FIFA-Präsident Gianni Infantino mit dem WM-Pokal - die FIFA würde das Turnier wohl gerne alle zwei Jahre austragen.

Fußball-Weltverband will mehr Turniere WM alle zwei Jahre? Wie FIFA und Klubs um den Kalender kämpfen

Stand: 03.09.2021 10:00 Uhr

Die FIFA und die Ligen streiten sich derzeit um die Abstellung von Nationalspielern. Doch der wahre Konflikt ist ein anderer: Es geht darum, wer im Kalender das Sagen hat - und ob die WM bald alle zwei Jahre stattfindet. Die FIFA treibt das Vorhaben mit Druck voran.

"Die FIFA ist einseitig vorgegangen" - dieser Satz stand sinngemäß in fast allen Erklärungen der europäischen Top-Ligen, die sich gerade mit dem Weltverband über die Abstellung von Nationalspielern streiten. Der Weltverband hatte das Länderspielfenster in Südamerika um zwei Tage verlängert, damit dort wegen der Coronavirus-Pandemie ausgefallene Spiele der WM-Qualifikation nachgeholt werden können. Hinzu kam, dass nun auch bei drohender Quarantäne die Abstellungspflicht bestehen sollte - zuletzt hatte es Ausnahmen gegeben.

Die Premier League, La Liga, die Serie A, die Ligue 1 und auch die Bundesliga sahen sich von den Änderungen übergangen. Die Klubs müssen nun länger und teils unter dem Risiko einer Quarantäne auf ihre Spieler verzichten. Die Ligen protestierten, die spanische Liga zog sogar vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Zahlreiche Klubs verweigerten die Abstellung. Der Streit eskaliert - doch im Hintergrund steht ein noch größerer Konflikt.

Europas Spitzenfußball: Sorge vor dem neuen WM-Rhythmus

In Europas Fußball herrscht die Sorge, dass die FIFA im ohnehin schon sehr vollen Fußball-Kalender noch einmal "einseitig vorgeht", wie mehrere Ligen-Vertreter der Sportschau bestätigten. Nämlich dann, wenn es um die Verkürzung des WM-Rhythmus auf zwei statt vier Jahre geht. Auch deshalb agieren die Ligen derzeit so lautstark.

Saudi-Arabien gilt mittlerweile als ein enger Verbündeter von FIFA-Präsident Gianni Infantino, auch in finanziellen Fragen. Und beim FIFA-Kongress am 21. Mai 2021 beantragte das FIFA-Mitglied Saudi-Arabien eine Machbarkeitsstudie. Zu klären sei, ob man die WM der Männer und Frauen künftig nicht alle zwei Jahre austragen kann.

Die Beauftragung der Studie wurde mit überwältigender Mehrheit beschlossen, von 209 Verbänden stimmten 166 dafür, nur 22 dagegen. 21 Verbände enthielten sich. Das Thema ist also ernst - und die FIFA hat eine große Macht in Kalenderfragen.

Der Kalender wird ab 2024 neu erstellt

Der "International Match Calendar", praktisch der Länderspielkalender, wird von der FIFA zusammengestellt. Darin sind ausschließlich Länderspielfenster festgelegt. Alle anderen Wettbewerbe, ob Champions League oder Bundesliga, richten sich danach aus. Eine Weltmeisterschaft ist ein solches Länderspielfenster.

Die aktuelle Version des Kalenders reicht bis Ende 2024 inklusive der EM in Deutschland, danach sind die Kalenderfragen im internationalen Fußball noch offen.

Bald jedes Jahr ein Großturnier?

Dass sich die Studie gegen einen Zwei-Jahres-Rhythmus ausspricht, ist eher unwahrscheinlich. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach davon, "offen" an das Thema heranzugehen. Arséne Wenger, der seit 2019 bei der FIFA als "Direktor für globale Fußballförderung" arbeitet, leitet die Studie. Im "Kicker" erklärte er im Juli seine Ideen für die Zeit nach 2024 bereits.

Der Studienleiter: Arsene Wenger, FIFA-Direktor für globale Fußballförderung

Der Studienleiter: Arsene Wenger, FIFA-Direktor für globale Fußballförderung

"Stellen Sie sich das so vor", sagte Wenger. "2026 die Weltmeisterschaft in den USA, Mexiko und Kanada; 2027 eine Europameisterschaft und die anderen Kontinental-Turniere; 2028 wieder eine Weltmeisterschaft; und so weiter." Der Wunsch wirkt längst sehr konkret. Als Kompromiss schlug Wenger vor, neben den Turnieren pro Jahr nur ein weiteres Länderspielfenster auszutragen, das dann länger dauern und Termine sparen soll. Auch die Qualifikation könnte dann komplett anders und schlanker aussehen.

Was mit der Klub-WM passieren könnte, die Infantino ursprünglich vor der Coronakrise mit 32 Teams für das Jahr 2021 in China geplant hatte, sagte Wenger allerdings nicht.

Die PR-Maschine läuft bereits, Ex-Stars werben für die Idee

Während das Ergebnis der Studie vordergründig offen ist, läuft die PR-Maschine der FIFA für den Zwei-Jahres-Rhythmus längst. Erste Ex-Stars des Fußballs werben für die Idee. Yaya Touré schrieb bei Twitter: "Es würde Afrika helfen, sich zu entwickeln."

Argentiniens Ex-Nationalspieler Javier Mascherano fügte in spanischen Medien hinzu: "Es ist einfach grausam, vier Jahre auf die nächste Chance zu warten." Beide sind Teil des Programms "FIFA-Legenden", bei dem Ex-Spieler laut Weltverband "die FIFA weltweit in ihrem Bemühen repräsentieren, die Fußballentwicklung voranzutreiben."

Opposition außerhalb Europas ist nicht in Sicht

Für die UEFA stellen sich nun viele Fragen. Eine WM alle zwei Jahre würde die EM sportlich und finanziell abwerten. Die Nations League als neue Einnahmequelle stünde komplett in Frage. Für die Klubs in Europa blieben die Belastung und die Verletzungsgefahr der Spieler das Hauptthema, die sie mit vielen Millionen Euro bezahlen.

Die Opposition gegen den Plan besteht also vor allem in den großen europäischen Ländern, die sich meistens qualifizieren und die namhaftesten Spieler stellen - und bezahlen.

Viele Länder hoffen auf mehr Geld durch mehr Weltmeisterschaften

Außerhalb Europas ist die Lage komplett anders, die Unterstützung für den Plan ist groß. Afrikas Konföderation hat sich bereits für den neuen WM-Rhythmus ausgesprochen, mehrere asiatische Verbände haben sich ähnlich positioniert, auch aus der CONCACAF-Konföderation ist wenig Gegenwehr zu erwarten.

Für sie alle ergibt die Idee nämlich durchaus Sinn: Während die UEFA mit der EM alle vier Jahre rund zwei Milliarden Euro einnimmt, ist mit dem Afrika-Cup oder der Asienmeisterschaft längst nicht so viel Geld zu verdienen. Ein kürzerer WM-Rhythmus bedeutet für diese Länder mehr Geld. Rund fünf Milliarden Euro betrugen die Einnahmen der FIFA aus der WM 2018.

Die Frage: Wer wird im Streit wie weit gehen?

Wann das Ergebnis der Studie erwartet wird und ob der FIFA-Rat oder der Kongress über das Vorhaben abstimmen würden, beantwortete die FIFA auf Anfrage der Sportschau nicht.

Spannend wird nun, ob die FIFA die Klubs für die verweigerte Abstellung der Nationalspieler wirklich bestrafen wird, normalerweise drohen fünf Tage Sperre. Dann zeigt sich, wer im Streit um den Kalender wie weit zu gehen bereit ist.