Fußball | International FC Barcelona und Koeman - Absturz des einst Verehrten

Stand: 28.10.2021 13:16 Uhr

Sportliche Talfahrt, aufständische Fans: Die Entlassung von Ronald Koeman beim FC Barcelona war keine Überraschung. Woran er scheiterte und wer auf ihn folgen könnte? Ein Blick auf das kriselnde Barça.

Die Meldung kam zwei Minuten nach Mitternacht am Donnerstag (28.10.2021): Der FC Barcelona teilte über seine Vereinskanäle mit, dass er Trainer Ronald Koeman von seinen Aufgaben als Cheftrainer entbunden hatte. Wenige Stunden zuvor hatte Koemans Team schon wieder verloren - 1:2 gegen den Tabellenfünften Rayo Vallecano in der spanischen Liga. Noch im Flugzeug auf der Rückreise aus Vallecano entschied sich dann die Klubführung gegen den 58-jährigen Niederländer.

Überraschend war die Personalentscheidung nicht mehr, sondern vielmehr der nachvollziehbare und logische Schritt eines sich lange abzeichnenden Weges, der den Weltklub immer weiter in die Krise geführt hatte.

Vier große Spiele verloren

Schon vier Tage zuvor war das "Aus" des früheren Bondscoachs bei den Katalanen quasi besiegelt. Koeman hatte mit dem FC Barcelona den Clásico gegen Real Madrid mit 1:2 verloren. Das war nicht irgendeine Niederlage, die heißblütigen Barça-Fans verziehen diese erneute Schlappe nicht mehr. Als Koeman gemeinam mit seiner Frau das Stadion im Auto verlassen wollte, stellten sich ihm die Anhänger in den Weg, schlugen und bespuckten das Auto und riefen ihm hinterher: "Hau endlich ab."

Wieder war ein großes Spiel des ruhmreichen Klubs verloren gegangen - bereits das vierte in dieser Saison nach den Niederlagen in der Champions League gegen den FC Bayern (0:3) und Benfica Lissabon (0:3) sowie auch gegen Atletico Madrid (0:2) in der Meisterschaft, wo Barça derzeit nur den neunten Platz belegt - ein Tabellenbild, das in Barcelona nur schwer zu ertragen ist.

Spanischer Pokal als einziger Titel

Insgesamt gab es unter Koeman 67 Pflichtspiele - 48 in der Liga, elf in der Champions League, sechs im Pokal und zwei im spanischen Superpokal - mit einer Bilanz von 39 Siegen, zwölf Unentschieden und 16 Niederlagen. Immerhin gewann er mit seinem Team den spanischen Pokal in der vergangenen Saison.

Ein zu dürftiges Ergebnis - Koemans Engagement war vielmehr mit der Hoffnung verbunden worden, dass mit ihm der Glanz zurückkehrte, der ihn einst schon als Spieler umweht hatte. Koeman zählte zum legendären und noch heute von den Fans verehrten Dreamteam, das unter Johan Cruyff 1992 im Wembley-Stadion gegen Sampdoria Genua den Europapokal der Landesmeister gewann. Den entscheidenden Freistoß zum 1:0-Endstand hatte Koeman verwandelt.

Keine guten Karten unter Laporta

Von Beginn an stand sein Wirken aber unter keinem günstigen Stern. Koeman war noch vom ehemaligen Präsdienten Josep Maria Bartomeu verpflichtet worden. Der nachfolgende Vorstand um den mächtigen Joan Laporta hat ihn nie als den Seinen empfunden - das machte die Arbeit nicht leicht für den Chefcoach. Ironie des Schicksals: Koeman wurde nun auf den Tag genau ein Jahr nach Bartomeus Rücktritt gefeuert.

Was ist Koeman vorzuwerfen? Koemans Tätigkeit fiel in eine Zeit des großen Umbruchs des angeblich mit 1,35 Milliarden Euro verschuldeten Klubs. Superstar Lionel Messi hatte den Klub im Sommer verlassen. Koeman sollte ein neues Team mit jungen Spielern aus der "Masia", der weltbekannten eigenen Akademie, formen, was ihm nicht gut gelang. Seiner Mannschaft aus erfahrenen Männern wie Gerard Piqué, Sergio Busquets und Jordi Alba sowie den Nachwuchshoffnungen wie Eric Gracia, Gavi und Ansu Fati fehlte die richtige Balance.

Xavi Hernández als heißer Kandidat

Wer wird Koeman nun nachfolgen? Angeblich soll diese Frage in Ruhe geklärt werden, was bei diesem Klub aber eher nicht vorstellbar ist. Zunächst soll Interimstrainer Sergi Barjuan den schnellen Fall des katalanischen Spitzenklubs stoppen. Der frühere spanische Nationalspieler (49), bei Barca Trainer der B-Mannschaft, werde das Team so lange betreuen, bis ein Koeman-Erbe gefunden sei, teilte der Klub am Donnerstag mit.

Letzterer war 2017 fünf Monate Co-Trainer bei Borussia Dortmund unter Peter Bosz.

Die langfristige Lösung könnte Barça-Legende Xavi Hernández sein. Doch der einstige Mittelfeld-Star ist noch bis 2023 an den Al-Sadd FC in Katar gebunden und muss wohl teuer aus seinem Vertrag herausgekauft werden. Angesichts der kolportierten Schulden des Klubs kein leichtes Unterfangen.

Abgesehen davon scheint Xavi trotz seiner vergleichsweise geringen Erfahrung als Trainer (seit Mai 2019) der perfekte Mann. In 767 Spielen für die Katalanen hat er alles erlebt, neben Lionel Messi prägte er die erfolgreichste Ära des Klubs und gewann viermal die Champions League.

Sollten die Verhandlungen mit Al-Sadd über die Freigabe scheitern, gelten Erik ten Hag von Ajax Amsterdam und River Plates Marcelo Gallardo als Alternativen.