Ist auch in England nicht zu bremsen: ManCity-Torjäger Erling Haaland.

Spieler-Transfers in England Protz und Panik - Premier League knackt Zwei-Milliarden-Grenze

Stand: 02.09.2022 07:56 Uhr

Gemessen an dem, was die Premier League in diesem Sommer für Mittelklasse-Spieler ausgegeben hat, war Erling Haaland ein Schnäppchen. Dass eine Zwei-Milliarden-Grenze geknackt wurde, hat auch mit Panik zu tun.

Norwegens König Harald V. kommt aus dem Schwärmen für seinen 63 Jahre jüngeren Landsmann Erling Haaland gar nicht mehr heraus. Auch Fußball-Legenden wie Michael Owen und Matthias Sammer huldigen dem Hattrick-Helden, der bei Manchester City mit neun Toren in fünf Spielen einen Traumeinstand hingelegt hat.

Englische Medien sind ziemlich sicher, dass die Wahl zum "Goldenen Schuh" schon im gerade abgelaufenen August entschieden wurde. Und tatsächlich spricht enorm viel dafür, dass der Scheich-Klub die festgeschriebene 75-Millionen-Euro-Ablöse an Borussia Dortmund glänzend investiert hat.

Wilde Summe für den Brasilianer Antony

Nicht nur gemessen an diesen 75 Millionen Euro lassen andere aktuelle Zahlen viele Fußball-Fans ratlos zurück. Dass die englische Liga in diesem Sommer schon einen Tag vor dem Deadline Day die Zwei-Milliarden-Grenze auf der Ausgabenseite geknackt hatte (bei Einnahmen von rund 750 Millionen Euro), erweckt den Eindruck, als habe es die Corona-Krise gar nicht gegeben.

Bei einigen Klubs sieht das Transferverhalten nach Protzerei aus. Bei anderen ist offenbar die Panik ausgebrochen: vor allem bei Manchester United.

Für einen Ü-30-Spieler wie Casemiro 70,65 Millionen Euro locker zu machen, obwohl das zentrale Mittelfeld nun wirklich nicht die größte Schwachstelle ist - erstaunlich. Aber immerhin hat Casemiro im Weltfußball schon Großes geleistet, er weiß, wie man die Champions League gewinnt und ist auch neben dem Platz eine große Persönlichkeit.

Aber United hat auch insgesamt 152,37 Millionen Euro an Ajax Amsterdam gezahlt, davon 95 Millionen für Antony, den Rest für Linksverteidiger Lisandro Martínez.

Kein Knipser und nur ein starker Fuß

Vor allem die 95 Millionen für den Brasilianer Antony klingen wild. Der Linksfuß kann zwar im Stile eines Arjen Robben von rechts in die Mitte ziehen und gut abschließen. Aber er ist bedingt durch seine Einfüßigkeit auch sehr berechenbar und nicht gerade ein Knipser: Acht Treffer waren es in der Eredivisie in der Vorsaison, im Jahr davor neun - und das Niveau in den Niederlanden ist nicht vergleichbar mit der englischen Liga.

Vielleicht auch ein Grund für die Großzügigkeit der Glazer-Brüder: Man United hatte einen Fehlstart in die Saison hingelegt, will aber endlich wieder groß angreifen und unbedingt zurück in die Königsklasse. Letztlich steht nun ein Transferminus von 226,52 Millionen Euro zu Buche, und trotz aller Gerüchte war Cristiano Ronaldo nicht von der Gehaltsliste zu bekommen - da wird die weitere Entwicklung spannend zu beobachten sein.

Bundesliga investiert nur ein Viertel - und macht Plus

Insgesamt investierte die Premier League rund viermal so viel wie die 18 Bundesligisten. Und die deutschen Klubs haben in der Summe sogar ein Plus erwirtschaftet, was maßgeblich mit den beiden Abgängen von Haaland und Robert Lewandowski zum FC Barcelona zu tun hatte.

Dass England mit solchen Summen locken kann - allein in diesem Transfersommer kamen elf Profis jenseits der 50-Millionen-Euro-Grenze - liegt neben den deutlichen höheren TV-Einnahmen vor allem am Investoren- und Eignermodell. Während in der Bundesliga die 50+1-Regel eine Übernahme der Vereine durch Scheichs und Oligarchen ausschließt, gehört in England zum Beispiel Newcastle United einem Staatsfonds von Saudi-Arabien, dem "Public Investment Fund".

TV-Einnahmen in einer anderen Sphäre

Bei Manchester City hält Scheich Monsour Bin Zayed Al Nahyan 86,21 Prozent der Klubanteile und hat mit seinen Finanzspritzen längst die Milliardengrenze überschritten, um endlich die Champions League zu gewinnen. Der Ortsrivale wird zum Unwillen der Fans von den Gebrüdern Avram und Joel Glazer regiert.

Auch beim anderen Kultklub FC Liverpool wäre Nostalgie fehl am Platz: Über die amerikanische Investment-Gruppe "Fenway Sports Group" sind Milliardär John Henry und Ex-Bill-Clinton-Berater Tom Werner die Eigner bei den "Reds".

Auch die TV-Einnahmen sind nicht vergleichbar mit der Bundesliga. Laut "The Telegraph" erhält die Premier League zu etwa gleichen Anteilen aus der Inlands- und der Auslansvermarktung mehr als 12 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre, in der Bundesliga sind es rund 4,5 Milliarden im Vergleichszeitraum.

Während im deutschen Oberhaus in der Vorsaison der Tabellen-18. Greuther Fürth 34,2 Millionen Euro Fernsehgeld erhielt, lag der Letzte der Premier League, Norwich City, bei 125,7 Millionen.

"Irgendwie komisch, irgendwie verrückt"

In England scheint also zumindest einigermaßen klar, woher das Geld für die Wahnsinns-Investitionen kommt. Das ist beispielsweise beim mit weit mehr als einer Milliarde verschuldeten FC Barcelona nicht der Fall.

Das Transfergebaren der Katalanen, die in diesem Sommer neben Lewandowski unter anderem den Brasilianer Raphinha von Leeds United und Jules Koundé vom FC Sevilla für insgesamt mehr als 150 Millionen Euro Ablöse holten, kommentiert Bayern-Trainer Julian Nagelsmann so: "Es ist der einzige Klub in der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will. Es ist irgendwie komisch, irgendwie verrückt."