Endspiel bei der UEFA EURO 2020 England gegen Italien - starke Abwehrreihen im Fokus

Stand: 09.07.2021 06:30 Uhr

Ein Duo aus Manchester gegen die "Senatoren" aus Turin - im Endspiel zwischen England und Italien treffen auch die zwei Teams mit den besten Abwehrreihen bei dieser EURO aufeinander.

Italien blieb in der Vorrunde ohne Gegentor, die Engländer kassierten sogar erst im Halbfinale ihren ersten und einzigen Gegentreffer im Turnier. Auch dank ihrer starken Abwehr sind die "Three Lions" seit nunmehr zwölf Länderspielen ungeschlagen, dabei gingen sie nur ein einziges Mal, beim 0:0 in der EM-Vorrunde gegen Schottland, nicht als Sieger vom Platz.

Übertroffen wird dies noch von der unwirklich anmutenden Erfolgsserie von Endspiel-Gegner Italien, die "Squadra Azzurra" ist nach dem Halbfinalsieg gegen Spanien nunmehr 33 Spiele in Folge unbesiegt.

Donnarumma gegen Pickford - die Torhüter

Gianluigi Donnarumma ist erst 22 Jahre alt, steht gefühlt dennoch schon eine halbe Ewigkeit bei Italien zwischen den Pfosten. Das liegt daran, dass er schon mit 17 sein Debüt gab, als jüngster Nationalkeeper Italiens. Ungefähr genauso lange wird er auch als wertvollstes Torwart-Juwel des Planeten vermarktet. Sein berüchtigter Berater Mino Raiola hat den langjährigen Milan-Torhüter, von den Tifosi wegen seiner Gehaltsforderungen auch "Dollarumma" genannt, inzwischen erfolgreich bei den Neureichen von PSG untergebracht.

Nachdem die Italiener die Qualifikation zur vergangenen WM verpassten, darf Donnarumma bei der EURO seine Stärken nun endlich auf der großen Bühne präsentieren: Mit 1,96 Metern ist er ein Hüne zwischen den Pfosten, dennoch reaktionsschnell. Im Spiel gegen Österreich knackte er die Uralt-Rekordmarke von Dino Zoff mit 1.169 Minuten ohne Gegentor, ließ sich aber bei Sasa Kalajdzics Gegentreffer per Kopf ins kurze Eck übertölpeln. Dafür wehrte er im Halbfinale im Elfmeterkrimi gegen Spanien den am Ende entscheidenden Strafstoß ab.

Auch Finalgegner England hat mit Jordan Pickford einen starken Rückhalt zwischen den Pfosten. Die unselige Tradition englischer Pannen-Torhüter, die oft einen entscheidenden Anteil an Englands Scheitern hatten, scheint mit Pickford endgültig beendet zu sein. Bei der WM 2018 hatte er mit seinem abgewehrten Strafstoß gegen Kolumbien bereits das englische Elfmeterschießen-Trauma beerdigt.

Elf mögliche Gegentore verhindert

Auch bei der EURO überzeugt der nervenstarke Everton-Keeper. Elf mögliche Gegentore hat Pickford laut UEFA-Statistik mit seinen Paraden verhindert, sogar zwei mehr als sein hoch gehandelter italienischer Kontrahent. Pickford hielt tadellos – bis zu Mikkels Damsgaards Freistoß im Halbfinale, der eine fantastische Flugkurve hatte, aber eben auch nicht unerreichbar im Kasten einschlug. Dafür verhinderte er nach dem Seitenwechsel nach Kasper Dolbergs Schuss den erneuten Rückstand. Die deutschen Fans werden noch seine Glanztat nach dem Schuss von Kai Havertz in unguter Erinnerung haben.

Manchester-Duo gegen Italiens Senatoren - die Innenverteidigung

Im Gegensatz zu manch anderen Teams bei der EURO hielten beide Endspielteilnehmer an der klassischen Viererkette fest, als Fundament für eine stabile Defensive. In Englands Innenverteidigung ist neben United-Kapitän Harry Maguire, zu Beginn des Turniers noch angeschlagen, John Stones von Stadtrivale Manchester City gesetzt. Auch der Rest von Englands Abwehrkette wird von den Großklubs aus Manchester gestellt.

Maguire ist seit seiner Rückkehr auch bei der EURO der unumstrittene Abwehrchef. Der kantige Verteidiger ist enorm zweikampf- und kopfballstark und bei seinen Vorstößen ungemein torgefährlich. Zu besichtigen bei seinem Treffer gegen die Ukraine wie auch wieder beim Halbfinale gegen die Dänen, als er mit seinem wuchtigen Kopfball die beste Chance der regulären Spielzeit hatte. Auch sein Nebenmann Stones war bisher extrem zuverlässig, stark in der Spieleröffnung und hätte sich gegen Schottland auch beinahe in die Torschützenkliste eingetragen.

Soviel Offensivgefahr können Italiens Innenverteidiger nicht aufbieten, dafür immens viel Erfahrung: Leonardo Bonucci (34 Jahre) und Giorgio Chiellini (36), die "Senatoren" von Juventus. Bonucci zog beim Halbfinale gegen Spanien mit seinem 17. EM-Einsatz mit Rekordspieler Gianluigi Buffon gleich, sein ewiger Nebenmann Chiellini kommt gleich dahinter mit 16 EM-Einsätzen.

Was den beiden Abwehrveteranen an Schnelligkeit abgeht, machen sie mit ihrer großen Routine und Übersicht wett. Beim glücklichen Halbfinalsieg gegen die Spanier, als Italien auf einmal wieder den althergebrachten Catenaccio-Stil auspackte und sich ins Elfmeterschießen rettete, hielten sie den Abwehrverbund zusammen wie in besten Zeiten.

Spinazzola nicht zu ersetzen - die Außenverteidiger

Zuvor hatte Italien bei der EURO mit mutigem Offensivspiel überrascht, ein entscheidender Faktor dabei waren die Außenverteidiger mit ihren gefährlichen Vorstößen über die Flügel. Umso schwerer wiegt deshalb der Ausfall von Linksverteidiger Leonardo Spinazzola, der sich im Viertelfinalspiel gegen Belgien schwer verletzte. Spinazzola war eine der großen Entdeckungen des Turniers gewesen.

Mit seiner Schnelligkeit und seinem Offensivdrang hatte er immer wieder Italiens Spiel angekurbelt, mehr noch als Giovanni Di Lorenzo, sein Gegenüber auf der rechten Außenbahn. Nun muss es bei den Italienern in Abwesenheit Spinazzolas links hinten Emerson richten - für die Titelträume des Landes ist das ein Rückschlag.

Auch die Engländer setzen auf offensivstarke Verteidiger auf den Außenbahnen. Vor allem Luke Shaw drehte in den K.o.-Spielen auf und war ein belebendes Element im bis dato zähen englischen Offensivspiel. Gegen Deutschland und gegen die Ukraine lieferte der flankenstarke "Shawberto", wie er auch schon mal in Anlehnung an Roberto Carlos genannt wurde, insgesamt drei Torvorlagen. Bei seinen Vorstößen auf der linken Seite öffnet er häufig die Räume für seinen Vordermann Raheem Sterling, Englands bis dato gefährlichsten Angreifer.

Kyle Walker, Shaws Gegenüber und mit 31 Jahren ältester Spieler im Kader, ist bislang bei weitem nicht so offensivfreudig, hält dafür aber seine rechte Abwehrseite sauber, lässt kaum Flanken und Zuspiele in die Spitze zu. Der athletische Walker hat soviele gegnerische Pässe abgefangen wie kein anderer Spieler bei den "Three Lions".