Auch Randal Kolo Muani war beim Eintracht-Training dabei.
interview

Spielerberater Neblung zu Winter-Transfers "Es könnte noch einige spannende Transfers geben"

Stand: 05.01.2023 23:37 Uhr

Ein Winter-Transferfenster nach einer Fußball-Weltmeisterschaft gab es noch nie. Spielerberater Jörg Neblung prognostiziert im Interview mit der Sportschau "spannende Transfers".

Von Jakob Rhein

Seit dem 1. Januar 2023 ist das Winter-Transferfenster geöffnet. Eine Zeit, in der sich traditionell viel tut: Die Gerüchteküche brodelt, bei Spielerberatern läuft das Telefon heiß. So wie bei Jörg Neblung. Er blickt im Interview mit der Sportschau auf die kommenden Wochen – und wundert sich, dass viele Vereine die Torhüterposition vernachlässigen.

Sportschau: Herr Neblung, das Wintertransferfenster ist seit ein paar Tagen geöffnet. Ist so eine Transferphase im Winter nach einer WM aufregender als sonst?

Jörg Neblung: Für mich nicht. Das Geschäft läuft genauso wie in den Vorjahren. Die Spieler verletzen sich entweder bei der WM oder beim Skifahren, während sie sich sonst in der Liga verletzt haben. Der Bedarf ist nach wie vor derselbe. Es wird im Winter nachgebessert. Nur, dass die Vereine jetzt ein bisschen länger Pause hatten.

Bislang ist es bei vielen Bundesligaklubs noch relativ ruhig. Woran liegt das?

Neblung: Viele Vereine müssen erst einmal Spieler abgeben, mit denen sie nicht zufrieden sind und so Budget für neue Spieler freischaufeln. Früher, vor zehn, fünfzehn Jahren, wurde erst gekauft und danach wurde sich um den Verkauf oder die Verleihe gekümmert. Das ist jetzt anders, es wird seriöser gewirtschaftet. Und man muss auch erstmal den passenden Spieler finden, das ist manchmal gar nicht so leicht.

Neblung - "Es wird seriöser gewirtschaftet"

Sportschau, 05.01.2023 13:54 Uhr

Durch die WM haben die Vereine dieses Jahr etwas mehr Zeit, sich mit ihrem Kader auseinanderzusetzen. Inwiefern macht sich das jetzt auf dem Transfermarkt bemerkbar?

Neblung: Die Auseinandersetzung mit meinem Kader funktioniert ja in dem Moment nicht mehr, wenn der Kader keine Pflichtspiele absolviert. Viele Vereine aus der 1. und 2. Liga hätten es lieber gesehen, die Saison ganz normal weiterzuspielen bis kurz vor Weihnachten. Denn dann hätten sie gewusst, wo sie stehen: Spielt sich ein Nachwuchstalent doch noch in die Mannschaft rein? Kann mein Linksverteidiger dem Druck standhalten? All diese Fragen konnten nicht geklärt werden. Jetzt müssen die Klubs schauen, dass sie in der Vorbereitung erkennen, auf welchen Positionen es Bedarf gibt.

Unabhängig von der Pause - wie wird sich die WM auf das Transfergeschehen auswirken?

Neblung: Die Spieler aus Marokko haben sich erfolgreich ins Schaufenster gespielt, das muss man sagen. Es gibt noch ein paar andere, die bei der WM gezeigt haben, dass sie international bestehen können. Für die ist die WM sicherlich eine lohnende Sache gewesen. Aber bei diesen Spielern reden wir über einen sehr kleinen Bruchteil des gesamten Transfermarktes. Da mischen Viertligisten, Drittligisten und kleinere Erstligavereine aus dem Ausland ja gar nicht mit.

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Sportschau, 05.01.2023 14:00 Uhr

Durch die Corona-Pandemie haben viele Vereine weniger Geld zur Verfügung. Hat sich die Herangehensweise von deutschen Vereinen an eine Transferphase in den vergangenen Jahren verändert?

Neblung: Wir sehen seit ein paar Jahren, dass die Jugendlichkeit von Spielern überbetont wird. Transferwerte entwickeln, ist das Stichwort. Das heißt, ich hole zum Beispiel ein junges Talent wie Jude Bellingham und entwickle ihn auf das nächste Marktlevel. Da gibt’s ein paar Vereine, die sich das leisten können. Aber der Run auf diese Top-Talente ist so groß, dass die Preise, die da aufgerufen werden, für viele Vereine gar nicht bezahlbar sind. Darunter leiden speziell die Endzwanziger-Spieler, die nicht mehr in der Top-Klasse spielen, die plötzlich nicht mehr so gewollt sind auf dem Markt. Das sind gute Spieler, die vielen Klubs sicherlich helfen können. Aber die Überbetonung dieses Verkaufsschemas hat zu einer Veränderung des Marktes geführt.

Wie hat sich denn ihre Arbeit als Berater in den letzten Jahren verändert?

Neblung: Der Markt ist international und durch die Digitalisierung einfach total transparent geworden. Meine Spieler und Spielerinnen aus Deutschland müssen sich mit der ganzen Welt messen. Das führt dazu, dass sich der Spieler aus Düsseldorf mit dem Spieler aus Kuala Lumpur um eine Position streitet. Das war vorher anders. Und deshalb funktionieren das ganze Sichten und auch das Berater-Geschäft anders als vorher.

Ein großes Thema in diesen ersten Januartagen: Wen holt der FC Bayern als Ersatz für Manuel Neuer?

Neblung: Wir sind alle sehr gespannt. Zumal ich mit den Bayern bis vor kurzem noch im Austausch war. Da war noch ein ganz anderes Profil gefordert. Alles war auf Manuel Neuer zugeschnitten. Das ist nicht so gut, weil wir jetzt sehen: Es wird sehr schwierig, jemanden zu verpflichten. Und wenn ich Qualität haben will, dann wird das einiges an Geld kosten. Viele Vereine neigen dazu, auf der Torhüterposition zu sparen. Das ist ein riesengroßer Fehler, weil es eine absolute Schlüsselposition im Spiel ist. Ich bin sehr gespannt, was bei den Bayern passieren wird. Es wird momentan aber auch viel Unsinn geschrieben.

Zum Beispiel?

Neblung: Alexander Nübel zurückzuholen, würde bedeuten, dass die Bayern plötzlich eine klare Priorität auf den jungen Torhüter setzen. Damit würde man das ganze Schema rund um Manuel Neuer infrage stellen. Das andere ist Kevin Trapp: Warum sollte er in einer Phase, in der er blendend dasteht mit Eintracht Frankfurt, zu den Bayern gehen und darauf warten, bis Manuel Neuer wieder fit wird oder nicht? Mit Yann Sommer hätte ich auch nicht richtig gerechnet, weil er in Mönchengladbach eigentlich sehr gut aufgehoben ist und sich einen Status erarbeitet hat, den nicht viele Spieler haben.

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Sportschau, 05.01.2023 14:03 Uhr

Als Berater sind Sie ja sehr nah dran an den Vereinen. Wird es bis Ende Januar noch die eine oder andere Transferüberraschung geben?

Neblung: Ja, davon gehe ich aus. Wenn Investorengeld für Kolo Muani auf den Tisch kommt, dann wird sich ein Verein wie Eintracht Frankfurt damit beschäftigen müssen. Da spielen einfach wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Ich glaube, es könnte noch einige spannende Transfers geben. Wir haben bis zum 31. Januar also noch interessante Wochen vor uns ...

... und unzählige Telefonate?

Neblung: Genau. Aber danach geht es direkt weiter, weil ein paar Märkte auch nach dem 31. Januar noch offen sind. Und auch die Planung für das nächste Transferfenster im Sommer steht an. Das heißt, wir stehen am 1. Februar nicht mit der Badehose am Strand.