Zum dritten Mal Bondscoach Van Gaal und die Niederlande - wer sonst?

Stand: 01.09.2021 08:00 Uhr

Louis van Gaal will die niederländische Nationalelf zur WM nach Katar führen - doch er will noch mehr. Es ist die dritte Amtszeit des "Tulpengenerals". Ein Blick auf die schillernde Karriere eines schwierigen Charakters, von dem "Oranje" nicht lassen kann - und umgekehrt.

Sie sind wie ein Liebespaar, das sich immer mal wieder trennt, dann wieder zusammenkommt - und irgendwie nicht voneinander lassen kann. Trainer Louis van Gaal übernimmt zum dritten Mal die niederländische Fußball-Nationalmannschaft.

Er tritt die Nachfolge von Frank de Boer an, der nach dem frühen Achtelfinal-Aus bei der Europameisterschaft zurückgetreten war. Bereits von 2000 bis 2001 und erneut von 2012 bis 2014 hatte van Gaal die "Elftal" trainiert.

WM-Titel das Ziel

"Mein persönliches Ziel ist es, Weltmeister zu werden", sagt der Bondscoach. Das mag sich großmäulig anhören, ist es aber nicht. "Ich mache es nicht für mich selbst, sondern um den niederländischen Fußball auf ein höheres Niveau zu bringen", sagt er. Man glaubt es ihm. "Oranje hat mir immer schon am Herzen gelegen. Außerdem betrachte ich es als eine Ehre, die niederländische Mannschaft zu trainieren", sagt er.

Start gegen Norwegen

Für van Gaal beginnt seine dritte Amtszeit am Mittwoch (01.09.2021) mit dem WM-Qualifikationsspiel in Norwegen. Drei Tage später geht es dann gegen Montenegro, und am 7. September hat "Oranje" die Türkei zu Gast. In der Qualifikationsgruppe G liegen die Niederlande hinter der Türkei auf Platz zwei. Schon die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar wird schwierig genug. "Ich glaube an diese Spielergruppe, aber es wird nicht einfach", sagte der gebürtige Amsterdamer. Nur der Gruppensieger ist direkt für das Turnier im Golfstaat qualifiziert.

"Wer soll es sonst machen?"

Van Gaal ist mittlerweile 70 Jahre alt, war schon im Ruhestand und müsste sich eine solchen Job eigentlich nicht mehr antun. Doch er war der Wunschkandidat des niederländischen Fußballverbandes KNVB. "Mit seiner Erfahrung und seinen Leistungen auf dem allerhöchsten Niveau ist er nach unserer Ansicht der Trainer für uns", hieß es vom Verband, der zudem von van Gaals "außergewöhnlichen Qualitäten" schwärmte.

"Wer soll es auch sonst machen?", fragt van Gaal. Das meint er seinen Trainerkollegen gegenüber überhaupt nicht despektierlich. Andere Trainer waren nicht zu haben, weil sie anderswo langfristig unter Vertrag stehen. Ex-Nationalspieler Giovanni van Bronckhorst hatte seinen Hut in den Ring geworfen, war aber abgeblitzt. Kritiker sagen dennoch, die Entscheidung für van Gaal sei aus einer Art Verzweiflung heraus und aus Mangel an Alternativen gefallen. Der KNVB setzt aber offenbar auf Erfahrung.

Schillerne Karriere

Und die hat van Gaal. Seine Karriere ist schillernd. Er hat große Klubs trainiert - Ajax Amsterdam, den FC Barcelona, Manchester United und Bayern München. Die Liste seiner Erfolge ist lang. Er ist Champions-League-Sieger und UEFA-Cup-Sieger mit Ajax, nationaler Meister und Pokalsieger in Spanien, den Niederlanden, England und Deutschland. Auch AZ Alkmaar hat van Gaal trainiert. Dort begann 1986 seine Karriere, damals als Assistent. 2005 kehrte er als Trainer zurück und führte den kleinen Klub aus Nord-Holland 2009 völlig überraschend zur Meisterschaft. Auch das hatte damals gewiss etwas mit Liebe zu tun.

Dritter bei der WM in Brasilien

Erfolge hatte er auch mit dem Nationalteam. Die erste Amtszeit wurde zum Debakel, da "Oranje" sich nicht für die WM in Japan und Südkorea qualifizieren konnte. 2014 revanchierte er sich und erreichte mit der "Elftal" den dritten Platz bei der WM in Brasilien. Es ist der bisher letzte große Erfolg für das Team. Fest steht: Van Gaal hat keinerlei Druck. Er muss niemandem etwas beweisen.

Aus Zeitdruck baut er vorläufig auf die Spieler, die sein Vorgänger berufen hatte. Vor dem Spiel gegen Norwegen habe er mit der Mannschaft nur 1,5 Tage Vorbereitungszeit, berichtet van Gaal. Als Assistenten wählte er den früheren Bondscoach Danny Blind sowie Sparta Rotterdams Trainer Henk Fraser. Frans Hoek ist neuer Torwarttrainer.

Schwieriger Charakter

Van Gaal gilt als schwieriger Charakter. Er ist ein Mensch, der enorm polarisiert. Vor allem in München und Manchester geriet er ein ums andere Mal mit der Führungsetage aneinander. Auch bei längst nicht allen Spielern ist der "Tulpengeneral" beliebt. Er gilt als streng, distanziert und autoritär. Der "Süddeutschen Zeitung" verriet er 2010, dass seine Töchter ihn siezen.

"Veredeltes Grüppchen Stars"

Auch dem aktuellen Kader wird jetzt wohl ein anderer Wind entgegenwehen. Noch im Juli hatte van Gaal nach dem frühen Ausscheiden bei der EM Kritik an den Spielern geübt und sie als "veredeltes Grüppchen Stars" bezeichnet. Doch es ist vielleicht das Ziel des KNVB,  die zweifellos talentierte, aber in entscheidenden Momenten viel zu oft pomadige Mannschaft mit einem autoritären Führungsstil wieder auf Kurs bringen.

Seit fünf Jahren kein Team trainiert

Interessant wird es sein, mit welchem Stil und mit welcher Taktik die Niederlande in Zukunft spielen. Das typische 4-3-3 gilt nicht als van Gaals Lieblingssystem. Abzuwarten bleibt, wie innovativ er überhaupt noch sein kann. Seit fünf Jahren hat er kein Team mehr trainiert. 2016 sollte nach seiner Entlassung bei Manchester United Schluss sein. "Der brennende Ehrgeiz ist weg, denn ich habe alles erreicht, was ich wollte", sagte er damals: "Meine Frau hätte es lieber, wenn wir zusammen die Zeit verbringen und das Leben genießen." Doch dann kam der KNVB. Es muss Liebe sein.