Fußball | Hintergrund Minijobber am NLZ: Umdenken beim FC Bayern

Stand: 08.10.2021 16:24 Uhr

An den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten werden häufig Minijobber beschäftigt und damit wird möglicherweise auch gegen Mindestlohnregelungen verstoßen. Ein Prozess in München offenbart jetzt, dass der FC Bayern seine Praxis umstellt.

Von Matthias Wolf

Der Prozess um einen Jugendtrainer vor dem Arbeitsgericht in München lenkt noch einmal den Fokus auf die Vorwürfe gegen Nachwuchsleistungszentren von Bundesligisten. Das WDR-Hintergrundmagazin Sport inside hatte berichtet, dass es dort quer durch die erste und zweite Bundesliga mutmaßliche Verstöße gegen das Mindestlohngesetz gibt.

Keine Trainer mehr als Minijobber beim FC Bayern

In dem Verfahren wurde nun deutlich, dass zumindest der FC Bayern mittlerweile keine Trainer auf Minijobber-Basis mehr in seinem Campus beschäftigt. Wohl auch deshalb, weil der öffentliche Druck zu groß geworden ist. "Aber das könnte ein Anfang für ein Umdenken sein", kommentierte Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL): "In einer Branche, in der so viel Geld verdient wird, darf im Jugendbereich nicht gespart werden."

Nach der Berichterstattung von Sport inside an Beispielen beim FC Bayern, FC Augsburg, Hertha BSC und anderen Vereinen hatten die Zollbehörden mit der Staatsanwaltschaft eine Razzia beim FC Augsburg durchgeführt – und angekündigt, womöglich weitere Bundesligisten zu überprüfen. Das löste bei einigen Klubs hektische Betriebsamkeit zu dem Thema aus.

Am 5. Oktober wurde nun die Klage eines ehemaligen Jugendtrainers am FC Bayern Campus gegen seine Kündigung vor dem Arbeitsgericht (16. Kammer) verhandelt. Auch er war auf 450-Euro-Basis angestellt und gehört zum Kreis derer, die angeben, deutlich mehr als die gesetzlich erlaubten rund 40 Stunden im Monat gearbeitet zu haben.

Betriebsbedingte Kündigung oder Strafe?

Eine Sprecherin des Arbeitsgerichtes bestätigte jetzt ein so genanntes Teilurteil. Verhandelt wurde zunächst nur, ob die Kündigung des Trainers überhaupt wirksam war. Sie war es nach Ansicht des Gerichtes nicht. Den Trainer hatte der FC Bayern bereits zum 30. Juni 2020 loswerden wollen, dann aber aufgrund offensichtlicher Formfehler noch einmal am 17. November 2020 (zum Jahresende 2020) gekündigt.

Auch diese Kündigung sei nicht wirksam, entschied nun das Arbeitsgericht. Weil der FC Bayern dieses Urteil (gegen das der Verein in Revision gehen kann) wohl schon geahnt hat, gibt es mittlerweile eine weitere Kündigung - zum 31. Oktober 2021. Ob diese rechtens ist, wird nun ebenso in einer neuen Verhandlung geklärt – wie auch die eigentlichen Motive der Kündigung. Denn das Gericht äußerte Zweifel an den bisher vom FC Bayern angeführten Gründen, wonach es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handle.

In der ursprünglichen Kündigung stand zunächst gar kein Grund für die Trennung. Der Trainer glaubt, der Klub habe ihn entlassen, weil man ihn offenbar verdächtigt, Interna zu den Vorfällen rund um den Rassismus-Skandal am FC Bayern Campus an die Öffentlichkeit gegeben zu haben. Der Anwalt des Trainers hatte im Gespräch mit Sport inside betont, sein Mandant fühle sich als "Bauernopfer" - weil der Trainer gegenüber dem Verein kritisch den offenen Rassismus und das Mobbing durch einen anderen Trainer und sportlichen Leiter angesprochen habe. Dieser ist mittlerweile vom FC Bayern entlassen und wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Drei weitere Trainer und Betreuer im Jugendbereich mussten im Zuge des von Sport inside aufgedeckten Skandals ebenfalls gehen.  

Mittlerweile führt der FC Bayern einen Kündigungsgrund an – und der ist im Gesamtkontext möglicher Mindestlohn-Vergehen interessant. Es handle sich um eine betriebsbedingte Kündigung, eine unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Umstrukturierung des FC Bayern Campus, argumentiert der Klub nun. Es würden schlichtweg keine Minijobber als Trainer mehr beschäftigt. Mit der Begründung, es handle sich um Leistungssport im Nachwuchsbereich. Und deshalb sei dieser anspruchsvolle und vielfältige Trainerjob am Campus nicht in dem durch eine geringfügige Beschäftigung vorgegebenen Rahmen zu erfüllen.

Moralisch in Zugzwang

Damit räumt der Rekordmeister im Grunde schwerwiegende Vergehen und Fehler in der Vergangenheit ein. Denn der FC Bayern spricht nun plötzlich von mindestens 15 bis 20 Wochenstunden, die nötig seien, um als Jugendtrainer am Campus zu arbeiten. Eine Tatsache, die man bisher am Campus geflissentlich beim Punkt Bezahlung in vielen Fällen ignoriert hatte. Manche Trainer berichteten Sport inside sogar von 30 Stunden pro Woche – auf Minijobber-Basis. Dumpinglöhne, die für öffentliche Empörung gesorgt hatten.

All das brachte den FC Bayern nun offensichtlich moralisch in Zugzwang. Nun ist die Rede von Teilzeittrainern, die im Rahmen des Verfahrens namentlich genannt wurden und die mit Summen zwischen 780 und 900 Euro, in einem Fall auch mit 1.280 Euro entlohnt würden. Nur noch Scouts des Vereins sollen lediglich 450 Euro erhalten. Der FC Bayern hatte zahlreiche Nachfragen von Sport inside bezüglich der offenbar nunmehr erfolgten Abkehr von der Minijobber-Praxis im Trainerbereich unbeantwortet gelassen.

Es sei bedauerlich, dass der FC Bayern "erst jetzt reagiert habe, um sein Bewusstsein zu schärfen – aber immerhin passiert jetzt was", sagt BDFL-Präsident Lutz Hangartner. "Die besten Trainer sollen eigentlich im Nachwuchs arbeiten und die Talente an oben heranführen. Das heißt auch, sie müssen anständig bezahlt werden. Das hat auch viel mit Demut in einer Branche zu tun, in der sehr viel Geld unterwegs ist.“