Sportpolitik | Menschenrechte Schwule und Lesben bei der WM in Katar willkommen?

Stand: 13.05.2022 12:02 Uhr

Ein Dokument des katarischen WM-Organisationskomitees, das der Sportschau vorliegt, gibt Einblicke in die PR-Strategie des WM-Gastgeberlandes Katar.

Im Vorfeld der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2019 hatte der damalige Vorstandsvorsitzende des FC Liverpool, Peter Moore, schwulen und lesbischen Fans des Vereins versichert, dass diese in Katar willkommen seien, obwohl Homosexualität in Katar per Gesetz verboten ist. Das habe ihm das WM-Organisationskomitee versichert.

In Katar ist die Rechtslage unverändert. Homosexuelle Handlungen sind strafbar. Die Strafen sehen Auspeitschen, Inhaftierung oder sogar die Todesstrafe vor - wobei letztere zumindest nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen bislang nicht vollstreckt worden ist.

PR-Spin trotz drastischer Strafen für Homosexualität

Aus dem anlässlich zur FIFA-Klub-WM verfassten, mehrseitigen PR-Dokument, das der Sportschau vorliegt, geht hervor, dass dem katarischen WM-OK bewusst ist, dass die harten Gesetze nicht zu einer "fantastischen Fan-Erfahrung" passen, die Katar der Welt verkaufen möchte. Aus diesem Grund wurde ein PR-Spin empfohlen: Laut Dokument sollen in der Öffentlichkeit "Geschichten" erzählt werden, die zeigen, dass Katar bereit sei, Fans aus der ganzen Welt zu begrüßen. Damit soll der "Mythos" zerstreut werden, dass die Gesetze gegen Homosexualität auch für die Gäste bei der WM gelten.

OK-Chef Al-Khater: "Homosexuelle in Katar willkommen"

In den vergangenen Jahren wurde der PR-Spin dann auch umgesetzt. Jeder sei in Katar willkommen, auch Homosexuelle, sagte Nasser Al-Khater, der Vorsitzende des WM-Organisationskomitees in einem "CNN"-Interview (30.11.2021). Human Rights Watch zweifelt die Weltoffenheit des WM-Gastgeberlandes an. Katar müsse Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung unabhängig von sexueller Orientierung und Genderidentität für alle Menschen in Katar versprechen - und nicht nur WM-Touristen für einige Tage, forderte Human Rights Watch.

Bezahlte Ex-Profis als WM-Botschafter

Laut Dokument sollen unter anderem auch eingekaufte WM-Botschafter das angeblich weltoffene Bild von Katar unterstützen. Für diese internationalen Botschafter werden laut Dokument Werbefilme mit ausgewählten Gesprächspartnern produziert. Seit vergangenem Jahr ist zum Beispiel der ehemalige englische Nationalspieler David Beckham Werbegesicht der WM 2022. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll er dafür einen Eurobetrag in dreistelliger Millionenhöhe kassieren.

"Handverlesene" Journalisten

Teil der Strategie sind auch vom WM-Komitee organisierte Journalistenreisen. Im November 2019 sind Pressevertreter aus "neun wichtigen Märkten": Mexiko, Brasilien, Russland, England, Indien, Japan, China, Tunesien und der Türkei auf Einladung des WM-OK nach Katar gereist. Über, laut Dokument "handverlesene", Journalisten soll zum Beispiel gezielt der kritischen Berichterstattung über die Ausbeutung  der Gastarbeiter:innen "effektiv" entgegengewirkt werden.

Auf Anfrage der Sportschau, ob das WM-OK die Reise der Journalisten bezahlt hat, gab es keine Antwort. Auch elf der im Dokument aufgeführten Medienunternehmen wurden von der Sportschau angefragt. Keines der Unternehmen beantwortete die Frage, ob es sich die Berichterstattung über Katar sponsern ließ.

"Kafala-System existiert weiterhin"

Die tatsächliche Lage in Katar entspricht offensichtlich nicht dem vorgezeichneten Bild der PR-Strategen. Davon berichten der Sportschau zahlreiche Zeugen immer wieder. Ein afrikanischer Gastarbeiter, der in der Sicherheitsbranche tätig ist, kontaktierte vor wenigen Tagen die Sportschau und berichtete über diverse offizielle Beschwerden gegen seinen aktuellen Arbeitgeber. Das Sicherheitsunternehmen, dass unter anderem auch beim letztjährigen Arab-Cup Stadionpersonal gestellt hat, soll ohne Begründung die Gehälter hunderter Arbeiter gekürzt haben. "Aus meiner Sicht existiert das Kafala-System weiterhin", erklärte der Arbeiter gegenüber der Sportschau.

Amnesty kritisiert Katar

In ihrem neuesten Report berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dass WM-Gastgeber Katar vor allem Reformen im Arbeitsrecht versprochen habe, die Umsetzung aber mangelhaft sei. Die schlechte Lage könne sich nach dem Turnier gar "weiter zuspitzen". Die FIFA und die katarische Regierung haben in den vergangenen Jahren immer wieder die Fortschritte im Reformprozess angepriesen.