Luka Modric, Kroatien

FIFA WM 2022 Kroatien als Vorbild - Deutsche Lernziele aus dem Viertelfinale

Stand: 10.12.2022 12:38 Uhr

Die einst deutschen Tugenden sind ebenso verloren gegangen wie das Prädikat "Turniermannschaft". Um mit Blick auf die EM 2024 zu lernen, dienen zwei Mannschaften als Vorbild, die das Halbfinale der WM 2022 erreicht haben: Argentinien, aber vor allem Kroatien.

Von Marcus Bark, Doha

Für die Statistiken gelten Fußballspiele, die im Elfmeterschießen entschieden werden, als Unentschieden. Kroatien hat damit bei der Weltmeisterschaft in Katar exakt so viele Spiele gewonnen wie Deutschland. Kroatien steht allerdings im Halbfinale, Deutschland ist längst zu Hause.

 

Kroatien überstand das Achtelfinale gegen Japan, weil es ein 0:1 ausglich und im Elfmeterschießen besser war. Kroatien überstand dann das Viertelfinale gegen den Turnierfavoriten Brasilien, weil es in der Verlängerung ein 0:1 ausglich und im Elfmeterschießen besser war. Beim einzigen Sieg bislang, einem 4:1 gegen Kanada, war Kroatien in der zweiten Minute in Rückstand geraten.

 

Gegen Japan kam das DFB-Team nicht zurück

Die deutsche Mannschaft kam gegen Spanien nach 0:1-Rückstand zu einem 1:1, und gegen Costa Rica wurde aus einem 1:2-Rückstand noch ein 4:2-Sieg gemacht, der zumindest die Voraussetzungen schuf, um bei einem günstigen Verlauf des Parallelspiels die K.o.-Runde zu erreichen.

Aber gegen Japan wurde eine Führung verspielt und der Rückstand dann nicht mehr aufgeholt. Diese inzwischen berühmten wie berüchtigten 20 Minuten deutscher WM-Geschichte waren ausschlaggebend für das Aus.

Es fehlt die Widerstandsfähigkeit anderer Teams

Die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick reagierte in diesen fatalen Minuten nicht auf die veränderte Spielsituation, passte weder Taktik noch physische Wucht an. Der Vorwurf, den auch die Sportschau-Experten Almuth Schult, Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira am Freitagabend (09.12.2022) teilten: Es fehlte die Widerstandsfähigkeit, die etwa die Kroaten zeigten, aber auch die Argentinier, die den 2:2-Ausgleich nach 2:0-Führung in der elften Minute der Nachspielzeit kassierten, trotz dieses immensen psychologischen Dämpfers in der Verlängerung und im Elfmeterschießen aber wieder gestärkt waren.

 

Khedira: "Müssen lernen, zu verteidigen"

Khedira, Weltmeister von 2014, stellte zwei Hauptaufgaben für die deutsche Nationalmannschaft heraus, die bis zur Europameisterschaft 2024 erledigt werden müssten: "Widerstandsfähigkeit. Da müssen wir wieder anpacken. Die Basics." Dies hänge eng mit dem weiteren Punkt zusammen: "Um erfolgreich Fußball spielen zu können, müssen wir erstmal wieder lernen, zu verteidigen. Das machen wir nicht mehr, wir spielen nur nach vorne."

Das Hauptaugenmerk auf die Defensive zu legen, widerspricht der Auffassung von Flick. Dies zeigte sich in seiner zweiten Saison beim FC Bayern. Zwar wurden die Münchner wieder deutscher Meister, aber vier Mannschaften in der Bundesliga kassierten 2020/21 weniger Tore.

Tore zu kassieren ist kein Problem, solange mehr geschossen werden, und dafür sorgte beim FCB mit Robert Lewandowski meistens ein Mittelstürmer von Weltklasseformat.

Ein klassischer Torjäger fehlt dem DFB-Team

In der Nationalmannschaft fehlt so einer seit dem Abgang von Miroslav Klose. Dies macht es umso schwieriger, die Fehler in der oft wackeligen Defensive wettzumachen. Mit Flick als Trainer kassierte Deutschland in jedem Spiel der Nations League mindestens einen Treffer, und das setzte sich bei der WM fort. Costa Rica, das in drei Gruppenspielen elf Torschüsse abgab, traf gegen Deutschland zwei Mal.

Ziel muss es sein, die Fans wieder zu begeistern

"Wir kassieren zu viele Gegentore", sagte Torhüterin Almuth Schult, die auch das Augenmerk auf die Defensive legen würde. Die Sportschau-Expertin pflichtete in der WM-Sendung am Freitag Thomas Hitzlperger bei, dass eine weitere große Aufgabe anstehe: die Fußballfans wieder deutlich näher an die Eliteauswahl des Deutschen Fußball-Bundes heranzuführen. "Die Fans müssen merken: Die spielen für uns", sagte Schult. Hitzlsperger fragte rhetorisch: "Wie können wir die Begeisterung der Menschen wecken?"

Die Meinung unter den Experten war einhellig: Deutschland muss wieder das zeigen, was mal unter "deutsche Tugenden" firmierte. Inzwischen heißt es "Widerstandsfähigkeit" und ist eng mit Kroatien verbunden.