Beverly Ranger vom Bonner SC beim Torjubel.

50 Jahre Tor des Monats Tor des Monats von Beverly Ranger - außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht

Stand: 02.03.2021 07:00 Uhr

Beverly Ranger schießt 1975 ein Tor des Monats, wird zum Star, erhält einen Werbevertrag. Die Sportschau trifft sie mehr als 45 Jahre nach dem Treffer. Ihre Geschichte sagt einiges über den Frauenfußball und viel über Rassismus aus, der lange nicht erkannt und benannt wird.

Vico Torriani ist ein beliebter Gast in den Samstagabendshows. Millionen schauen zu, wenn der Schweizer "Du schwarzer Zigeuner" und "Schön und kaffeebraun" singt. Noch in den 80ern des 20. Jahrhunderts tritt er damit auf, ohne dass es den damals wie heute gerechtfertigten Aufschrei gegeben hätte, diese Lieder seien diskriminierend und rassistisch.

Als Beverly Ranger am 20. Juli 1975 bei der Sportschau mit Verspätung für ihr Tor des Monats Juni geehrt wird, begrüßt sie Moderator Ernst Huberty, indem er aus dem schon 1958 geschriebenen Lied zitiert, an dem sich niemand stört: "Schön und kaffeebraun sind alle Frauen aus Kingston Town." Ranger sei "der lebende Beweis", fährt Huberty fort und überreicht der Fußballerin die Medaille. Ranger lächelt verlegen.

Für den Film "50 Jahre Tor des Monats - ReTORspektive", der am Sonntag (28.03.2021) ab 18.30 Uhr im Ersten zu sehen sein wird, trifft die Sportschau Beverly Ranger, die tatsächlich in Kingston Town, der Hauptstadt von Jamaika, geboren worden ist.

"Das hat mich wirklich umgehauen. Was sollte das? Was wollen sie damit bezwecken? Das war unnötig", sagt sie zu der Begrüßung, "ich war da, um über das Tor und den Frauenfußball zu sprechen. Alles andere war unnötig."

Solo auf dem Weg zur Meisterschaft

Beverly Ranger ist 22 Jahre alt, als sie an fünf Spielerinnen und der Torhüterin der SSG Bergisch Gladbach vorbeizieht und das 1:1 im Finale der Mittelrheinmeisterschaft erzielt. Der Bonner SC gewinnt das Spiel, wird später durch ein 4:2 gegen den FC Bayern München deutscher Meister. Auch im Finale trifft Ranger.

Tor des Monats Juni 1975

Sportschau

"Es wurde mir so gesagt, dass ich der erste Star des Frauenfußballs war, und dass der Frauenfußball dadurch populärer wurde", so Ranger. Es habe Erwin Kostedde, den ersten schwarzen deutschen Nationalspieler, und Rigobert Gruber gegeben, und "jetzt war da auch eine schwarze Frau, die Fußball spielen konnte".

"Gerne in den Mittelpunkt geschoben"

Den Pokal für die Deutsche Meisterschaft des Bonner SC darf Monika Bädorf als Kapitänin zuerst in die Höhe stemmen. Sie heißt heute Monika Larmann. Kurz nachdem der Deutsche Fußball-Bund den Frauenfußball auf einem Bundestag im Oktober 1970 wieder offiziell erlaubt, meldet sie sich beim Bonner SC an. Vorher ist sie Leichtathletin gewesen.

"Beverly war auffallend, sehr gesellig", erinnert sich Larmann an ihre Mitspielerin, "wir haben viel Spaß mit ihr gehabt." Allerdings habe sich Ranger auch gerne "in den Mittelpunkt geschoben".

Werbevertrag nach der Meisterschaft

Monika Larmann schreibt jahrelang für eine Kölner Zeitung. Im Jahr 2005 auch über sich, den Bonner SC und Beverly Ranger: "In allen Gazetten war sie damals präsent, alle Rundfunkanstalten haben über sie berichtet, das Fernsehen natürlich auch." Weiter heißt es: "Fast wäre dabei in den Hintergrund getreten, dass ihre Mannschaft der Bonner SC war und dass diese Mannschaft mehrere Spitzenspielerinnen in ihren Reihen hatte, die es an Spielkunst mit Beverly mehr als aufnehmen konnten."

Beverly Ranger ist nach Bärbel Wohlleben die zweite Torschützin des Monats. Sie unterschreibt nach dem Gewinn der Meisterschaft 1975 einen Werbevertrag mit einem Sportartikelausrüster. Die "schwarze Perle", wie über sie zu lesen ist, sie ist ein Star.

"Wir haben sie als Exotin gesehen"

"Wir haben sie als Exotin gesehen, denn damals war es nicht üblich, schwarze Mitspielerinnen zu haben", sagt Larmann. "Aber über Rassismus haben wir nicht eine Sekunde nachgedacht. Das Wort gab es damals gar nicht."

Beverly Ranger bestätigt die Sätze ihrer ehemaligen Mitspielerin. "Ich wusste, dass es Rassismus gibt. Aber ich habe ihn im Alltag nicht erfahren." Die Begrüßung in der Sportschau sei eine Ausnahme gewesen: "Ich war mir bewusst, dass einer Weißen nie diese Frage gestellt worden wäre. Ich mochte die Frage nicht, aber ich konnte nichts machen, weil es live war."

Beverly Ranger lebt seit vielen Jahren in den USA, arbeitet an einer High School in Charlotte. Sie habe mal in den Staaten Urlaub gemacht, und es habe ihr da sehr gut gefallen, da sei sie geblieben. "Wir sind immer noch nicht da, wo wir sein sollten. Wir sind weit davon entfernt, dass es gut ist. Aber es geht voran", sagt sie über den Kampf gegen Rassimus.

"Wenn Covid vorbei ist", wolle sie mal nach Deutschland kommen, zu einigen Mitspielerinnen ihrer ehemaligen Klubs in Bonn, dem SV Bubach Calmesweiler, der SSG Bergisch Gladbach, dem TuS Niederkirchen und den Offenbacher Kickers habe sie noch Kontakt.

"Ich bin sehr stoz darauf, was ich erreicht habe, dass ich dem Frauenfußball in Deutschland auf die Beine geholfen habe", sagt Beverly Ranger. An ihrer Schule in Charlotte, North Carolina, wisse niemand, dass sie mal Fußball gespielt und für ein außergewöhnliches Tor im Fernsehen eine Medaille bekommen habe. Sie schaue selbst auch nur sehr wenig Fußball. Sie möge Tennis - "und LeBron".

LeBron James ist Basketballer, ein Superstar. Er setzt sich immer wieder für den Kampf gegen Rassismus ein. Zlatan Ibrahimovic, ein Superstar unter den Fußballern, hat ihm kürzlich geraten, sich aus der Politik herauszuhalten. Dabei kommt es auch im Sport immer wieder zu rassistischen Vorfällen. "Das ist sehr traurig", sagt Ranger, "aber es passiert nicht nur im Fußball. Es passiert jeden Tag. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns."

"50 Jahre Tor des Monats - ReTORspektive", Sonntag, 28.03.2021, 18.30 Uhr, Das Erste