Risiko gegen Sicherheit England gegen Italien - Gegensätze im Mittelfeld

Stand: 09.07.2021 17:37 Uhr

Im Mittelfeld unterscheiden sich die beiden Finalisten grundlegend. Italien agiert im Zentrum deutlich riskanter und offensiver, England stärkt vor allem die Defensive. In Sachen Erfahrung hat die "Squadra Azzurra" jedoch klare Vorteile.

Die unterschiedliche Spielweise der beiden EM-Finalisten spiegelt sich besonders deutlich im Mittelfeld wider. Abgesehen vom Halbfinale gegen Spanien (5:3 nach Elfmeterschießen) hatte Italien das Zentrum in allen Spielen unter Kontrolle, war die dominante Mannschaft. Jorginho ist der Chef der italienischen Mitte, der Ballverteiler, aber auch Balleroberer. Er sichert stets seine beiden Nebenleute ab, die im Gegensatz zum 29-Jährigen, dessen Bewegungsradius vergleichsweise klein ist, überall auf dem Platz zu finden sind.

Marco Verratti und Nicolo Barella pressen ihre Gegner gerne schon tief in der gegnerischen Hälfte, im Offensivspiel unterscheiden sie sich jedoch. Da ist Verratti wie Jorginho Ballverteiler und Barella der Mann, der mit in die Spitze stößt.

Bei den Engländern sind die Rollen klarer definiert. Gareth Southgate agiert mit einer Doppel-Sechs und einem klassischen Zehner. Mason Mount ist der Spieler hinter den Spitzen. Dem Champions-League-Sieger des FC Chelsea ist es noch nicht gelungen, bei dieser EM so sehr zu überzeugen wie im Klub. Zudem musste er mitten im Turnier in Quarantäne, weil er Kontaktperson des positiv auf das Coronavirus getesteten Schotten Billy Gilmour war. Jedoch hat Mount zwei Bodyguards in seinem Rücken, die ihm stets den Rücken freihalten. Declan Rice und Kalvin Phillips spielen ein starkes Turnier im defensiven Mittelfeld.

Italiens Mittelfeld hat deutlich mehr Europa-Erfahrung

Auch in Sachen Erfahrung unterscheiden sich die beiden Mittelfeldreihen enorm. Jorginho (Chelsea), Verratti (Paris St. Germain) und Barella (Inter Mailand) haben alle Champions-League-Erfahrung und in der vergangenen Saison Titel gewonnen. Mount ist dagegen im englischen Zentrum der einzige Akteur, der weiß, wie es in großen Spielen zugeht. Rice (West Ham United) und Phillips (Leeds United) haben mit ihren Mannschaften zwar für Furore in der Premier League gesorgt, sich aber nicht auf internationaler Bühne mit den Besten gemessen. Bislang haben sie das im Turnier kompensieren können, diese Abgezocktheit müssen sie in einem Endspiel aber erst beweisen.

Sollten die drei englischen Mittelfeldspieler einen schlechten Tag haben, könnte das ein Problem für die "Three Lions" werden. Mit Jordan Henderson gibt es nur eine Alternative, die im Turnier regelmäßig zum Einsatz kam und schon gute Leistungen gezeigt hat. Ansonsten hat Southgate für das Zentrum nur noch Jude Bellingham nominiert, der bisher lediglich auf 55 Spielminuten kommt. Auf den anderen Positionen sind die Engländer deutlich tiefer besetzt.

Englands Mittelfeld setzt eher auf Sicherheit

Italien hat dagegen eine Auswahl an starken Spieler, die bei der EM bereits Spiele entschieden haben. Neben den drei aktuellen Stammkräften haben auch Manuel Locatelli und Matteo Pessina bereits starke Leistungen gezeigt. Locatelli schoss die Italiener mit einem Doppelpack zum 3:0-Sieg gegen die Schweiz. Pessina kam bisher vor allem als Joker zum Einsatz, erzielte aber schon das entscheidende Tor in der Gruppenphase gegen Wales (1:0) und das 2:0 beim Achtelfinalsieg gegen Österreich (2:1 nach Verlängerung).

Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Reihe haben die italienischen Spieler mehr Selbstvertrauen bei der EM tanken können. Während Englands zentrale Profis zusammen nur auf drei Torbeteiligungen kommen, sind es bei den Italienern schon neun. Das liegt auch daran, dass das Spiel von Roberto Mancini deutlich offensiver und riskanter ausgerichtet ist als das von Southgate.

Das Duo Rice/Phillips hat das Ziel des englischen Trainers erreicht und die eigene Abwehrreihe derart gut entlastet, dass die Engländer erst einen Gegentreffer - und den auch noch durch einen direkten Freistoß - kassiert haben.