Die Spieler des FC Bayern feiern nach dem Sieg über Manchester United.

Fußball Die Offensive des FC Bayern kaschiert ein altes Problem

Stand: 21.09.2023 10:26 Uhr

In einem "wilden Spiel" gegen Manchester United lässt die glänzend aufgelegte Offensive die Münchner wieder einmal jubeln. Doch die Defensiv-Probleme sind nicht zu übersehen. Es werden Erinnerungen an die Vorsaison wach.

Von Raphael Weiss

Nach nun fünf Pflichtspielen kann man festhalten: Harry Kane ist definitiv in München angekommen. Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft funktioniert seit seiner Ankunft beim FC Bayern genau so, wie man es von ihm erhofft, ja erwartet hatte. In der Bundesliga startete er mit vier Toren in vier Spielen, legte zudem einen Treffer auf. Und auch bei seinem Champions-League-Debüt gegen Manchester United hatte er mit einem Assist und einem Tor einen großen Anteil am 4:3-Sieg des FC Bayern.

Dabei sticht Kane bislang gar nicht so sehr durch spektakuläre Aktionen und Traumtore heraus. Er profiliert sich als akribischer Arbeiter, der sich sofort in das System eingefügt hat. Harry Kane macht aktuelles Vieles richtig, doch viel wichtiger vielleicht noch: Er macht fast gar nichts falsch. Kane bringt eine Seriosität ins Spiel der Münchner, die dem FC Bayern in der vergangenen Saison häufig gefehlt hat. Seine Mitspieler profitieren von dieser eleganten und schnörkleosen Spielweise.

Sané steuert auf seinen Karrierebestwert zu

Für die Glanzpunkte waren in den vergangen Wochen andere zuständig. So auch gegen Manchester. Etwa Leroy Sané, der mit seinem Antritt auf der rechten Außenbahn die Verteidigung von Manchester überraschte, nach innen zog, und schließlich den Ball mit einem wuchtigen Schuss aufs Tor brachte, wo Torwart Andre Onana sich einen folgenschweren Fehler leistete. Kane hatte auch seinen Anteil am Tor. Im Strafraum, dicht bedrängt von einem Verteidiger war er die Zwischenstation zwischen Sanés Antritt und Abschluss. Kane deutete seinerseits einen Antritt in Richtung Tor an, doch ließ den Ball genau auf den Fuß Sanés zurückspringen und ermöglichte ihm so den Abschluss zum wichtigen 1:0.

Die gesamte FC-Bayern-Offensive wirkt derzeit beflügelt. Besonders Sané kommt seit der Sommerpause wie ausgewechselt daher. Selbstbewusst, voller Spielfreude und mit dem nötigen Quäntchen Glück. Sané ist etwas weiter vorne positioniert, als noch in den vergangenen Saisons und profitiert davon, aber auch vom Vertrauen, dass ihm Tuchel entgegenbringt. "Mit seiner Qualität müsste er die Bundesliga dominieren", hatte sein Coach zuletzt noch gefordert. In der derzeitigen Form ist er auf dem besten Weg, sich diesem Anspruch anzunähern - und den Karrierebestwert von acht Bundesligatoren (derzeit drei) zu übertreffen.

Tuchel verspricht Tel eine Belohnung

Gegen Manchester United bewies auch Jamal Musiala, wie wertvoll er für diese Mannschaft ist. Immer wieder pflügte er in Kontersituationen mit Tempodribblings durch das gesamte Mittelfeld der "Red Devils", war nicht vom Ball zu trennen. Auch nicht im Strafraum, wodurch er in der 32. Minute das 2:0 durch Serge Gnabry auflegte. Abgerundet wurde das Offensiv-Feuerwerk durch den viel gelobten Youngster Mathys Tel, der erneut seine Jokerrolle perfekt ausgespielt hatte und das Zwischenzeitliche 4:2 beisteuerte (90.+2). "Mathys macht es herausragend gut", lobte Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel das Offensivtalent und stellte ihm eine baldige Belohnung in Aussicht. "Es ist eine Frage der Zeit, wann er auch mal beginnt."

Doch dass das Spiel eben nicht 4:0 ausging, sondern denkbar knapp mit nur einem Tor Unterschied endete, zeigt, dass der FC Bayern ein Problem aus der Vorsaison mitgenommen hat: Defensiv sind die Münchner wahnsinnig anfällig. Zwar dominierte die Mannschaft von Thomas Tuchel fast über das gesamte Spiel hinweg - aber immer wieder kam Manchester frei vor dem Tor zum Schuss. Schon kurz nach Beginn war das Tor von Sven Ulreich durch eine scharfe Hereingabe von Christian Eriksen mit anschließendem Nachschuss in Gefahr gekommen. In auch in der Folge blieben defensive Aussetzer ständiger Begleiter im Münchner Spiel.

Viele Fehler - "Ein wildes Spiel"

Ein Fehler beim Klärversuch, ein Tunnler gegen Leon Goretzka, eine unsortierte Innenverteidigung führten schließlich in der 48. Minute zum 1:2 aus Münchner Sicht. In der 87. Minute bekamen Min-jae Kim und Dayot Upamecano erneut keinen Zugriff auf die kombinierenden Engländer - 2:3. Ein von Upamecano sträflich alleingelassener Casemiro sorgte schließlich für den 3:4-Endstand.

"Es war ein wildes Spiel", resümierte deshalb etwa Sané. "Offensiv war es gut, aber wir müssen weniger Fehler machen und das Spiel kontrollieren". Und bekam auch in der Wortwahl vom neuen Rechtsverteidiger Konrad Laimer recht: "Ein wildes Spiel mit einem wilden Ergebnis". Das Defensive Auftreten der Münchner erinnert dabei an die Vorsaison, in der weder Julian Nagelsmann noch Tuchel trotz starker Einzelakteure eine funktionierende Verteidigung entwerfen konnten. Keine Mannschaft hatte in der Bundesliga so viele Tore durch Abwehrfehler verschuldet wie der spätere Meister.

Erinnerungen an vergangene Saison

Es sind also alte Muster, die beim FC Bayern erkennbar sind. Es wird spannend, wie sich die Situation um den derzeit ausgebooteten Defensiv-Chef der verganenen Saison, Matthijs de Ligt, entwickelt, der schon seine Unzufriedenheit mit der Situation angedeutet hat. Argumente, den Niederländer draußenzulassen, dürften Tuchel so langsam, ausgehen. Zumal die geforderte "Holding Six" auch die Fehler der Innenverteidigung an diesem Champions-League-Auftakt verhindert hätte. Der Druck auf den Trainer ist allerdings noch erträglich. Seine Mannschaft ist in der aktuellen Saison noch ungeschlagen. Die Offensive ist derzeit einfach zu gut und kaschiert die defensiven Schwächen zumindest im Endergebnis.

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