Optimistisch für die WM in Katar: Hansi Flick

DFB-Auswahl in Katar In der Wüste gesucht - der Geist vom Campo Bahia

Stand: 01.11.2022 14:13 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft braucht einen besonderen Spirit, um bei einer WM erfolgreich zu sein. Oliver Bierhoff setzt darauf, dass die gute Stimmung über Siege erzeugt wird.

Am 10. November (12 Uhr) wird auf dem DFB-Campus von Bundestrainer Hansi Flick verkündet, wer die 26 Nationalspieler sind, die bei der höchst umstrittenen WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) für Deutschland die Mission WM-Titel angehen sollen. Vier Tage später steigt der Tross des vierfachen Weltmeisters in den Flieger für ein fünftägiges Kurztrainingslager im Sultan-Qabus-Sportzentrum in Maskat in den Oman, wo noch ein Testspiel gegen den Oman (16. November) stattfindet.

Der Auftakt gegen Japan ist Härte- und Stimungstest

Dann ist nicht mehr viel Zeit fürs erste Gruppenspiel gegen Japan im Khalifa International Stadium (23. November/14 Uhr). Am Auftaktspiel hängt viel, das zeigt die WM-Historie. Diesmal ist es Härte- und Stimmungstest zugleich. Im Optimalfall erzeugt die Nationalmannschaft beim ersten Turnier unter Flick jene Aufbruchsstimmung, die bei der WM 2014 vom rauschhaften 4:0 gegen Portugal ausging.

Was nicht passieren darf: dass wie bei der WM 2018 mit einem ernüchternden 0:1 gegen Mexiko gleich zu Beginn die Grundsatzdebatten losgehen. Es braucht diesmal mehr denn je ein Ausrufezeichen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gibt bei jeder Veranstaltung gerne die Losung aus, dass er zurück in die Weltspitze möchte. Die Frauen haben das bei der EM in England eindrucksvoll auf eine sympathische, mitreißende Art geschafft. Die Männer müssen das noch beweisen.

Bundestrainer Hansi Flick beschwört besonderen Spirit

Flick weiß: "Der Teamgeist bei einer WM spielt eine große Rolle. Wir wollen in Katar einen Spirit entwickeln, der uns durch das Turnier tragen soll – und das so lange wie möglich." Als Löws Assistent hat er 2014 selbst erlebt, welchen Anteil das Campo Bahia am WM-Titel hatte. Auch DFB-Direktor Oliver Bierhoff erinnert sich gerne an die entspannten Tage damals am Südatlantik.

Vier Jahre später war in Russland nichts mehr von dieser entspannten Atmosphäre übrig. Das ausgesuchte Quartier in Watutinki nahe bei Moskau war ein Reinfall, wie die WM 2018 überhaupt. Es gab den Ballast der lange unterschätzten Debatte um Ilkay Gündogan und Mesut Özil, die sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatten ablichten lassen. Dass die Nationalspieler im hässlichen WM-Camp vor lauter Langeweile bis nachts an der Playstation saßen, war der Form auch nicht förderlich.

Niemand wohnt so weit weg von Doha wie das deutsche Team

In Katar wohnt die deutsche Nationalmannschaft im Zulal Wellness Resort: eine moderne Hotelanlage, die erst in diesem Jahr eröffnet wurde und so weit entfernt von Doha liegt wie kein anderes Quartier eines WM-Teilnehmers.

In Al-Ruwai an der Nordküste geht das Team dem Trubel der Hauptstadt Doha aus dem Weg. Mannschaft, sportliche Leitung und das Team hinter dem Team werden in einem eigenen, vom übrigen Hotelbetrieb abgetrennten Bereich wohnen. "Wir können uns dort ganz auf unsere große Aufgabe fokussieren, konzentriert arbeiten und regenerieren", sagt Flick. Eine Stunde ist es bis nach Doha in die Innenstadt.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff spürt das Spannungsfeld

Wie soll gute Laune aufkommen, wenn diese WM speziell in Deutschland eher als Stimmungskiller betrachtet wird? Bei allen Problemen in dem Wüsten-Emirat, erklärte Bierhoff kürzlich bei einem WM-Workshop in Frankfurt, "müssen wir eine Freude fürs Turnier wecken". Es müsse klar sein, dass "unsere gesellschaftliche und sportpolitische Repräsentanz unser Präsident ist". Soll heißen: Bernd Neuendorf spricht über solche Themen, aber nicht mehr Flick und seine Kicker.

Denn was nicht passieren dürfe, so Bierhoff, "dass Spieler sich sagen: 'Es ist eh ein Shit-Turnier, und wen juckt das. Dann fahren wir halt nach Hause, gewinnen mit Bayern die Champions League, und alles ist wieder okay'". Es sei wichtig, mit einem guten Start in einen positiven Flow zu kommen. "Wenn man in dieser Stimmung ist, hat man auch mehr Gelassenheit, auf die anderen Themen hin und wieder mal zu antworten", betont der 54-Jährige. Kann dieser Spagat überhaupt gelingen?

Die WM 2018 war frustierend, die EM 2021 enttäuschend

Zwei Turniere liegen hinter dem Aushängeschild, das viel Kredit verspielt hat. Durch eine missratene WM 2018, die Bierhoff rückblickend als "frustrierend, schlecht“ bezeichnet. Und durch eine eigenartige EM 2021, bei der "irgendetwas gefehlt" habe. Beide Male aber hieß der Bundestrainer Löw, der als Menschenfänger kaum mehr taugte. Bierhoff setzt jetzt auch auf den Flick-Faktor.

Man hab viel "Vertrauen in Hansi", der "klar in seinen Ansagen, in seiner Kommunikation" sei. Einerseits nehme der Bundestrainer seine Spieler mit, andererseits lasse er "die Spieler spüren, wenn er merkt, da müsste mehr kommen". Letztlich könnte die sportliche Leitung aber nur die Bedingungen schaffen; Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl "muss von innen kommen". Vielleicht erwächst so etwas ja einfach aus dem Wüstensand.