dass der Portugiese auf seinen letzten Stationen eher mäßig erfolgreich war, interessiert kaum Roma-Anhänger, es dominiert der Stolz, einen der bekanntesten Trainer der Welt auf der Trainerbank zu haben - und die Hoffnung, mit ihm auf Topniveau in Italien und Europa zurückzukehren.

Maurizio Sarri als Notlösung für Lazio

Sarri dagegen kam durch die Hintertür in die Stadt, die Begrüßung fiel eher kühl aus. In der Sommerpause war Lazio der bei Mannschaft und Fans überaus beliebte Simone Inzaghi abhanden gekommen, der Erfolgstrainer wechselte über Nacht zu Meister Inter Mailand. Vereinspräsident und Sportdirektor mussten schauen, was auf dem Trainermarkt übrig geblieben war – und entschieden sich für Sarri.

Der war zuvor als eigentlich schon sicherer neuer Coach beim Lokalrivalen AS Rom gehandelt worden, bevor dort in einem Überraschungscoup Mourinho verpflichtet wurde. Bei der Lazio-Anhängerschaft blieb der schale Nachgeschmack, einen Trainer zu bekommen, der es nicht geschafft hat, bei der Konkurrenz unterzukommen. Grundsätzlich ist Sarri eine in Italien positiv besetzte Trainermarke - seit er aus dem SSC Neapel einen Meisterschaftsanwärter gemacht hat.

Mit einem Fußball, der nicht darauf ausgerichtet war, ein Tor weniger zu kassieren, sondern ein Tor mehr zu erzielen. Dieser in Italien bis dato ungewöhnliche Fußballstil brachte den leidenschaftlichen Zigaretten- und Zigarrenraucher nach seiner Zeit in Neapel erst auf die Bank des FC Chelsea und dann auf die von Juventus. Trotz Titelgewinnen in London und Turin musste "Mau" jeweils vorzeitig gehen, was auch seiner mitunter kauzigen Art geschuldet war.

Holpriger Start für Sarri bei Lazio Rom

Bei Lazio lässt der Erfolg noch auf sich warten. "Immer noch nichts vom Sarri-Fußball zu sehen", urteilte der Corriere dello Sport nach dem mühsamen Unentschieden in Turin. Zuletzt vier Spiele in Folge ohne Sieg machen Lazio zum Außenseiter im Derby. Bei der AS Rom dagegen läuft es relativ rund.

Ein Ausrutscher gegen Kellerkind Hellas Verona, ansonsten gab es unter Mourinho bislang nur Siege. Die Mannschaft überzeugt "Mou"-typisch mit hoher Intensität und phasenweise auch eindrucksvollem Kombinationsspiel. "Mou"-untypische Lücken in der Defensive haben nur begrenzten Schaden angerichtet, Neuverpflichtung Rui Patricio im Tor der Roma ist bislang in der Serie A der Schlussmann mit den meisten Paraden.

Lazio-Trainer Maurizio Sarri

José Mourinho ohne einen Leistungsträger

Bitter für Mourinho ist, dass er im Derby auf seinen, neben Rui Patricio, derzeit formstärksten Spieler verzichten muss. Kapitän Lorenzo Pellegrini glänzte zum Saisonauftakt als Antreiber und Torschütze, nachdem er verletzungsbedingt die EM versäumt hatte. Gegen Udinese aber handelte sich der gebürtige Römer in der Schlussphase eine Gelb-Rote-Karte ein und fehlt der AS Rom im Derby.

Mourinhos bekanntes Geschick (auch) im Stimmungsmanagement ist gefragt. Vor Wochenfrist hatte er seine Spieler in ein schickes Restaurant eingeladen. Ohr- und Augenzeugen berichten von einer Mannschaft, die inbrünstig Roma-Fansongs und Bella Ciao gesungen hat.

Impulsivität auf den Trainerbänken von AS und Lazio

Bei Lazio dagegen wird derzeit wenig gesungen. Allerdings dürfen sich die Biancocelesti darüber freuen, dass Sarri wieder an die Seitenlinie zurückkehren darf. "Mau" hatte sich nach der Niederlage bei Milan mit dem Schiedsrichter angelegt und wurde, unter anderem wegen gotteslästernder Ausdrücke, für zwei Begegnungen gesperrt.

Zumindest in Sachen Impulsivität gibt es Parallelen zwischen "Mou" und "Mau". Das 157. römische Derby in der Serie A kann kommen.