Chelsea Trainer Graham Potter

Premier League Krise beim FC Chelsea - Tage der Dämmerung

Stand: 27.02.2023 17:02 Uhr

Nie hat ein Klub mehr Geld in einer Saison ausgegeben, doch der FC Chelsea ist den Abstiegsplätzen näher als der Champions-League-Qualifikation. Für den Trainer Graham Potter sind es unruhige Zeiten.

Vor einigen Tagen hat Graham Potter an einer Pressekonferenz teilgenommen, es ging natürlich um seine Arbeit als Trainer des FC Chelsea. Potter sprach über den Zusammenhang zwischen Misserfolg und Druck, aber auch über E-Mails. Von denen hat er zuletzt offenbar einige unangenehme erhalten. Es habe, sagte Potter, Morddrohungen gegeben, gegen ihn, auch gegen seine Familie. "Das ist natürlich nicht angenehm."

Potter, 47, wird bald seit einem halben Jahr Trainer des FC Chelsea sein, es ist noch keine Erfolgsgeschichte. Man kann an seiner Arbeit einiges kritisieren, nicht nur die Bilanz in der Premier League (fünf Siege aus 18 Spielen), auch seine taktischen und personellen Rochaden. Nur rechtfertigt all das keine Drohungen, schon gar keine Morddrohungen.

Besser wird die Stimmung rund um den FC Chelsea anschließend aber kaum geworden sein. Am Sonntag (26.02.2023), zwei Tage nach der Pressekonferenz mit Potter, verlor Chelsea in der Premier League gegen Tottenham, der Rückstand auf einen Champions-League-Platz ist nun größer als der Vorsprung auf einen Abstiegsrang.

Potter ließ Ballett tanzen und schönen Fußball spielen

In der Karriere des Trainers Potter ist es sicher die schwierigste Phase, zuvor war er eher für die netten Geschichten zuständig gewesen. Sie begannen manchmal skurril, mit Ballett und einem Solo-Auftritt als Sänger auf Jamska, der Regionalsprache der schwedischen Region Jämtland. Dort war Potter viele Jahre Trainer bei Östersunds FK. Als er kam, war der Klub ein Drittligist, er führte ihn in die Europa League.

Dort spielten sie dann nicht wie ein Außenseiter, sie spielten einen wirklich ansehnlichen Fußball. Es gab Medien, die von einer schwedischen Antwort auf den FC Barcelona schrieben. Und gleichzeitig hatten sie da dieses Kunstding, wie Potter es einmal genannt hat. Ballett und Konzertauftritte als Teambuildingmaßnahme.

Geschichten über Potter haben nun eine andere Tonalität

Irgendwann war Potter Östersunds FK entwachsen. Er ging zurück in seine britische Heimat, trainierte Swansea und dreieinhalb Jahre Brighton in der Premier League. Und Potter hatte Erfolg: Auch Brighton spielte feinen Fußball, in der englischen Fußball-Mittelklasse beinahe ein Alleinstellungsmerkmal.

Als die neuen Besitzer des FC Chelsea um Todd Boehly nach der Trennung von Thomas Tuchel im September nach einem neuen Trainer suchten, werden sie sich womöglich an die Spiele von Brighton erinnert haben. Vielleicht haben sie aber auch nur auf die Tabelle geschaut, dort stand Brighton vor Chelsea. Geändert hat sich daran nichts, nur haben die Geschichten über Potter heute eine andere Tonalität.

Mehr als Chelsea hat noch kein Klub in einer Saison ausgegeben

Potter ist jetzt Trainer eines Klubs, der vor gar nicht langer Zeit die Champions League gewonnen hat, für den nun aber schon die Qualifikation für diesen Wettbewerb in weite Ferne gerückt ist. Die Erwartungen an ihn waren da schon andere als Platz zehn in der Liga mit 31 Punkten nach 24 Spielen. Zumal Chelsea in dieser Saison mehr als 600 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben hat, mehr als je ein Klub zuvor.

Im Januar hat der Klub Spieler wie Enzo Fernández und Michailo Mudryk verpflichtet, beide sollen hundert und mehr Millionen Euro gekostet haben. Unterschrieben haben sie bis 2031, es ist ein Trick, um die neuen Regeln der UEFA zur "Finanziellen Nachhaltigkeit" trotz der hohen Ausgaben einhalten zu können.

Und manchmal schießt Geld eben doch keine Tore

In Chelseas Kader stehen nun einige feine Fußballer, gerade in der Offensive, man denke nur an Raheem Sterling und Kai Havertz, an João Félix und Mudryk, an Christian Pulisic, Mason Mount, Hakim Ziyech. Aber es fehlt die Balance. Chelsea hat Techniker, Dribbler, Tempospieler, nur einen Torjäger sucht Trainer Potter noch immer.

Pierre-Emerick Aubameyang kann Tore schießen, aber auf ihn setzt Potter nicht. Ihn hatte noch Tuchel geholt. Im Sturmzentrum spielt daher meist Havertz, 23, auch er ein begnadeter Fußballer, aber eben kein Mittelstürmer. Fünf Tore hat Havertz in der Premier League erzielt, er ist damit Chelseas erfolgreichster Torschütze.

Im Rückspiel gegen den BVB geht es für Chelsea um mehr als um das Weiterkommen

Nach der Niederlage gegen Tottenham, bei der Chelsea zum vierten Mal in den vergangenen fünf Ligaspielen ohne Tor geblieben war, sagte Potter, die Ergebnisse seien überhaupt nicht gut und er übernehme dafür die Verantwortung.

Natürlich wurde er bei dieser Gelegenheit auch gleich noch gefragt, für wie sicher er denn seinen Job erachte. "In so einer Situation", sagte Potter, "kann man sich nicht ewig auf Unterstützung verlassen."

Am Wochenende wartet in der Premier League Abstiegskandidat Leeds United, dann geht es im Achtelfinale der Champions League gegen Borussia Dortmund. Der Wettbewerb ist Chelseas letzte Chance, um vielleicht doch noch einen Titel zu gewinnen, doch viel spricht nicht dafür. Das Hinspiel hat Chelsea knapp verloren. Ein Ausscheiden, so viel immerhin ist sicher, würde die Jobsicherheit des Trainers Potter sicher nicht verbessern.