Fußball | Bundesliga Dortmunds Julian Brandt - Zauberer und Rätselspieler

Stand: 13.04.2022 20:42 Uhr

Es gibt in Deutschland kaum einen begabteren Fußballer als Julian Brandt, nur sieht man das nicht immer. Brandt ist wie sein Klub Borussia Dortmund. Da ist viel Zauber, aber man rätselt auch.

Vor einigen Tagen, nachdem er Borussia Dortmund mit zwei Toren zum Sieg gegen den VfB Stuttgart verholfen hatte, sprach Julian Brandt über den Zustand seines Arbeitgebers - und womöglich auch über sich selbst. Auch an diesem Abend sei nicht alles perfekt gewesen, sagte Brandt, aber "die besten Antworten gibt man auf dem Platz."

Zuletzt waren da Fragezeichen, doch Brandt, 25, hat geantwortet, klar und deutlich. Der Trainer Marco Rose hatte Giovanni Reyna im Mittelfeld den Vorzug gegeben, doch weil der sich früh verletzte, durfte Brandt ran. Rose wird diesen Wechsel nicht bereut haben. Nach zwölf Minuten erzielte Brandt das früheste Jokertor der Bundesligageschichte. In der Schlussphase traf er noch einmal, mit einem Schuss aus 22 Metern.

Brandts Pässe stünden Lehrvideos gut zu Gesicht

Man sah Brandt aber nicht nur Tore schießen, auch sonst war sein Können kaum zu übersehen. Brandt erkannte Räume, die Stuttgarts Verteidiger erst Sekundenbruchteile später als solche identifizierten. Er lief viel und oft richtig, und dann diese Technik. Einige der Pässe, die Brandt spielte, würden Lehrvideos gut zu Gesicht stehen.

In Momenten wie denen gegen Stuttgart ist Brandt ein Spieler für die Fantasie, dann ist da immer auch Zauber. Es hat in dieser Saison einige davon gegeben. Brandt hat in 26 Spielen sieben Tore erzielt und sechs vorbereitet, seine dritte Saison in Dortmund ist schon jetzt die beste, sagt die Statistik.

Warum also, das fragt man sich schon, spielt ein derart begnadeter Fußballer nicht längst bei einem der ganz großen Klubs dieser Welt? Warum verzichtet der Bundestrainer Hansi Flick meist auf ihn? Warum sitzt Brandt auch beim BVB mitunter auf der Ersatzbank?

Rose: Brandt eher "kein Zweikampfmonster"

Hier lohnt es, den Worten des Dortmunder Trainers Marco Rose zu lauschen. Er nennt Brandt gern Jule, und wenn Rose über Jule spricht, ist da oft auch Lob. "Jule läuft an, Jule macht die Wege, Jule powert sich immer aus", sagte Rose.

Klingt gut, nach Rose-Fußball und nicht nur nach Zauber. Nur lobt Rose nicht unentwegt, er hat auch Verbesserungsbedarf ausgemacht."Wir werden sicher kein Zweikampfmonster mehr aus ihm machen", sagte Rose: "Aber ich verlange einfach, dass wir alle bereit sind, uns auch wehzutun in einem Pflichtspiel."

Man wird Brandt tatsächlich eher nicht mehr zweikampfmonsternd über das Grün flitzen sehen, doch das ist nicht das Problem. Brandt ist ja nicht nur der Mann für den Zauber wie gegen Stuttgart, in seinem Spiel ist manchmal auch Leichtsinn. Manchmal geht er dann ins Risiko, wo das nicht angebracht ist. Und er verliert mitunter Bälle, wo man keine Bälle verlieren sollte.

Dann stimmt schnell die Balance nicht, und für ein fragiles Gebilde wie den BVB ist das ein Problem. Man könnte auch sagen: Brandt ist ein Sinnbild für Dortmunds Mannschaft. Die Extreme liegen hier dichter beinander als anderswo, und wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht. In solchen Momenten geben die Dortmunder Rätsel auf, und Brandt ist ihr Rätselspieler.

"Wollen probieren, den Kader zu verbessern"

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in diesen Wochen in Dortmund hinter den Kulissen ein Spielercasting stattfindet, dass es dabei womöglich auch um Brandt geht, der mal Zauberer und dann wieder Rätselspieler ist. Der Trainer Rose hat zuletzt jedenfalls öfter erzählt, dass er sich im Spiel seiner Mannschaft mehr Entschlossenheit wünsche und Physis.

Vor einigen Tagen hat er dabei den FC Villarreal, den Champions-League-Gegner des FC Bayern, als Beispiel genannt. Welche Rolle Brandt in einem westfälischen Villarreal spielen könnte, darüber kann man in diesen Tagen nur spekulieren. Jedenfalls sagte Rose: "Wir wollen im Sommer probieren, den Kader zu verbessern."

Brandt und der "Wow-Effekt"

Als Brandt noch ein sehr junger Spieler war, der nur seine Gegenspieler vor Rätsel stellte, hat er "Zeit Online" im Jahr 2017 ein lesenswertes Interview gegeben. Es ging darin um eine mögliche Entfremdung zwischen dem Geschäft Fußball und den Zuschauenden, es ging aber auch um den Fußballer Brandt und Momente der Freude.

Brandt sollte erklären, was ihn am Fußball fasziniert, was ihn glücklich macht. Er sprach dann von etwas, das er "Wow-Effekt" nannte. Er meinte das Besondere, auch Unerwartete - und natürlich waren das Dinge, die das Spiel des Fußballers Brandt in seinen besten Momenten kennzeichnen.

Brandt sagte: "Eigentlich ist das der Grund, warum ich Fußball spiele: die Menschen zu überraschen. Und ich habe mir vorgenommen, mir das immer zu bewahren, aller taktischen Verantwortung zum Trotz."