"Wir haben gelitten, es aber durchgestanden" Italien im Finale - an Grenzen gestoßen und sie überwunden

Stand: 07.07.2021 08:39 Uhr

In keinem Spiel hat Italien so um den Sieg kämpfen müssen wie gegen Spanien. Trotz aller Widrigkeiten hat sich das Team von Roberto Mancini aber durchgesetzt - weil es die richtigen Mittel für die Spanier gefunden hat.

Leonardo Bonucci hat auf dem Fußballfeld schon so viele Schlachten ausgetragen. Am Sonntag (11.07.2021) wird er im Finale der EURO gegen Dänemark oder England sein 109. Länderspiel bestreiten, hinzu kommen 598 Pflichtspiele in Italien. Doch das 5:3 nach Elfmeterschießen gegen Spanien wird ihm in besonderer Erinnerung bleiben. "Das war das härteste Match meiner Karriere", sagte der 34-Jährige.

Spanien dominiert, Italien reagiert

Bisher hatten die Italiener ihre Partien dominiert, mit hohem Pressing die Gegner immer wieder unter Druck gesetzt. Gegen die dominanten Spanier (70 Prozent Ballbesitz, 16:7 Torschüsse) war das nur zeitweise möglich, zu ballsicher war gerade das Mittelfeld um Kapitän Sergio Busquets und dem 18-jährigen Pedri. Entsprechend musste sich die "Squadra Azzurra" über viele Strecken aufs Verteidigen konzentrieren - konnte aber auch immer wieder mit guten Ballstafetten selbst Akzente setzen.

Sportschau-Experte Stefan Kuntz war begeistert, wie Italien auf den Gegner reagierte. "Was mir imponiert hat: Die Spanier haben es nicht schlecht gemacht, sie haben den Spielaufbau total zugestellt. Jorginho musste in eine neue Rolle schlüpfen, und trotzdem haben sie wieder Antworten gefunden", sagte er. "Oft ist es so, wenn Plan A kaputtgeht, dass die Spieler zum Trainer rausschauen und sich fragen: 'Was ist Plan B?' Aber sie hatten diesen Plan B offenbar schon und auch die Klasse der Spieler, um selbst zu reagieren."

"Wir sind eine große Familie, und das kann man sehen"

Jorginho, der Denker und Lenker im italienischen Mittelfeld, war nicht wie gewohnt der dauerhafte Ballverteiler, sondern ein kämpfender und organisierender Sechser. "Wir haben gegen einen mächtigen Gegner gespielt, haben gelitten, es aber durchgestanden. Wir haben immer an den Sieg geglaubt, und das ist das Wichtigste. Wir lassen uns nie in die Enge treiben, das ist das tolle an unserem Team - wir leiden, spielen und lachen zusammen, wir sind wie eine große Familie, und das kann man sehen", sagte der Schütze des letzten Elfmeters.

Sie stehen füreinander ein und überwinden Grenzen, die ihnen durch Spanien aufgezeigt wurden. "Wir haben mit den Meistern des Dribblings gespielt, den talentierten Enkeln einer Generation von Mythen, die ihre Schuhe an den Nagel gehangen haben. Am Vorabend glaubten wir, vielleicht mit etwas Übermut, im Mittelfeld gleichauf zu spielen", schrieb die italienische Zeitung "Gazzetta dello Sport". "Trotz unserer talentierten Mittelfeldspieler haben wir ihrer unverwechselbaren Spielweise nicht das Wasser reichen können, aber wir haben eingesetzt, was keine andere Nationalmannschaft im Bedarfsfall so sehr einzusetzen weiß: unseren Widerstand, unsere Leidensfähigkeit."

Italiens Serie geht weiter und soll noch mindestens ein Spiel anhalten

So ist das Team von Trainer Roberto Mancini zum 33. Mal in Folge unbesiegt geblieben. Nie war es jedoch so hart wie gegen Spanien. "Sie waren unglaublich stark. Aber wir haben letztendlich eine gute Antwort gefunden. Man muss angreifen, aber sich auch verteidigen - und das haben wir gemacht", sagte der Erfolgscoach, der nach 53 Jahren wieder den EM-Titel nach Italien holen will. "Wir sind noch nicht am Ende angelangt", so Mancini.

Das Spiel gegen Spanien hat gezeigt: Italien ist weder nur der Catenaccio der früheren Jahrzehnte noch nur der High-Speed-Fußball der vergangenen Wochen - die Mannschaft ist das Gesamtpaket. Sie macht das, was nötig ist, und das auf höchstem Niveau. Deswegen legt sich Kuntz fest: "Das war für mich nochmal ein Schubs nach vorne, sodass ich sage: Jetzt sind sie auch Favorit im Endspiel."