Japans Ritsu Doan bejubelt sein Tor gegen Spanien.

FIFA WM 2022 Deutscher als Deutschland - Japan hält DFB-Elf Spiegel vor

Stand: 02.12.2022 11:27 Uhr

Effizient, abgebrüht, erfolgreich: Japan duselt sich mit deutschen Tugenden zum Gruppensieg und steht verdient im Achtelfinale. Dass die entscheidenden Spieler aus Bochum, Freiburg und Düsseldorf kommen, ist bezeichnend.

Mit Bekanntgabe der Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft für das abschließende Gruppenspiel gegen Costa Rica begann am Donnerstagabend (1.12.2022) das große Zählen. Um die Anzahl der Spieler des FC Bayern in Hansi Flicks Startelf herauszufinden, reichte eine Hand schnell nicht mehr aus. Nach kurzem Überlegen und dem Abziehen des Neu-Dortmunders Niklas Süle stand dann fest: Deutschland startete mit insgesamt sieben bayerischen Erfolgs-Profis in das Gruppen-Finale. Mia san die DFB-Elf.

Japan mit sieben Spielern aus Deutschland

In der gleichzeitig stattfindenden Partie Japan gegen Spanien (2:1) spielte die Zahl sieben ebenfalls eine entscheidende Rolle. Einen Spieler aus München suchte man auf dem Spielberichtsbogen zwar vergeblich, dafür setzte Japans Trainer Hajime Moriyasu gleich ein Septett deutscher Legionäre ein. Diese spielen bei Gladbach, Schalke, Frankfurt, Freiburg, Bochum, Stuttgart und Zweitligist Düsseldorf. Kleinere Klubs, größerer Erfolg.

Denn während die bayerischen Profis und ihre Teamkollegen aus Vereinen wie Real Madrid, RB Leipzig, Manchester City oder Borussia Dortmund mittlerweile auf dem Weg in den Urlaub sind, besiegten die Japaner aus der zweiten Reihe auch Spanien und zogen verdient ins Achtelfinale ein. "Für euch ist das eine Überraschung?", fragte Japans Kapitän Maya Yoshida, der im echten Leben Tabellenletzter mit dem FC Schalke 04 ist, und schob nach: "Für mich nicht." Man muss ihm wohl Recht geben.

Rüdiger vermisst das Dreckige

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht nämlich, dass Japan genau das geschafft hat, woran die DFB-Elf scheiterte. Schön war der Fußball der "Blue Samurai" definitiv nicht, in Sachen Effizienz sind sie aber jetzt schon Weltmeister. Im ersten Gruppenspiel gegen Deutschland hatte Japan in der ersten Hälfte nur 25 Prozent Ballbesitz und lag bei 1:13 Torschüssen. Gegen Spanien hatten die Japaner in der gesamten Partie nur 18 Prozent der Zeit den Ball am eigenen Fuß. Dass sie trotzdem beide Partien mit 2:1 gewannen, hält vor allem der DFB-Elf den Spiegel vor.

"Dieses etwas Dreckige - das fehlt uns", konstatierte Deutschlands Innenverteidiger Antonio Rüdiger nach dem WM-Aus passend. Die individuelle Qualität der deutschen Nationalelf in der Offensive gehört dank Künstlern wie Jamal Musiala, Leroy Sané, Kai Havertz, Ilkay Gündogan oder Serge Gnabry immer noch zur Weltspitze. Der Ertrag aus 26 Torschüssen gegen Japan und 32 Torschüssen gegen Costa Rica ist aber einfach zu wenig.

Deutschland spielt nicht mehr wie Deutschland

Zum Vergleich: Japan gab gegen die DFB-Elf elf Torschüsse ab, gegen Spanien waren die ersten beiden von insgesamt sechs direkt drin. Das ist abgezockt und erinnert an frühere und (gemessen am Erfolg) bessere Zeiten des DFB-Teams, als die Hände von Oliver Kahn hinten und der Kopf von Michael Ballack vorne noch für den Einzug ins WM-Finale reichten. Die Mannschaft von 2002 war mit Sicherheit deutlich schlechter als die Mannschaft von 2022 und der Fußball wirklich nur schwer zu ertragen. Dass die berühmten deutschen Tugenden aber mittlerweile von Japan besser umgesetzt werden, ist bezeichnend.  

Da die deutsche Defensive zudem immer wieder eklatante Patzer einstreute, war das Vorrunden-Aus ebenso logisch wie folgerichtig. Wer vorne nicht trifft und hinten zu viel zulässt, Sie wissen schon. "Was uns immer ausgezeichnet hat im deutschen Fußball, war, dass wir immer verteidigen konnten", blickte Bundestrainer Hansi Flick wehmütig zurück. Das war einmal.

Japan sieht sich auf gutem Weg

Ganz anders die Stimmung in Japan: "Wir müssen noch viel lernen, aber wir sind zuversichtlich, dass der asiatische und der japanische Fußball die Topteams der Welt schlagen kann", fasste Japans Trainer Moriyasu zusammen und hatte dabei offenbar schon vergessen, dass sein Team bei dieser WM ja schon zwei (vermeintliche) Topteams geschlagen hatte. Japan ließ in der Gruppe Deutschland und Spanien hinter sich und trifft im Achtelfinale am Montag auf Kroatien. Eine durchaus lösbare Aufgabe. "Ich kann es nicht in Worte fassen. Das ist großartig", sagte Kapitän Yoshida.

Japan feiert Spieler von Bochum, Freiburg und Düsseldorf

In Japan selbst feierten die Fans trotz nachtschlafender Anstoßzeit von 4 Uhr den Einzug in die K.o.-Phase frenetisch. Auf Tokios Straßen bildeten sich in den Morgenstunden Jubeltrauben, selbst Ministerpräsident Fumio Kishida sprach von einem "tollen Erlebnis".

Die größten Helden bei den Siegesfeiern waren Takuma Asano, der gegen Deutschland zum Ausgleich getroffen hatte, Ritsu Doan, der gegen Deutschland und Spanien traf, sowie Ao Tanaka, der mit seinem Treffer den Sieg gegen Spanien perfekt machte. Ihre Vereine: der VfL Bochum, der SC Freiburg und Zweitligist Fortuna Düsseldorf. Ein Spieler des FC Bayern steht nicht im japanischen Kader.